Enterprise-Class Cloud von EMC EMC will Cloud-Kunden mit Virtustream überzeugen
Lange rätselte der Markt über EMCs Cloud-Strategie. Mit der EMC World 2016 wurde das Rätsel gelöst: Der Hersteller setzt bei Cloud-Services auf seinen Zukauf Virtustream. Und Tochterfirma VMware bekommt interne Konkurrenz.
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Geht EMC nun in die Cloud oder nicht? Längere Zeit schien es so, als wolle der Speichergigant mit seiner Zurückhaltung eine Wettbewerbssituation zwischen EMC und Tochterfirma VMware vermeiden. Der Virtualisierungsspezialist bietet unter der Marke vCloud Air eigene Cloud-Erweiterungen für lokale VMware-Cloud-Umgebungen an.
Auf der EMC World in Las Vegas wurde nun der Schleier gelüftet: EMC kündigte an, man werde in Zukunft Cloud-Angebote für professionelle Ansprüche unter der Marke Virtustream anbieten. Der Cloud-Service-Provider war von EMC im vergangenen Jahr für einen Preis von 1,2 Milliarden Dollar aufgekauft worden.
Zunächst werde man einen Enterprise-fähigen Infrastrukturservice für geschäftskritische Unternehmensanwendungen anbieten. Ob SAP, Microsoft, andere CRM- oder ERP-Applikationen und so weiter, so ziemlich alles lasse sich ohne Rechts- und Sicherheitsrisiko in die Cloud verlagern.
Scale-out-Objekt-Storage mit S3-Schnittstelle
Der zweite Dienst, mit dem EMC über Virtustream in den Markt einsteigt, ist eine Cloud-basierende Scale-out-Objekt-Storage mit S3-Schnittstelle, auf Hardwarebasis von EMCs Objekt-Speichersystem ECS. Davon wurden in den Virtustream-Rechenzentren bereits 2 Exabyte installiert, so dass so schnell keine Kapazitätsengpässe auftreten dürften.
Marktvorteil durch Mikro-VMs?
Virtustream ist nicht irgendein Cloud-Serviceanbieter, sondern hat sehr spezielle Technologien entwickelt, die den technischen, finanziellen und rechtlichen Bedenken vieler Unternehmen gegenüber der Auslagerung gerade geschäftskritischer Anwendungen etwas entgegensetzen sollen: Ungenügend ausgelastete virtuelle Maschinen und damit verbundene überhöhte Kosten gehören neben Sicherheits- und Compliance-Bedenken zu den wichtigsten Hemmschuhen einer breiteren IaaS-Nutzung durch Unternehmen.
Das ist daher die patentierte Mikrosegmentierung virtueller Maschinen. Eine Mikro-VM ist ein standardisiertes, feingranulares Ressourcenbündel. Es besteht auf 200 MHz CPU, 768 MByte Speicher, 40 Speicher-Ein-/Ausgabeoperationen pro Sekunde und 2 Mbit/s Netzbandbreite. Mit Mikrosegmentierung lassen sich, so Virtustream, Ressourcen sauber und ohne unnötigen Ressourcenverbrauch zuweisen und ihre Nutzung messen.
Dies ist auch über mehrere Clouds hinweg möglich. Der Hersteller vergleicht sie mit der Grundeinheit Kilowattstunde beim Stromverbrauch. Die Infrastruktur ist so ausgestattet, dass sie den Verbrauch, gemessen in Mikro-VMs jederzeit bezogen auf die jeweilige Aufgabe messen kann.
Kunden zahlen auf Basis der aktuell verwendeten Ressourcen, wobei jede Ressource separat gemessen und erst am Ende alle konsumierten Ressourcen in Mikro-VMs umgerechnet werden. Basis dieser Berechnungen und Algorithmen sind Datenerhebungen in real existierenden Umgebungen über sieben Jahre hinweg. Verbraucht eine Workload zum Beispiel vorwiegend Speicher, werden die nicht beanspruchten Ressourcen wie CPU-Zyklen oder Netzbandbreite gleichzeitig anderweitig genutzt. Virtustream spricht von einer Reduktion des Ressourceneinsatzes um 10 bis 40 Prozent. Virtustream verspricht, dass Applikationen für die Cloud-Migration auf Mikro-VMs nicht neu geschrieben werden müssen und auch nicht weniger leisten.
Managementsoftware xStream bietet viele Sicherheits- und Compliance-Funktionen
Segmentierung, Betrieb und Abrechnung der Ressourcen übernimmt die Betriebs- und Managementsoftware xStream, die zweite Kernressource von Virtustream. Sie managt die vorhandenen Miro-VMs, weist Applikationen dediziert und dynamisch die nötigen Ressourcen an Rechenzyklen, Speicher und Bandbreite zu und sorgt für Hochverfügbarkeit bei angeschlossenen Rechenzentren, Infrastruktur und Applikationen. Zusammenarbeiten kann xStream mit allen wichtigen Hypervisoren, Windows und Linux, APIs, die zu EC2 oder S3 kompatibel sind und allen wichtigen Hardwareherstellern.
Für Sicherheit sorgen unter anderem Zwei-Faktor-Authentisierung mit einem One-Time-Passwort, das auf einem iOS-, Android- oder Blackberry-Smartphone generiert werden kann, kontinuierlicher Schutz durch ein SIEM (Security Information and Event Management)-System, ständige Verschlüsselung aller Daten, sobald sie sich in der gehosteten Umgebung befinden (Archiv, in Bewegung, im Speicher), integrierte Funktionen für Governance, Risikomanagement und die Einhaltung von Compliance-Regeln (GRC) sowie isolierte Anwendungszonen. Eine Firewall und Unterstützung von Intels Trusted Execution Technology (TXT) runden die Sicherheitsfunktionen ab.
Die Liste der Compliance-Zertifizierungen und –Autorisierungen liest sich eindrucksvoll und umfasst neben den Standards PCI-DSS (Zahlungsabwicklung per Kartenzahlung), ISO 27001-2005 und IiPPA (US-amerikanisches Gesundheitssystem) oder SSAE16, SAS70 (Auditierung) auch eine ganze Reihe anderer Standards, die weniger bekannt sind. Alle auditierbaren Ereignisse werden rückverfolgbar gespeichert. Die Ausfallsicherheit liegt bei 99,99 bis 99,999 Prozent, wobei für jede Applikation spezifische Service Level Agreements vereinbart werden können.
Der zweite, speicherorientierte Virtustream-Dienst versteht sich vor allen Dingen als objektorientiertes Datenarchiv außer Haus und soll quasi die externe Verlängerung von EMC-Backup- oder Speicherlösungen werden. Damit dieses Angebot auch bei deutschen Kunden verfängt, ist aus rechtlichen Gründen die physische Präsenz eines Rechenzentrums vor Ort nötig. Tatsächlich baut Virtustream gerade in Deutschland und Frankreich Ressourcen auf. In den Regionen, wo das Unternehmen bisher gearbeitet hat, ist man jeweils mit zwei redundanten Rechenzentren pro Zone präsent. Seit 10. Mai sind die Services im EMC-Angebot unter dem Label Virtustream erhältlich. Weitere Dienste sollen folgen.
Der sonst auch auf Veranstaltungen wie der EMC World prominent präsente VMware-Lenker Pat Gelsinger ließ sich diesmal auf der weltweiten Firmen-Kongressmesse in Las Vegas nicht blicken. Dies habe jedoch nichts mit irgendwelchen Misshelligkeiten mit VMware zu tun, betonten Firmenvertreter auf Nachfragen mehrfach. Es gebe für beide Angebote, VMwares vCloud Air und Virtustream, durchaus Zielgruppen, die nebeneinander bestehen könnten.
Virtustream könnte sich, wenn die Kunden ihre aus Gründen von Datenschutz und Datensicherheit bestehende Abneigung gegen US-Dienstleister als Cloud-Provider für Geschäftsanwendungen überwinden würden, zum Wettbewerber für professionelle Cloud-Anbieter wie Bechtle oder Pironet NDH werden. Ob das freilich der Fall ist, muss sich erst zeigen. Wenn nicht, gibt es auch viele internationale und US-Firmen, die sich mit den aus der Homeland Security der USA folgenden Kalamitäten ausgesetzt sehen, egal, wo sie ihre Daten speichern. Für sie dürfte das Virtustream-Angebot, eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung vorausgesetzt, durchaus interessant sein.
Nachfolgendes Video erläutert die eingangs genannte patentierte Mikrosegmentierung virtueller Maschinen von Virtustream:
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