Alternative ERP-Systeme aus der Cloud (Teil 4) Herausforderungen bei der Implementierung von Cloud-ERP

Von Dr. Dietmar Müller Lesedauer: 6 min

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In unserer Reihe zu ERP-Alternativen aus der Cloud stellt sich flankierend die Frage, was denn die besonderen Herausforderungen bei der Implementierung von Cloud-ERP sind. Wer könnte dies besser beantworten als ein Service Provider, im konkreten Fall Wolf Schumacher, Geschäftsführer von Productive Vision mit Sitz nahe Heilbronn.

Wolf Schumacher von Productive Vision erläutert die besonderen Herausforderungen bei der Implementierung von Cloud-ERP.
Wolf Schumacher von Productive Vision erläutert die besonderen Herausforderungen bei der Implementierung von Cloud-ERP.
(Bild: frei lizenziert SplitShire / Pixabay / Pixabay)

Productive Vision bezeichnet sich selbst als ein „Boutique Consulting Unternehmen“ und offeriert Anwendern „innovative Cloud-Anwendungen“ inklusive „aller Beratungsschritte von einer digitalen Unternehmensstrategie bis hin zur erfolgreichen Realisierung“. Wir befragten den Geschäftsführer Wolf Schumacher nach seinen Erfahrungen mit Klienten in Deutschland, der Schweiz, Österreich, den USA und Australien.

CloudComputing-Insider: Was genau offeriert Productive Vision, welche Anwendungen beziehungsweise Dienste bieten Sie Ihren Kunden an?

Wolf Schumacher: Die Productive Vision UG & Co KG besteht seit 2016 als eigenständiges deutsches Unternehmen in Bretzfeld - Hohenlohe. Der Komplementär unserer KG ist die Prodvis Cloud Beteiligungs UG, ebenfalls Bretzfeld. Productive Vision konzentriert sich auf die Einführung cloud-orientierter Geschäftsanwendungen, also ERP-Lösungen, bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) im DACH-Raum. Diesen bieten wir die rasche Realisierung von automatisierten Geschäftsprozessen auf der Basis der Standard-Cloud-Lösungen des niederländischen Produzenten Exact Software B.V. an. Wir sind ein langjährig erfahrener und zertifizierter Partner der Exact B.V. für die DACH-Region.

Wolf Schumacher, Geschäftsführer von  Productive Vision.
Wolf Schumacher, Geschäftsführer von Productive Vision.
(Bild: Productive Vision)

Wer sind Ihre „typischen“ Kunden? Anders gefragt: Worum handelt es sich bei Ihren Kunden in der Regel?

Schumacher: Unsere Kunden sind wie gesagt KMUs, d.h. eigenständige Unternehmen mit zwei bis circa 150 festangestellten Mitarbeitern und Jahres-Umsätzen zwischen unter einer bis 50 Millionen Euro. Sie sind in vielfältigen Branchen zuhause, mit Schwerpunkten in der Medizintechnik, dem Handel mit Elektroteilen, dem Maschinen- und Gerätebau sowie im Dienstleistungsbereich. Eine Reihe unserer Klienten begannen ihre Zusammenarbeit mit uns als Start-ups und skalierten im Laufe der Zeit zu Marktführern in ihrem jeweiligen Segment. Typisch ist für unsere Kunden, dass sie flexibel Markt- und Technologie-Änderungen nutzen, um mit unserer Unterstützung laufend ihre Geschäftsprozesse innovativ zu verbessern.

Wie gehen Sie bei der Einführung von Exact Online beim Kunden vor?

Schumacher: Wir verfolgen einen konsultativen Ansatz. Das bedeutet, dass wir versuchen, das Geschäft und die bestehenden Geschäftsprozesse sowie die verantwortlichen Mitarbeiter des Kunden bestmöglich zu verstehen. Dazu gehört, dass wir die Datenlage, d.h. den Gang der Produkt- und Dienstleistungs- Entwicklung, die Abläufe von Herstellung und Beschaffung, sowie die Schritte von Markterkundung und – bearbeitung, durchschauen lernen. Oft setzen wir dabei das Instrument des Proof of Concept (PoC) ein, bei dem wir mit dem Kunden dessen Abläufe mithilfe der neuen Cloud-Lösung mit Echt-Daten simulieren und auf diese Weise Abläufe weiter automatisieren. Gleichzeitig bauen wir durch den aktiven Einbezug der Mitarbeiter über Elemente des Change-Managements eventuell auftretende Widerstände gegen Technologie beziehungsweise Organisationsanpassungen ab, oder lassen sie erst gar nicht entstehen. Wir orientieren uns bei der Bekämpfung von Widerständen und anderen Barrieren von Innovationen im Unternehmen an erprobten Methoden und Werkzeugen, wie ich Sie in der Monographie „Barriers to Business Reengineering Success“ aufgeführt habe.

Wenn der Kunde sein ERP aus der Cloud bezieht – sorgen Sie dann für’s Hosting? Im Falle von Exact wäre die Basis unseres Wissens dann Azure oder AWS – inwieweit muss sich der Anwender dabei einbringen?

Schumacher: Ja, Exact Online ist eine reine Cloud-Lösung, genauer gesagt, eine Public-Cloud-Lösung. Das bedeutet, die Anwendung selbst und die Daten unserer Kunden sind in einem externen deutschen Rechenzentrum gespeichert, dem AWS Frankfurt. Es handelt sich um ein sehr sicheres Hosting-System, das noch niemals seit Bestehen ein Problem hatte, das für Kunden zu Unterbrechungen im Zugang zu ihren Daten oder der Anwendung führte. Unsere Kunden, beziehungsweise deren Anwender haben keine technische Verantwortung für die Software. Das bedeutet, die technische Verantwortung für den Betrieb der Anwendung und die Sicherstellung des Zugangs der Kunden zu ihren Daten liegt in der Hand unseres Partners, der Exact BV und den Betreibern des AWS-Rechenzentrums. Als Dienstleister sind wir dafür verantwortlich, dem Kunden Informationen und Hilfestellungen zu geben, um jederzeit Prozesssicherheit und Datensicherheit zu gewährleisten. Das trifft auch für Schnittstellen zwischen der Exact Online-Anwendung und anderen Apps des Kunde zu.

Was sind die besonderen Herausforderungen bei der Einführung von ERP aus der Cloud? Gibt es vielleicht stetig wiederkehrende Problemstellungen?

Schumacher: Anwendungen, die für die Cloud entwickelt wurden und im Internet laufen, verhalten sich gegenüber ihren Anwendern nicht viel anders als On-Premises-Anwendungen. Als großen Vorteil bringen sie mit, dass sie von jedem Ort aus, an dem das Internet verfügbar ist, genutzt werden können. Dies wurde vielen unserer Kunden besonders deutlich während der Pandemie Zeiten. Wenn z.B. Mitarbeiter die Software statt vom Büro aus von zu Hause nutzen sollten, war dies auf einfachste Weise möglich. Es genügte, auf einem Endgerät wie einem Laptop einen Browser zu aktivieren, die URL der Exact Online-Anwendung aufzurufen, Zugangsdaten einzugeben und mit der Anwendung zu arbeiten. Dabei brauchen keine Daten auf dem Gerät selbst gespeichert zu werden, da die Anwendung selbst für alle Datenaufrufe und Speicherungen inklusive regelmäßiger automatischer Backups im Datenzentrum ausgelegt ist.

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Worauf sollten Unternehmen generell achten, wenn sie ein ERP aus der Cloud beziehen wollen? Welche Parameter gilt es berücksichtigen?

Schumacher: Für manche Unternehmen ist die Digitalisierung generell eine neue Herausforderung. Das heißt, Abläufe, die bisher manuell und mit Papiereinsatz erledigt wurden, zukünftig mithilfe elektronischer Medien zu erledigen. Bei Cloud-Anwendungen kommt hinzu, dass alle Arbeiten über das Internet remote erledigt werden. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter des jeweiligen Kunden verstehen lernen, das Internet nicht nur zur Entspannung und Nachrichtenaufnahme zu verwenden, sondern vor allem auch für die strukturierte berufliche Aufgabenerledigung. Wir unterstützen unsere Kunden und deren Mitarbeitern mit gezielten Schulungsprogrammen, die interaktiv und mit geringem Stundeneinsatz pro Tag, die digitalen Geschäftsprozesse des Unternehmens verdeutlichen und trainieren.

Es gibt also einen besonderen Schulungsbedarf bei den Kunden?

Schumacher: Die Einführung neuer Geschäftsabläufe benötigt immer Schulungsbedarf. Dabei erscheint uns als Dienstleister wichtig zu erwähnen, dass die Schulung eng am individuellen Bedarf der Mitarbeiter orientiert ist und ausreichend Gelegenheit fürs Üben des Gelernten gegeben wird. Entscheidend für den Erfolg der Schulungsmaßnahmen ist, dass die zukünftigen Geschäftsabläufe nachweislich fehlerfrei erfolgen.

Neu offerieren Sie auch das ERP-System aus der Cloud von Weclapp, einem Frankfurter Experten, der im Sommer vergangenen Jahres von Exact übernommen wurde. Wem bieten Sie Weclapp bevorzugt an, für welche Kunden eignet sich eher Exact? Wo sind die Unterschiede?

Schumacher: In der Tat hat unser Lizenzgeber, die niederländische Exact Software BV mit Sitz in Delft, NL, für den Vertrieb im deutschsprachigen Raum das Cloud ERP-Unternehmen Weclapp und die Software gleichen Namens erworben. Es handelt sich dabei um eine Lösung, die vornehmlich dem kleinen und mittleren KMU-Segment zugeordnet werden kann, während Exact Online mit seiner ausgeprägten Funktionalität eher dem mittleren bis höheren KMU-Segment zugehört. Besonders im Produktions- und Supply Chain Management-Bereich besitzt Exact Online Vorteile gegenüber Weclapp. Beide Systeme sind jedoch sehr gut geeignet für die Anbindung von Drittsystemen zur Lösung von Spezialproblemen. Ein Beispiel ist die Schnittstelle mit FinApi zur Realtime-Verknüpfung mit beliebigen Bankkonten. Eine weitere häufig verwendete Verbindung ist mit Outsmart, einer Steuerungslösung für den Außendienst.

Gibt es bei der Einführung und dem Betrieb der beiden Suiten Unterschiede?

Schumacher: Konzeptionell unterscheiden sich Exact Online und Weclapp wenig voneinander. Beide sind SaaS-Lösungen, die keine enorme Anfangsinvestition für Unternehmen erfordern, sondern als monatliche Kosten in die laufende Betriebskostenrechnung einlaufen. Gerne beantworten wir detaillierte Fragen zum funktionalen Leistungsumfang, sowie zu Verbindungen mit Speziallösungen, die besondere Branchenanforderungen etc. abdecken. Das erledigen wir gerne im Zusammenhang mit konkreten Aufgabenstellungen, die uns von Kunden beziehungsweise Interessenten gestellt werden.

Herr Schumacher, wir danken für das Gespräch!

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