„Synergy“ ist mehr als ein Rechner HPE schärft Strategie zu Cloud und Rechenzentrum

Autor / Redakteur: Jürgen Frisch* / Ulrike Ostler

IT-Ressourcen im gesamten Datacenter automatisiert verwalten – das ist das neue Leitbild der Cloud-Infrastruktur von HP Enterprise. Die „Converged Plant Infrastructure“ digitalisiert derweil die Fabrik.

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"Synergy" ist das HPE-System, das viele Entwicklungen für "The Machine" bereits aufnimmt und eine der Grundlagen für eine flexible Cloud- aber auch Big-Data-Infrastruktur im Rechenzentrum bildet.
"Synergy" ist das HPE-System, das viele Entwicklungen für "The Machine" bereits aufnimmt und eine der Grundlagen für eine flexible Cloud- aber auch Big-Data-Infrastruktur im Rechenzentrum bildet.
(Bild: Ostler)

Erst im Januar dieses Jahres hatte HP Enterprise seine „Helion Public Cloud“ eingestellt. Eine Abkehr vom Thema Cloud sieht Albrecht Munz, Director Business Critical Systems bei HP Enterprise darin ganz und gar nicht: „Wir haben unseren Public Cloud Service eingestellt, aber nicht unsere Cloud Technologie.“

HPE sei aus dem Consumer-Cloud Business ausgestiegen, um nicht mit Providern wie Telekom, Microsoft oder Amazon in den Wettbewerb zu treten. Das Unternehmen wolle vielmehr die Bausteine für die Cloud liefern, und zwar sowohl an Provider als auch an Unternehmen. In Sachen Technologie beobachtet Munz einen tiefgreifenden Wandel.

„Synergy folgt dem Prinzip der Composable Infrastructure und differenziert nicht mehr zwischen Compute-Leistung, Netzwerk und Storage“, erklärt Albrecht Munz, Director Business Critical Systems bei HP Enterprise. „Das System verwaltet diese Elemente und stellt sie der Applikation nach Bedarf zur Verfügung.“
„Synergy folgt dem Prinzip der Composable Infrastructure und differenziert nicht mehr zwischen Compute-Leistung, Netzwerk und Storage“, erklärt Albrecht Munz, Director Business Critical Systems bei HP Enterprise. „Das System verwaltet diese Elemente und stellt sie der Applikation nach Bedarf zur Verfügung.“
(Bild: Foto-Grafikatelier Gudrun de Maddalena/HPE)

Munz sagt weiter: „Über nackte Server oder blanke Storage-Elemente kann sich heute kaum noch ein Hersteller differenzieren. Unternehmen brauchen vielmehr Infrastrukturen, die ihre Elemente ganzheitlich einer Applikation zur Verfügung stellen. Das bieten wir, wobei unser Administrierungs- und Orchestrierungs-Layer Helion Open Stack die Zuweisung der Ressourcen übernimmt.“

Mit „Synergy“ hat HPE dieses Infrastrukturprinzip in ein Produkt gegossen. Die Plattform nutzt flexible Ressourcen-Pools, eine Software-definierte Verwaltung und eine einheitliche Programmier-Schnittstelle. Sie soll es ermöglichen, traditionelle Applikationen und native Cloud-Anwendungen gleichzeitig zu betreiben und dabei jeder Anwendung automatisch die benötigten Ressourcen bereit zu stellen. Erste Systeme mit dieser Architektur will HPE Ende dieses Jahres in den Markt bringen. Mit der generellen Verfügbarkeit rechnet Munz Anfang 2017.

Infrastruktur bündelt Compute-Leistung, Netzwerk und Storage

„Synergy folgt dem Prinzip der Composable Infrastructure und differenziert nicht mehr zwischen Compute-Leistung, Netzwerk und Storage“, erklärt Munz. „Das System verwaltet diese Elemente und stellt sie der Applikation nach Bedarf zur Verfügung. Braucht die Applikation die Applikation nicht mehr, sind sie für eine anderweitige Verwendung freigegeben.“

Bei Synergy ist die komplette Hardware virtualisiert. Sämtliche Komponenten dieses Systems werden automatisch nach Art eines `Fluid Resource Pools´ verwaltet, wie Munz an einem Beispiel erkläutert: „Unternehmen haben heute sowohl für ein SAP-System als auch für ihre Desktop-Virtualisierung standardisierte Umgebungen. Trotz standardisierter Komponenten sehen beide Umgebungen anders aus, weil die Workloads unterschiedliche Profile haben. Synergy bildet die unterschiedlichen Architekturen ab und weist die Elemente nach Bedarf den Applikationen zu.“

Da die Ressourcen automatisiert verwaltet werden, stellt Synergy eine deutliche Erweiterung des alten Mainframe-Prinzips dar, wo ebenfalls Ressourcen unter mehreren Anwendern aufgeteilt wurden. „Beim Mainframe war das sehr aufwändig manuell zu administrieren“, so Munz. „Ein laufendes System haben die Unternehmen nur dann angepasst, wenn es massive Änderungen gab. Heute hingegen laufen sämtliche Änderungen ohne manuelles Zutun dynamisch im Hintergrund ab.“

Nicht nur die Automatisierung selbst hat sich geändert, sondern auch ihr Anwendungsbereich. Auch bei einem Hyperconverged System von HPE werden Ressourcen Software-definiert verwaltet. Das betrifft aber lediglich den einzelnen Server beziehungsweise mehrere Maschinen, die darin zusammengeschaltet sind. Bei Synergy hingegen umfasst die Automatisierung das gesamte Rechenzentrum: „Bei einem voll ausgebauten Synergy-System reden wir von 350 bis 400 Compute Nodes und etwa 14 bis 15 Petabyte Storage“, erläutert Munz. „Hier umfasst die Composable Infrastructure das gesamte Datacenter.“

Applikationen werden automatisch mit Ressourcen versorgt

Mit Synergy kommen Unternehmen dem Ziel einer autonomen Infrastruktur ein ganzes Stück näher. Neuartige Applikationen, die Unternehmen im Rahmen der Digitalen Transformation erstellen, beispielsweise eine Anwendung, mit der Kunden ihrer Versicherung einen Schaden über das Smartphone melden, sind laut Munz typischerweise so gestaltet, dass sie der Infrastruktur über eine Programmierschnittstelle mitteilen, welche Ressourcen sie im Detail benötigen.

Solche Anwendungen könne Synergy automatisch versorgen. Bei den althergebrachten Anwendungen hingegen müsse der Administrator ein Profil erstellen, das ihren Bedarf aufzeigt. Synergy stelle dann die Ressourcen anhand dieses Profils bereit.

Bei den oben beschriebenen neuen Kundenanwendungen geht HPE von einem steilen Wachstum aus, das dann einen hohen Bedarf an zusätzlicher Rechenleistung nach sich zieht: „Ein SAP-System wächst immer nur so schnell wie das Unternehmen selbst“, berichtet Munz. „Wenn hingegen die Kunden eine Service-Applikation gut annehmen, zieht das einen Rattenschwanz an zusätzlichen Ressourcen in Rechenzentren nach sich. Mit der Composable Infrastructure können Unternehmen diesen Bedarf schnell und flexibel decken.

Single-Sourcing liegt als Vendor-Strategie nahe

Sämtliche Vorteile von Synergy lassen sich nur dann nutzen, wenn diese Plattform das gesamte Rechenzentrum umfasst. Unternehmen, die sich in diese Richtung bewegen wollen, müssen allerdings laut Munz nicht gleich ihr gesamtes Data Center austauschen: „Man kann klein anfangen, beispielsweise mit einer Exchange-Umgebung, deren Austausch ansteht, und diese auf das erste Synergy-Modul legen. Im Rahmen der Austausch-Zyklen der übrigen Elemente im Rechenzentrum kann das Unternehmen dann nach und nach in die Synergy-Umgebung hineinwachsen.“

Kommen alle Elemente des Rechenzentrums vom gleichen Anbieter, dann ergibt sich eine Single-Vendor-Strategie, die nicht bei allen Unternehmen beliebt ist. Munz ficht dieses Argument nicht an: „Wettbewerb findet heute nicht mehr über einzelne Elemente wie Server statt, sondern er erstreckt sich über die komplette Plattform. Liefert eines Tages ein Wettbewerber ein ähnliches Angebot wie Synergy, können Unternehmen diese beiden Plattformen in ihrem Data Center nebeneinander betreiben. Das wäre dann wieder eine Multi Vendor Strategie.“

Neben der hohen Flexibilität sieht HPE in der Senkung der Gesamtkosten einen großen Hebel für die Migration in Richtung Synergy: „Unter Technologie-Stack ist in der Anschaffung etwas teurer als andere Angebote“, führt Munz aus. „Geht es allerdings in den Total Cost of Ownership um Geschwindigkeit, Wartbarkeit und die Dynamik der Infrastruktur, dann dürfte Synergy um Klassen besser abschneiden als alles das, was man mit einzelnen hochstandardisierten Servern aufbauen kann.“ Auf einen direkten Vergleich der Gesamtkosten von Synergy und Amazon will sich Munz allerdings nicht einlassen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Systeme würde man schnell Äpfel und Birnen vergleichen.

Converged Plant Infrastructure digitalisiert die Fabrik

Unabhängig von Synergy hat HPE die Converged Plant Infrastructure angekündigt. Es handelt sich dabei um eine Appliance, die Fertigungs-Unternehmen dabei helfen soll, die Digitalisierung ihrer Fabriken zu beschleunigen und die Chancen von Industrie 4.0 zu nutzen. Diese Infrastruktur bietet eine Steuerungszentrale für alle an der Produktion beteiligten Maschinen und IT-Systeme. Fertiger könnten damit die Wartung ihrer Maschinen optimieren, Produktionsprozesse automatisieren und sie an digital integrierte Produktionsketten über mehrere Firmen hinweg anbinden.

Die "HPE die Converged Plant Infrastructure" soll als Steuerungszentrale für alle an der Produktion beteiligten Maschinen und IT-Systeme dienen.
Die "HPE die Converged Plant Infrastructure" soll als Steuerungszentrale für alle an der Produktion beteiligten Maschinen und IT-Systeme dienen.
(Bild: Hewlett Packard Enterprise)

„Die vierte industrielle Revolution verspricht Produktivitätssteigerung und Wachstum, aber die Trennung zwischen Maschinen- und IT-Technologie hält uns nach wie vor zurück“, erläutert Volkhard Bregulla, Vice President Manufacturing Industry and IoT EMEA bei Hewlett Packard Enterprise. "Unsere Converged Plant Infrastructure überbrückt diese Kluft durch die Integration von Maschinen- und IT-Daten in ein gemeinsames Management-System. Das wiederum ist die Grundlage, um eine Vielzahl von Effizienz- und Umsatz-Potenzialen innerhalb und außerhalb der Fabrik zu nutzen.“

Die Steuerungszentrale des Produktionsprozesses

Die Converged Plant Infrastructure integriert Daten aller Ebenen der Automatisierungspyramide (In-/Outputsignale, SPS, SCADA, MES, ERP) sowie anderer Systeme wie Sensoren und Security-Systeme. Dies erlaubt eine 360-Grad Überwachung und Steuerung der gesamten Produktionsumgebung. Fertigungsfirmen könnten damit die Verfügbarkeit ihrer Produktionsanlagen erhöhen und die durch ungeplante Ausfälle verursachten Kosten senken. Im Rahmen von Predictive Maintenance sage die Converged Plant Infrastructure Fehler voraus, sodass Systeme repariert werden können, bevor sie ausfallen.

Die Converged Plant Infrastructure enthalte außerdem Orchestrierungs- und Automatisierungs-Funktionen, mit denen Produktionsmanager Herstellungsprozesse entwerfen, automatisieren und überwachen könnten. Dienste aus internen Systemen, etwa einem Manufacturing Execution System, und externen Quellen, etwa einem Online-Fahrzeug-Konfigurator, ließen sich in einer grafischen Benutzerumgebung zu einem integrierten Produktionsprozess zusammen fügen.

Eine Workflow Engine steuere und überwache in der Folge die Prozessausführung. Unternehmen könnten damit eine dynamische, automatische und selbstkonfigurierende Produktion aufsetzen. Fabriken ließen sich zudem an ein firmenübergreifendes Produktionsnetzwerk anschließen, das über Internetplattformen oder Community Clouds verwaltet werde.

Die Converged Plant Infrastructure wird nach Kundenanforderungen vorkonfiguriert und im Rack oder Container als schlüsselfertige Lösung geliefert. HPE stellt Support zur Verfügung und bietet zudem Beratungs-, Migrations- und Betriebsdienstleistungen. Aktuell ist die Converged Plant Infrastructure bei ausgewählten Kunden für Beta-Anwendungen verfügbar. Ab Dezember soll sie allgemein verfügbar sein.

* Jürgen Frisch arbeitet freiberuflich im IT-Journalismus und lebt in Stuttgart.

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