Henrik Hasenkamp, Gridscale, im Interview David gegen Goliath? – Lieber gemeinsam, statt einsam!
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Ungenutzte Rechenzentrumskapazitäten einerseits und steigender Speicher-Bedarf der Anwender andererseits waren einst die Geburtshelfer des Cloud Computings. Und die Cloud-Nutzung setzt ihren Siegeszug immer weiter fort, da immer mehr Unternehmen ihre Vorteile erkennen.

Laut Cloud-Monitor 2022 ist der Anteil der cloud-nutzenden Unternehmen im letzten Jahr auf 84 Prozent gestiegen. Darunter auch immer mehr mittelständische Unternehmen, die eingestehen müssen: Es wird immer schwerer, die stetig komplexer werdende Technologielandschaft in Eigenregie zu betreiben. Der Weg in die Cloud scheint zunehmend unausweichlich.
Letztendlich haben Organisationen die Wahl, ob sie sich für einen der großen Hyperscaler oder einen der kleineren, europäischen Lokalanbieter entscheiden. Hyperscaler bieten zwar etablierte Modelle und Angebote bei schneller Bereitstellung an. Diese sind aber in der Regel hochgradig standardisiert und lassen sich nicht im Vorhinein an die Anforderungen des Kundenunternehmens anpassen. Der Support ist zudem in vielen Fällen ausgelagert und entspricht auch nicht immer dem gewünschten Niveau.
Hybride Cloud-Nutzung bringt die Stärken verschiedener Cloud-Angebote und -Services zusammen. Ein Entweder-oder muss also nicht sein. Insofern markiert auch die Idee, Technologien der Hyperscaler lokal und in privaten Umgebungen ohne technologische Abhängigkeit verfügbar zu machen, den Beginn der Gridscale GmbH. Mitgründer und Geschäftsführer Henrik Hasenkamp erklärt im Interview das Geschäftsmodell.
CloudComputing-Insider: Lokale Cloud-Anbieter werden oft mit „Davids“ im Kampf gegen die Hyperscaler – die „Goliaths – verglichen. Beschreibt das auch Gridscales Position?
Henrik Hasenkamp: In der Geschichte „David gegen Goliath“ bringt der „Kleine“ mit einem gewieften Schachzug den Großen zum Umfallen. Das wäre auf uns übertragen schon ein verwegener Gedanke. Wir sind mit den großen Anbietern im Markt partnerschaftlich verbunden, genauso wie mit mittleren und kleinen Anbietern. Insofern packen wir auch kein „Kriegsgerät“ aus, was in diesen Zeiten sowieso noch eine andere Bedeutung erfährt. Wir treten also nicht gegeneinander an, sondern sind miteinander im Markt unterwegs, besetzen aber verschiedene Nischen. Unsere Produkte stehen hier ergänzend zu anderen Angeboten. Das gilt auch für unsere Partnerschaften, die wir intensiv pflegen. In diesen Partnerschaften finden wir in der Regel Multi-Cloud-Szenarien vor. Und da sind große wie kleine Anbieter dabei.
Wie können Anwender aber den „richtigen“ Anbieter finden?
Hasenkamp: Kunden haben solide Gründe, warum sie sich für eine ganz bestimmte Lösung entscheiden: Der Partner soll für sie ein wie immer geartetes Problem lösen. Im Bereich Office-Anwendungen beispielsweise ist es schwierig, wenn auch nicht unmöglich, an Microsoft 365 vorbeizukommen. Aufgrund der Marktdominanz wird die Entscheidung eigentlich vorweggenommen. Wenn ich aber eine Infrastruktur betreiben möchte, eine Medizindatenverarbeitung oder eine andere Nischenleistung erbringen soll, ist Amazon, Microsoft oder Google vielleicht nicht mehr die richtige Antwort. Zumindest aus europäischer Sicht, wo klar definiert ist, wie mit sehr sensiblen Daten umgegangen werden muss. Dann muss man sich mit Alternativen auseinandersetzen: Welche gibt es? Ist das Angebot in einer Public Cloud überhaupt das richtige? Oder kann mir ein Anbieter eines Rechenzentrums Colocationfläche zur Verfügung stellen, die besonders geschützt ist und bei der ich selbst die Compliance mit dem Anbieter vereinbare, Serverhardware kaufe, etc.? Das sind Fragestellungen, die zu klären sind. Der Anwendungszweck bestimmt die Entscheidung.
Und damit gehen die Anwendungsszenarien immer mehr in die Breite und Tiefe, eigentlich unzählbar?
Hasenkamp: Wir können diesen Gedanken bis hinunter zu den kleinen Handwerksbetrieben weiterspinnen. Oder auch auf SaaS-Unternehmen übertragen, auf Finanzinstitute und Versicherungen. Alle diese komplexen Anforderungskriterien führen am Ende dazu, dass es nicht nur ein einziges oder wenige Angebote geben kann, um alle Anforderungen zu erfüllen. Das sehen wir so und auch unsere Partner.
Was bedeutet das für die IT der Unternehmen?
Hasenkamp: Die IT rückt zunehmend in den strategischen Fokus für Unternehmen. Sie wird nicht mehr als reines Werkzeug gesehen, das man hat oder auch nicht. Die Zeiten sind vorbei, als man ganz gut damit leben konnte, wenn der digitale Kalender oder das E-Mail-Programm einmal ein oder zwei Tage nicht zur Verfügung standen. Die Relevanz von IT ist über alle Branchen hinweg signifikant gestiegen. Und teilweise ist das auch so gewünscht, wenn beispielsweise der Gesetzgeber fordert, die Steuererklärung digital abzugeben, um nur einen Bereich zu nennen, wo die Digitalisierung verstärkt einzieht.
Was sollte sich also ändern?
Hasenkamp: Es gibt immer noch Fälle, auch bei millionenschweren Unternehmen, wo ein Controller verantwortlich ist für die IT. Da hat ein Fachfremder die Verantwortung für ein so zentrales und elementares Element! So ist es nicht verwunderlich, wenn sich kritische Vorfälle häufen, wie beispielsweise Ransomware-Attacken. Eine Risikoeinschätzung ist gar nicht möglich, um sich präventiv mit diesen Gefährdungsszenarien auseinanderzusetzen. Die IT ist in solchen Fällen noch zu wenig Teil der Strategie. Dort, wo beispielsweise eine Internationalisierungsstrategie auf oberster Geschäftsebene verfolgt wird, muss eigentlich auch IT, genauso wie das ganze Thema der Compliance in Form von Sicherheit, Schulung, Awareness usw., angesiedelt sein. Das ist meiner Meinung nach noch viel zu selten der Fall.
Welche Aufgabe hat dann die IT oder wird sie am Ende sogar überflüssig?
Hasenkamp: Ganz im Gegenteil. Sie wird sogar wichtiger. Die IT-Abteilung in Unternehmen schlüpft in die Rolle des IT-Verantwortlichen. Sie holt sich das Spezialwissen dafür von außen, beispielsweise von einem Anbieter wie Gridscale. Mit einem solchen Partner hat sie dann auch ein viel besseres Mandat, um intern zum Beispiel den Transformationsprozess anzustoßen. Für Unternehmen wie Mitarbeiter ist das eine großartige Chance. So haben Mitarbeiter die Möglichkeit von vergleichsweise einfachen, administrativen Tätigkeiten, in die konzeptionellen und beratenden Rollen zu wachsen.
Dafür braucht es mehr Know-how. Doch wie kommt ein Unternehmen, das nicht auf IT spezialisiert ist, an Experten, um dieses überhaupt leisten zu können?
Hasenkamp: Die Fragestellung können wir auch zuspitzen: „Um das zu exekutieren“. Gerade in der Industrie, im herstellenden Gewerbe, im Maschinenbau usw. wird das immer schwieriger bis unmöglich. An dieser Stelle bekommen die Systemhäuser eine wichtige Rolle. Sie nehmen diese Unternehmen an die Hand, begleiten und beraten sie. Wir, als Spezialist für Cloud-Infrastrukturen, stehen wiederum solchen IT- und Beratungshäusern zur Seite und stellen ihnen moderne Architekturen zur Verfügung.
Gab es für die Gründung von Gridscale eine Art „Schlüsselerlebnis“?
Hasenkamp: Aber sicher. Gridscale wurde im August 2014 in Köln von Michael Balser, Torsten Urbas und mir gegründet. Michael und Torsten waren bei einem Mitbewerber in Berlin und haben deren Technologie mit aufgebaut inklusive Konzeption der dahinterstehenden Architektur. Ich kam dann 2014 dazu, um Professional Services aufzubauen. Die Überlegung war dann nach einiger Zeit, die bestehende Architektur in eine Art Appliance zu packen und diese dann Kunden für einen Betrieb vor Ort anzubieten. Im Grunde eine fern-gemanagte, lokale, private Cloud mit garantierter Souveränität. Wobei wir den Begriff Souveränität damals in diesem Kontext noch nicht verwendet haben. Unsere Idee stand aber der strategischen Ausrichtung des Mitbewerbers entgegen und war dort nicht zu bewerkstelligen. Wir haben dann das Unternehmen verlassen und mit Gründung der Gridscale GmbH unsere Idee weiterverfolgt.
Was genau haben Sie dann bei Gridscale entwickelt?
Hasenkamp: Im Grunde haben wir ein Rechenzentrumsbetriebssystem entwickelt, das wir ausrollen und an beliebigen Standorten in Betrieb nehmen und von der Ferne aus warten können. Der Standortbetreiber selbst muss sich nicht darum kümmern. Dass dann am Ende oben drauf noch Cloud-Services laufen, war dann eher der Entwicklung des Marktes geschuldet.
Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter einer soveränen Cloud?
Hasenkamp: Viele Kunden bauen im Laufe der Zeit eigenes Know-how für die Cloud-Nutzung auf und dann natürlich auch eigene Use Cases. Viele entscheiden sich dann dafür, die Enterprise Cloud zunächst in einem unserer Rechenzentren zu verwenden. Später nehmen wir für diese Kunden dann häufig lokale Installationen in Betrieb – also auf eigenen Flächen. Dafür aktiviert unser Kunde ein Software-Modul und erhält dann zwei Boxen – Low-Energy-Systeme. Diese schließt er an sein Netzwerk an und wenige Stunden später ist der Enterprise Cloud Stack vor Ort eingerichtet.
Wird uns diese hybride Welt, die Gridscale mit seinem Angebot unterstützt, noch lange erhalten bleiben? Oder werden Infrastrukturen und Anwendungen bald „cloud only“ sein?
Hasenkamp: Nein. Wir sehen auch langfristig die hybride Welt. Um nur einige Gründe zu nennen: Die reinen Betriebskosten einer Public Cloud sind recht hoch. Das macht nur dann Sinn, wenn ich alle Vorteile der Public Cloud nutzen kann. Diese Vorteile sind im Wesentlichen der ständige Rückgriff auf große Kapazitäten, die Public Cloud Anbieter vorhalten, sowie das große Service-Portfolio. Der Public-Cloud-Ansatz ist daher für Unternehmen, die neue Geschäftsmodelle wie SaaS einführen und mit ihnen unbekannten Infrastrukturgrößen vor allem hinsichtlich der benötigten Kapazitäten jonglieren, sicherlich der beste Weg. Spätestens aber, wenn die Wachstumsökonomie bekannt ist, sollten Unternehmen den mutmaßlichen Geschäftsvorteil einer Public Cloud hinterfragen.
Und wieder über den eigenen IT-Betrieb in einer Private Cloud nachdenken?
Hasenkamp: Den Trend zur Cloud-Repatriation erkennen wir auf jeden Fall. Wir adressieren diesen mit Technologie, die wir zwar grundsätzlich in der Public Cloud zur Verfügung stellen, die aber auch eins zu eins am eigenen Standort betrieben werden kann. Darüber hinaus kann man die Standorte auch vermischen. Um beispielsweise vor Ort sensible Daten zu speichern und in der Public Cloud die weniger sensiblen. Das ist ein für viele Anwender spannender Use Case.
Gridscale ergänzt also, um den Bogen zur Ausgangsfrage zu schlagen, die Public Cloud mit ihren Services?
Hasenkamp: Auf jeden Fall. Eine Zukunft, in der 100 Prozent der IT-Workloads in der Public-Cloud laufen, gibt es unserer Überzeugung nach auch nicht. Etwa 60 bis 70 Prozent der weltweiten IT-Workloads gehen in die Public Cloud. Aber es gibt eben auch noch genug „Spezial-IT-Workloads“, die für die Cloud ungeeignet sind, beispielsweise Anwendungsfälle, die direkt am Maschinenpark abgebildet werden müssen. Hier ist ein Cloud-Betrieb möglicherweise aus Latenz- oder Datenmengen nicht geeignet. Und auch die meisten Rechenzentrumsbetreiber haben verhältnismäßig wenig Flächen mit Hyperscalern besetzt, sondern viele unterschiedliche Anbieter nutzen diese Flächen. Das sind Unternehmen, die sich regional sehr gut positionieren. Es ist nicht absehbar, dass dieses Modell komplett erliegen wird.
Wie wird es weitergehen mit Cloud Computing?
Hasenkamp: Wenn wir zehn oder sogar zwanzig Jahre zurückschauen, dann war die Breite der eingesetzten Technologie und deren Einsatz begrenzt. Inzwischen gibt es Unternehmen, die sich sehr weit vorne auf dem Technology-Hype-Cycle bewegen, also modernste Architekturen einsetzen wie Function-as-a-Service, KI und Deep-Learning-Algorithmen. Und dann gibt es eben auch noch viele Unternehmen, die sich noch nicht von ihren AS/400-Systemen trennen wollen. Die Schaffung neuer Technologie geschieht schneller als alte Technologie abgebaut wird. Wir müssen einen Technologie-Life-Cycle bekommen, der einerseits motiviert, andererseits aber auch Unternehmen zwingt, moderne Technologie einzusetzen.
Sehen Sie besondere Gründe für diese Schere?
Hasenkamp: Natürlich ist es nicht immer sinnvoll, alte Technologie zu ersetzen. Schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht. Wenn 100-Millionen-Technologiewerte heute noch ihre Dienste tun, dann sind sie in der Regel schon lange abgeschrieben. Neue Systeme erfordern erneut Investitionen, die möglicherweise über den Wartungskosten der alten Technologie liegen. Der Kosten-Nutzen-Aspekt muss also immer beachtet werden, bevor ein altes System abgelöst wird.
Somit werden Anwender also irgendwann in die Cloud gezwungen?
Hasenkamp: Man zwingt…zum Glück.
Über Gridscale
Der Kölner IaaS- und PaaS-Anbieter Gridscale steht für intuitiv nutzbare und flexible Cloud-Technologien. Über eine leicht verständliche Oberfläche kann die IT-Infrastruktur auch von Personen ohne tiefes IT-Know-How verwaltet werden. Eine Kubernetes-Umgebung erleichtert selbst das Management cloud-nativer Workloads. Tausende Unternehmen, Agenturen und Managed Service Provider setzen bereits auf Gridscale bei Realisierung und Betrieb ihrer Digitalprojekte – vom hochfrequentierten Webshop bis zur komplexen SaaS- oder Enterprise-IT-Lösung. Resellern stehen White-Label-Optionen zur Verfügung und mit der Gridscale Software Hybrid Core werden Rechenzentrumsbetreiber selbst zum Cloud-Anbieter. Geführt wird Gridscale mit seinen rund 100 Mitarbeitern von CEO Henrik Hasenkamp.
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