Interview „Seatable ist im Gegensatz zu Excel mehr als nur Zahlen, Texte und Formeln“
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So einfach wie Excel, nur als Datenbank. So oder so ähnlich beschreibt das deutsche Start-up Seatable den eigenen Anspruch – und will trotzdem nicht als Konkurrent zu bereits etablierter Software gesehen werden. Wir konnten den beiden Gründern ein paar Fragen stellen.

Wer das Start-up Seatable nur auf seinen Anspruch reduziert, eine Alternative zu Excel sein zu wollen, übersieht etwas. Das junge Mainzer Unternehmen möchte Kundinnen und Kunden obendrein auch die Features einer zeitgemäßen Datenbank bieten. Wir haben mit den beiden Gründern Christoph Dyllick-Brenzinger und Dr. Ralf Dyllick-Brenzinger über ihr Angebot gesprochen – und Meeresfrüchte.
Zunächst muss das offensichtliche aus dem Weg: Auch wenn schnell klar wird, dass das „table“ mit „Tabelle“ übersetzt werden kann, verstehe ich Menschen, die bei Ihrem Unternehmensnamen spontan an ein Meeresfrüchte-Buffet denken. Wie kamen Sie auf den Namen?
Meeresfrüchte sind doch lecker! Spaß beiseite. Apple hat das Präfix „I“ bei allen Produkten, wir das Präfix „Sea“. Unsere Mitgesellschafter entwickeln parallel zu Seatable bereits seit mehreren Jahren die weltweit sehr erfolgreiche und bekannte private Cloud-Lösung Seafile. Da war es sehr naheliegend, einen Wiedererkennungswert zu Seafile zu schaffen. Seafile spielt im Namen auf das Thema Daten beziehungsweise Datenspeicherung an und Seatable auf das Thema Tabellen.
Zu besagten Tabellen: Sie sind ein noch recht junges Unternehmen aus Mainz, das, plakativ und vor allem sehr vereinfacht gesprochen, Excel den Kampf angesagt hat. Was bieten Sie an?
Seatable ist ein Tabellen- und Datenbankhybrid, der es Menschen ermöglicht, gemeinsam effizienter und flexibler an Ideen, Aufgaben und Projekten zu arbeiten. Seatable ist im Gegensatz zu Excel mehr als nur Zahlen, Texte und Formeln. Wir erklären das immer gerne als Software-Baukasten alla Lego, mit dem man sich ohne jegliche IT-Kenntnisse seine ganz eigenen Prozesse entwickeln kann. Dafür stellen wir mehr als 20 verschiedene Spaltentypen und Plug-ins, wie etwa Galerie, Kanban, Zeitleiste, Karte oder Kalender, zur Verfügung. Zudem haben alle Nutzer die Möglichkeit, sich Ansichten anhand von Filter-, Sortierung- und Gruppierungsfunktionen so zu bauen, wie sie es gerne hätten. Auch statistische Auswertungen und Webformulare sind Kernfunktionen von Seatable. Mit unserer Software können Prozesse, die vorher manuell liefen, automatisiert werden. Das entlastet nicht nur die IT-Abteilung im Unternehmen. Es reduziert auch die Kosten für irgendwelche Speziallösungen, die nur für einen bestimmten Teilbereich eingesetzt werden können.
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SeaTable will kollaboratives Informationsmanagementtool sein
Tabellenkalkulation trifft Datenbank
Als ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber der namhaften Konkurrenz von Microsoft und Google sprechen Sie von Ihrem Produkt also als „Tabellen- und Datenbankhybriden“. Wie darf ich mir das vorstellen?
Die Benutzeroberfläche, mit der der Nutzer arbeitet, ist die Tabelle beziehungsweise Tabellenansicht. Hier kann er, wie schon gesagt, jegliche Informationen erfassen, analysieren und auswerten. Im Hintergrund befindet sich die eigentliche Datenbank, die alle erfassten Informationen speichert und auf Abruf zur Verfügung stellt. Man könnte hier auch einfach von der Tabelle als Frontend und der Datenbank als Backend sprechen. Übrigens sind auch viele Komponenten aus Seafile innerhalb der Datenbank verbaut.
Auf Ihrer Website schreiben Sie, dass Ihr Produkt mit allen Informationen, von Bildern, Dokumenten und E-Mails bis hin zu Checkboxen, Auswahllisten und Verknüpfungen, klarkommt. Gilt das auch für proprietäre Daten, wie sie beispielsweise in der industriellen Produktion anfallen können?
Ja, wir können alle Informationen erfassen. Unsere Spaltentypen sind flexibel genug, jegliche Art von Informationen erfassen und speichern zu können. Normalerweise gibt die eigentliche Software die Datenstruktur vor, weshalb zum Beispiel oft die Frage kommt: „Kann Ihre Software mit diesen Daten umgehen?“ Bei Seatable ist es genau andersherum. Wir bieten die größte Flexibilität, was die Datenstruktur anbelangt, dafür muss der Anwender diese Datenstruktur initial selbst anlegen.
Wie läuft das ab?
Bei vielen Softwarelösungen ist es so, dass die Datenstrukturen klar definiert sind. Es wird damit vorgegeben, welche Informationen an welcher Stelle Platz finden beziehungsweise übertragen werden, ohne dass man diese Struktur als Anwender anfassen kann oder muss. Bei Seatable hingegen muss man die eigene Datenstruktur festlegen. Hierzu stellt man die 20 verschiedenen Spaltentypen, wie Text, URL, Dateien, Bilder, Personen, Checkboxen, Singleselect, Multiselect, Formeln und weitere, so zusammen, wie man sie benötigt. Diesen Spaltentypen muss man dann die entsprechenden Informationen, die entweder manuell oder auch automatisch erfasst oder übertragen werden, zuordnen. Damit hat der Nutzer die größte Flexibilität, was die Datenstruktur anbelangt.
Gibt es spezielle industrielle Anwendungsfälle, die Unternehmen mit Seatable umsetzen können – oder vielleicht sogar bereits umsetzen?
Wir haben viele namhafte Unternehmen aus dem Industriebereich mit den unterschiedlichsten Anwendungsfällen. Wir wissen: Je spezieller die Prozesse oder die Anforderungen in den einzelnen Unternehmen sind, umso eher kann Seatable seine Stärken ausspielen. Seatable sollte jedoch nicht als Konkurrenzprodukt zu bereits etablierten, existierenden Lösungen im Unternehmen gesehen werden, sondern vielmehr als Ergänzung oder als Chance für Situationen und Prozesse, für die es bisher noch keine geeignete, schnelle und kostengünstige Abhilfe gab. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen hat die Möglichkeit, neue und individuell Lösungen mit wenig Zeitaufwand zu entwickeln. Ein Kunde bildet zum Beispiel sein komplettes Supply-Chain-Management über unsere Software ab. Also die gesamte Wertschöpfungskette vom Hersteller bis hin zum Kunden. Ein anderer Kunde verwaltet die Auslastung und Belegung der Maschinen in der Produktionsstätte. Es gibt bestimmt noch viele weitere Anwendungsfälle von Kunden im Industriebereich, von denen wir noch nicht wissen, die aber bereits Anwendung finden. Aber anhand von den beiden genannten unterschiedlichen Beispielen sieht man bereits, was mit Seatable alles möglich ist.
Kann man Arbeitsschritte auch automatisieren? Wenn ja, wie aufwändig ist das?
Seatable ist so konzipiert, dass jeder Mensch sich seine ganz eigenen Prozesse ohne jegliche Programmiererfahrung entwickeln und zugleich automatisieren kann. Das können schon kleine Prozesse sein, um einfach effizienter zu arbeiten. Das Ganze auf eine simple Art und Weise. Per Webinterface und Drag-and-drop geschieht dies innerhalb von Sekunden.
Sie haben es eben schon angedeutet: Um Anwenderinnen und Anwendern die Nutzung Ihrer Software zu vereinfachen, setzen Sie ebenfalls auf Low- beziehungsweise No-Code. So ganz können Sie sich da laut Ihrer Website selbst nicht festlegen. Warum?
Für den normalen Anwender ist Seatable eine No-Code-Plattform. Denn wie nach einem Lego-Baukasten-Prinzip kann man sich seine ganz individuellen Prozesse bauen, ohne nur eine Zeile an Code schreiben zu müssen. Für den erfahrenen IT-Anwender bieten wir aber noch die Möglichkeit, seine ganz eigenen Prozesse, mithilfe von JavaScript oder Python-Code zu entwickeln. Hier würden wir dann wieder von einer Low-Code-Lösung sprechen, da Seatable in diesem Falle das eigene Programmieren von Code voraussetzt. Man muss aber sagen, dass der Großteil der Nutzer unsere Software als No-Code-Lösung verwenden und diese auch selbst so bezeichnet. Auch auf Wikipedia wird Seatable als No-Code-Plattform positioniert.
Und wie steht es mit der Integration in andere, möglicherweise bereits vorhandene, Anwendungen aus?
Durch eine REST-API-Schnittstelle können jegliche Anwendungen direkt mit Seatable verbunden werden. Alternativ hat man die Möglichkeit, über sogenannte Automatisierungsplattformen, wie den US-Dienstleister Zapier oder europäische und datenschutzkonforme Lösungen wie Make, ehemals Integromat, zu gehen. Das ermöglicht es sehr einfach, selbsterklärend und mit wenig IT-Erfahrung und Klicks ganz individuelle Integrationen an über 2.000 verschieden Anwendungen wie zum Beispiel Gmail, Trello, Slack oder Asana vorzunehmen.
Läuft die Software an sich in der Cloud oder On-Prem?
Sowohl als auch. Wer sofort loslegen und keine Zeit verlieren will, der registriert sich einfach mit seiner Email-Adresse für unser Cloud-Produkt. Wem es hingegen wichtig ist, die volle Datenhoheit zu bewahren und somit die volle Kontrolle über seine eigenen Daten zu besitzen, der hat die Möglichkeit, Seatable im eigenen Rechenzentrum zu betreiben. Hierbei unterstützen wir viele Kunden auch beim Aufsetzen oder bei der Wartung des On-Premises-Systems. Gerade diese Möglichkeit wird immer beliebter bei mittleren bis größeren Unternehmen. Und Seatable gibt es sogar noch in einer dritten Variante: Dedicated. Die Dedicated-Variante verbindet die Themen Cloud mit der Flexibilität eines selbst gehosteten Systems. Somit bekommt der Kunde bei uns sein eigenes Cloud-System, welches wir installieren, betreuen und warten. Mit diesen drei Optionen Cloud, On-Premises und Dedicated möchten wir unseren Nutzern die größtmögliche Flexibilität geben zu entscheiden, welche Option am besten zu ihnen passt.
Stichwort Datenhoheit: Wenn man das Angebot in der Cloud nutzt, wie steht es dann um das wichtige Thema Datenschutz?
Alle unsere Serverstandorte befinden sich ausschließlich in Deutschland und entsprechen somit den strengen europäischen DSGVO-Richtlinien. Hier arbeiten wir mit dem Schweizer Anbieter Exoscale zusammen. Bedeutet also, dass die Daten bei uns stets sicher aufgehoben sind. Wem dies noch nicht ausreicht, der hat noch unsere On-Premises-Variante. Der Kunde besitzt somit die volle Datenhoheit. Generell gesprochen wechseln viele europäische Unternehmen aufgrund von Datenschutzthematiken immer mehr weg von amerikanischen Mitstreitern und Anbietern wie zum Beispiel Airtable hin zu Seatable.
Das klingt, als ginge es Ihnen gut. Wie geht es mit Seatable weiter? Was steht als nächstes an?
Zunächst einmal arbeiten wir sehr intensiv an den Themen Big Data, Automationen und Interface-Design. Mithilfe von Big Data wird es möglich sein, Millionen von Zeilen zu erfassen, zu speichern, zu analysieren und auszuwerten. Uns ist keine andere vergleichbare Plattform bekannt, die das kann. Des Weiteren werden wir weitere Automationen in Seatable integrieren, die man bequem per Drag-and-drop im Webinterface nutzen kann. Ein besonderes Highlight für 2023 wird der Interfacedesigner sein, mit dem man eigene Oberflächen für die eigene Applikation entwerfen kann. Zudem werden wir im nächsten Jahr die bestehenden Funktionen weiter ausbauen und verbessern, um die Benutzerfreundlichkeit, Flexibilität und Integration zu erhöhen. Unser Ziel ist es, die weltweit führende selbstgehostete Low-Code- beziehungsweise No-Code-Lösung zu werden.
Das Gespräch führte Sebastian Human für unser Partnerportal Industry of Things.
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