IBM setzt auf die offene Multi-Cloud IBM will Nummer eins bei Hybrid-Cloud-Anbietern werden

Autor / Redakteur: Stefan Girschner / Florian Karlstetter

Ende Oktober wurde ein Mega-Deal bekannt, wie ihn die IT-Branche seit dem Zusammenschluss von Dell und EMC nicht mehr gesehen hat: die geplante Übernahme des Open-Source-Giganten Red Hat durch IBM für rund 34 Milliarden US-Dollar. Mithilfe der Open-Source-Technologie will IBM seine Cloud-Strategie voranbringen.

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Die Herausforderung bei hybriden Multi-Cloud-Umgebungen bestehen in der Beweglichkeit und Konnektivität zwischen den Cloud-Umgebungen und ihrem einheitlichen Management.
Die Herausforderung bei hybriden Multi-Cloud-Umgebungen bestehen in der Beweglichkeit und Konnektivität zwischen den Cloud-Umgebungen und ihrem einheitlichen Management.
(Bild: IBM)

Im Fokus der IBM-Strategie steht dabei die beschleunigte Einführung von Hybrid- und Multi-Cloud-Umgebungen. Aber auch die Debatte, ob Cloud-Plattformen offen oder proprietär sein müssen, wird neuen Schwung erhalten.

Die Übernahme von Red Hat betrachtet IBM als „die bedeutendste Akquisition und auch die bedeutendste Technologie-Akquisition des Jahres 2018“. In einer Pressenotiz heißt es, die Übernehme sei „ein weiterer wesentlicher Schritt in der kontinuierlichen Fokussierung auf hochwertige Geschäfte im Cloud-Umfeld, in der Transformation des Portfolios und in der Führungsrolle in der stetig wachsenden Ära von künstlicher Intelligenz und Cloud.“ Durch den Zusammenschluss wollen beide Unternehmen zu einem der weltweit führenden Hybrid-Cloud-Anbieter werden. Die Basis hierfür bilden flexibel einsetzbare Open-Source-Lösungen, mit denen sich jede Art von Anwendung einführen lässt und die digitale Transformation von Geschäftsmodellen voranbringen soll.

Das nächste Kapitel der Cloud

„Die Übernahme von Red Hat ist ein Wendepunkt. Sie ändert alles am Cloud-Markt", erklärte Ginni Rometty, Chairman, Präsidentin und CEO von IBM. „IBM wird weltweit die Nummer eins unter den hybriden Cloud-Anbietern werden, da wir Unternehmen die einzige Open-Cloud-Lösung bieten, damit sie das volle Potenzial ihrer Cloud-Anwendung ausschöpfen können. Die meisten Unternehmen haben heute erst 20 Prozent ihrer Reise in die Cloud hinter sich gebracht und mieten Rechenleistung, um Kosten zu sparen.“ Bei den nächsten 80 Prozent gehe es darum, den realen Geschäftswert zu steigern und das Wachstum voranzutreiben. Rometty bekräftigt: „Das ist das nächste Kapitel der Cloud. Es erfordert die Verlagerung von Geschäftsanwendungen in eine hybride Cloud sowie die Auswertung von mehr Daten und die Optimierung aller Geschäftsprozesse, von der Supply Chain bis zum Vertrieb.“

Jim Whitehurst, Präsident und CEO von Red Hat, betont: „Open Source ist die erste Wahl für moderne IT-Lösungen. Ich bin sehr stolz auf die Rolle, die Red Hat dabei gespielt hat, dies für Unternehmen Wirklichkeit werden zu lassen.“ Für Red Hat biete der Zusammenschluss mit IBM höhere Skalierungsmöglichkeiten, Ressourcen und Fähigkeiten, die Auswirkungen von Open Source als Grundlage für die digitale Transformation zu stärken und einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen. „Und das alles, während wir unsere einzigartige Kultur und unser Engagement für Open-Source-Innovationen weiter beibehalten“, so Whitehurst.

Proprietäre Lösungen behindern Cloud-Migration

Eine aktuelle Studie des IBM Institute for Business Value (IBV) hatte zum Ergebnis, dass heute die meisten Unternehmen unterschiedliche Formen des Cloud-Computing nutzen und bei 85 Prozent der Befragten mehr als eine Cloud-Umgebung im Einsatz ist. Gemäß einer Marktforschungsanalyse von Ovum laufen derzeit 80 Prozent der unternehmenskritischen Daten und IT-Umgebungen auf On-Premises-Systemen. Bei der Migration in die Cloud werden Anwender allerdings durch die größtenteils proprietären Lösungsangebote behindert, denn sie unterstützen nicht die Portabilität der Daten und Anwendungen über mehrere Clouds hinweg.

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Darüber hinaus erschweren proprietäre Ansätze die Einhaltung des Datenschutzes in Multi-Cloud-Umgebungen und ein durchgängiges Cloud-Management. Unternehmen benötigen daher eine offene Cloud-Technologie, mit der sich Anwendungen und Daten über mehrere Clouds hinweg einfach und sicher verschieben lassen. Die Zielsetzung von IBM lautet, die Akzeptanz von hybriden Multi-Cloud-Umgebungen bei seinen Kunden zu erhöhen. Dazu passt auch, dass zuletzt die Technologie-Partnerschaften mit VMware und ServiceNow vertieft wurden.

Volle Kontrolle über Anwendungen und Daten in der Cloud

Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer Multi-Cloud-Umgebung ist der kürzlich vorgestellte IBM Multicloud Manager. Die Bedienkonsole ermöglicht es, Anwendungen und Daten über verschiedene Cloud-Plattformen hinweg zu verwalten, zu verschieben und zu integrieren. Der offene und interoperable Betrieb von Multi-Cloud-Systemen verbessert also die Transparenz bei den Geschäftsprozessen und erhöht zugleich die Kontrolle und das Sicherheitsniveau.

Die Lösung läuft auf der Private-Cloud-Plattform von IBM, die wiederum auf der Kubernetes-Orchestrierungstechnologie basiert. Durch den Open-Source-Ansatz bei der Bereitstellung von Anwendungen in Containern und großer Datenmengen soll für Anwender die Verwaltung über mehrere Cloud-Umgebungen hinweg deutlich einfacher und kostengünstiger werden. Neben der eigenen IBM Cloud werden auch die Cloud-Plattformen von Red Hat, Amazon und Microsoft unterstützt.

Vorteile durch orchestriertes Multi-Cloud-Management

Der IBM Multicloud Manager bietet Anwendern drei wesentliche Vorteile:

  • Mehr Transparenz: Administratoren und Entwickler erhalten über ein einziges Bedienfeld einen vollständigen Überblick über sämtliche Kubernetes-basierten Anwendungen und Komponenten in den vorhandenen Cloud-Umgebungen und Clustern.
  • Mehr Kontrolle und Sicherheit: Ein integriertes Regelwerk stellt sicher, dass die Kubernetes-Applikationen unter Einhaltung der firmeninternen Vorgaben und Sicherheitsstandards betrieben werden.
  • Automatisierung zur Risikominimierung für komplexe Hybrid-Clouds: Anwender können selbst festlegen, wie, wo und wann Kubernetes-Applikationen eingesetzt werden, wie sie abgesichert sind und was im Falle eines Sicherheitsverstoßes oder Systemabsturzes passieren soll.

Für das Multi-Cloud-Management gibt es eine Vielzahl von Anwendungsfällen. So kann beispielsweise eine Autovermietungsfirma Kundendaten in einer Public Cloud sammeln, speichern und analysieren. Darüber hinaus kann das Unternehmen eine weitere Cloud-Plattform für die Verwaltung des Inventars, das Buchungssystem und Computer in den Niederlassungen für die Finanzabwicklung nutzen. Mit dem IBM Multicloud Manager werden sämtliche Bestandteile dieser verteilten IT-Umgebung verbunden, sodass die Firma zum Beispiel die Buchung von Mietwagen über eine mobile App anbieten kann.

„Der volle Umfang der Möglichkeiten der Business-Cloud wird noch nicht vollständig erkannt“, ist Arvind Krishna, Senior Vice President, Hybrid Cloud bei IBM, überzeugt. Seiner Ansicht nach gehe es nicht einfach nur um eine Computer-Infrastruktur, die genutzt wird. Unternehmen würden auf die Cloud setzen, um ihre geschäftskritischen Geschäftsprozesse zu modernisieren, zu transformieren und neue Business-Services schnell einzuführen. „Dies erfordert einen neuen interoperablen Ansatz für die Cloud, der auf offenen Standards basiert und es Kunden ermöglicht, Anwendungen und Workloads über Cloud-Systeme hinweg zu verwalten. So kann sich der volle Geschäftsnutzen der Cloud entfalten“, so Arvind Krishna.

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Für Stephen Elliot, Program Vice President bei IDC, hat sich die ursprüngliche Vorstellung, dass alles in Public Clouds wandern würde, nicht bewahrheitet: „Der Cloud-Markt hat sich dahin entwickelt, die Kunden zu unterstützen, die ihre lokalen Systeme erhalten, gleichzeitig aber auch eine Vielzahl von Cloud-Plattformen und Anbieter nutzen wollen. Die Herausforderung liegt dabei in der Integration. Viele IT-Unternehmen haben schon über Multi-Clouds gesprochen, aber über den Nutzwert waren die Meinungen geteilt.“

Vertiefte Zusammenarbeit mit ServiceNow und VMware

Den Multicloud Manager wird ServiceNow künftig um IT-Service- und IT-Operations-Management-Lösungen ergänzen. Dadurch können Anwender die Automatisierung ihrer IT-Systeme vorantreiben und zugleich die Transparenz und Governance in ihren Multi-Cloud-Umgebungen verbessern. Die technologische Partnerschaft von ServiceNow und IBM unterstützt die agile Anwendungsentwicklung und zusätzliche Services zur Verwaltung des Cloud-Lebenszyklus und der Geschäftsressourcen. Sie sorgt zudem für eine vereinfachte Beschaffung kompatibler IT-Ressourcen und eine einheitliche Sicht auf den Multi-Cloud-Betrieb, um den Servicestatus zu verwalten und die Bereitstellung von Services zu optimieren.

Auch mit VMware hat IBM die technologische Zusammenarbeit erweitert. So kündigten beide Anbieter auf der VMworld Europe im November 2018 neue Services zur Bereitstellung von hybriden Cloud-Umgebungen an. Sie ermöglichen die Migration von geschäftskritischen VMware-Umgebungen in die hochverfügbare IBM Cloud. Durch die Auswahl einer der 18 Verfügbarkeits-Zonen lassen sich Auszeiten von Cloud-Applikationen im Vergleich zu einer eigenen IT-Umgebung vermeiden und automatische Failovers nutzen.

Die Lösung basiert auf IBM-Cloud-Infrastruktur, VMware-Technologien für software-definierte Rechenzentren, die Speicherlösung Intel Optane SSD DC und IBM Services. Darüber hinaus kann ab sofort IBM Cloud Private Hosted auf VMware vCenter Server in der IBM Cloud installiert werden. Dies ermöglicht die Verwaltung und Orchestrierung von virtuellen Maschinen und Containern innerhalb eines Sicherheitsmodells und privaten Netzwerks. Anwender können dadurch zustandslose Komponenten einer virtuellen Applikation in Container verpacken, zustandsbehaftete Komponenten wie Datenbanken werden in der virtuellen Maschine bereitgestellt.

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