Die Neuigkeiten von der Huawei Connect 2018 in Shanghai Huawei setzt auf die Zukunft der Künstlichen Intelligenz
Huawei reicht es nicht, ein weltweit anerkanntes Unternehmen zu sein. Während die meisten in der IT-Branche von „Cloud-Zukunft“ reden, denkt der chinesische Anbieter weiter: Das Ziel heißt künstliche Intelligenz.
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Großspurige Ankündigungen sind in der IT-Branche alltäglich, und jeder weiß, was davon zu halten ist. Aber der chinesische Anbieter meint es völlig ernst. Die Firma setzt auf Künstliche Intelligenz (KI). Sie will einen Platz in der Spitze der Oberklasse der IT der Zukunft einnehmen.
Weit mehr als eine Auffrischung des Portfolios
Huawei traut sich was, auch eine einschneidende Verlagerung der Business-Orientierung. Dabei verabschiedet sich das chinesische Unternehmen nicht von seinem erfolgreichen Portfolio, das von Hardware über Managementsoftware bis hin zu Betriebsservices und Cloud-Angeboten reicht. Es zeichnet sich eine Verschiebung zu höherwertigen Produkten und Dienstleistungen ab.
Zu beobachten war schon bei den Smartphones, wo der Anbieter in erster Linie die sehr leistungsfähigen und entsprechend teuren Reihen „P20“ und „Mate 20“ propagiert, während die Mittelklasse im Consumer-Markt unter dem Label „Honor“ eher nebenher läuft. Die Topmodelle – in diesen Tagen erscheint das „Mate 20 Pro“ an der Spitze – verfügen über künstliche Intelligenz, die automatisch die Belichtung und Farbgebung den Fotos anpasst.
25.000 Gäste auf einer eigenen Kongressmesse
Ähnlich ist im Enterprise-Segment Highend-Computing angesagt. Zu erkennen war das schon am Motto des Kunden- und Partner-Event Huawei Connect 2018. Die Veranstaltung fand vor zwei Wochen im ICBC World Expo Exhibition and Convention Center von Shanghai statt. Und diese großen Hallen waren auch notwendig, denn es kamen rund 25.000 Teilnehmer. Wohl um die Gäste nicht gleich zu verschrecken, hatte die Großveranstaltung das Motto „Activate Intelligence“ - auch wenn es letztlich doch um nichts anderes ging als Artificial Intelligence (AI).
Die Zurückhaltung endete schon in der Eröffnungsrede von William Xu, aktuell der leitende der drei sich jährlich abwechselnden CEOs. Das Thema Künstliche Intelligenz habe in den 70er und 90er Jahren Desillusionierung erfahren, erklärte er, im 21. Jahrhundert aber werde das Business von Virtualisierung, Nanotechnologie und KI gepägt sein. „Auf den Winter der AI folgt ein Frühling.“
Künstliche Intelligenz ist unausweichlich
„AI wird alle Industrien und alle Organisationen verändern“, so Xu. Frühere industrielle Durchbrüche hätten vor allem repetitive Arbeit eingeführt, KI werde diese stupiden Tätigkeiten wieder abschaffen. Deswegen seien momentan in der Gesellschaft viele noch nicht für KI bereit, es gebe Interessenkollisionen. Aber unausweichlich sei die Entwicklung trotzdem. AI werde zur „new general purpose technology“.
Das zeichne sich an mehreren Entwicklungen ab. Mehr als 20 Staaten haben demnach AI-Programme aufgelegt. Die Technik sei in Sachen Mustererkennung besser als Menschen und bei der Spracherkennnung auf gleicher Höhe. Im Jahr 2017 seien weltweit 1100 AI-Startups entstanden, das Venture-Kaptal habe 14 Milliarden Dollar investiert, Firmenübernahmen im Wert von 24 Milliarden Dollar dienten dem Aufkauf von KI-Technik. Demgegenüber gibt es nur bei einem Bruchteil von Organisationen KI-Investitionen, und gleiches gilt für die Integration von KI in Produkte. Das bezeichnet Xu als „interessante Lücke“.
Die gedenkt Huawei zu besetzen. Dazu will das Unternehmen nach Aussagen von CEO Xu fünf strategische Ausrichtungen verfolgen: Investitionen in AI-Forschung, Aufbau eines umfassenden AI-Portfolios, Entwicklung eines offenen Ecosystems samt Training, Stärkung des eigenen Portfolios sowie Verbesserung der operativen Effizienz.
Eigene CPU-Serie für KI-Umgebungen
Beim Huawei-Portfolio wird sich die AI-Orientierung ab sofort oder innerhalb weniger Monate bereits niederschlagen. Während der Shanghaier Konferenz gab es eine Flut von Produktankündigungen in dieser Richtung. Neben Xu kündigte Dang Wenshuan, der Chefstratege von Huawei, an, das Unternehmen steige in die CPU-Entwicklung ein. Im ersten Zug erscheinen unter dem Titel „Ascend“ fünf verschiedene Chips mit einer einheitlichen „Da Vinci“-Architektur: die Varianten Nano, Tiny, Lite für kleine IoT-Geräte bis zu Smartphone sowie Ascend 310 und Ascend 910 für Server. Das Spitzenmodell soll mit 256 Teraflops doppelt so stark sein wie der Nvidia-Chip V100.
Zum Einsatz kommen zuerst die Ascend-310-Chips in verschiedenen neuen Systemen der „Atlas“-Plattform, die im vergangenen Jahr auf den Markt kam. Für Terminals gibt es das Beschleunigermodul Atlas 200 (so groß wie eine Scheckkarte), für Workstations und Server die Einsteckkarte Atlas 300. für Edge-Konzentratoren ist das Modul Atlas 500 gedacht, und als Appliance erscheint die Atlas 800. Außerdem gibt es noch das Mobile Data Center 600 zum Einbau in Fahrzeuge und eine Kamera „HiLens“, die 100 Bilder pro Sekunde liefert und mit dem Ascend 310 Gesichter in Millisekunden erkennen kann.
Auch für das KI-Umfeld wird gesorgt
Zu den CPUs hinzu kommen weitere Spezialchips und Prozeduren, die Huawei unter dem Begriff Compute Architecture for Neural Networks (CANN) zusammenfasst. Hier geht es vor allem um extreme I/O-Geschwindigkeiten. Auf diese Grundlage setzt eine Schicht von Administrations-Tools auf, die dann zusammen mit einer Entwicklungsumgebung die Basis für ein Portfolio von AI-Anwendungen bilden soll. Die Entwicklungsumgebung heißt dabei „ModelArts“. Sie soll einerseits das Daten-Labeling und -Aufbereiten, die zeitaufwändigste Arbeit bei der KI-Entwicklung, massiv reduzieren sowie Modell-Training und Optimierung sowie die Einrichtung der AI-Anwendungen verbessern, vor allem erleichtern.
Fortschritt oder Gefahr?
Huawei wird nicht müde zu betonen, dass KI dem Wohle der Menschen dienen soll. Sie soll Unternehmen und Verwaltungen effizienter machen, Ressourcen zum Beispiel durch fließenden Verkehr schonen, Engpässe identifizieren und Alternativen vorschlagen, für mehr Sicherheit sorgen und und und. Beim Thema Sicherheit wird es europäischen Gemütern mulmig. So war eine Demo zu sehen, wie gesuchte Personen in einer großen Menschenmenge identifiziert und ihre Bewegungen verfolgt werden. Danach fallen dem Besucher die zahllosen Kameras auf Chinas Straßen richtig auf – aber nirgendwo auf der Welt kann man sich als Kamera-behängter Ausländer sicherer fühlen.
Angesichts der zahlreichen Initiativen in Richtung AI nimmt es nicht Wunder, dass sich Huawei bereits auf die nächste Rechnergeneration vorbereitet, nämlich auf Quantencomputer. Dafür hat das Unternehmen eine Cloud-Service-Plattform namens „HiQ“ freigegeben. Sie umfasst einen Simulator eines Quantencomputers in zwei Ausprägungsstufen (42 und 81 qubits) in einer verteilten Architektur plus Fehlerkorrektor und Algorithmen-Optimierer, um Herausforderungen wie Speicherkapazität und Netzwerk-Verzögerungen zu begegnen. Hinzu kommt noch ein Programmier-Framework. Das Ganze ist laut Huawei kompatible zum „ProjectQ“.
Das Enterprise-Geschäft erfährt Neuerungen
Bei dermaßen vielen Ankündigungen, hier ist längst nicht alles erwähnt, wäre fast untergegangen, dass Huawei auch auf dem Gebiet heute normalen Computings einiges anzukündigen hatte. Da ist zunächst die Huawei Enterprise Business Group, die ihr Angebot unter den Titel „Digital Platform + X + Ecosystem“ stellt. Das X steht dabei für AI, IoT, Big Date, Security, Finanzflüsse oder Video. Der Geschäftsbereich möchte diese Dinge zusammenführen.
Der zweite Aspekt ist der Ausbau des auf OpenStack aufsetzenden Private-Cloud-Angebots von Huawei. „FusionCloud“, das Kernstück des Angebots, und der Speicherpart „FusionStorage“ sind von der Version 6.3 in die Version 6.5 gekommen. FusionCloud läuft auch auf Nicht-Huawei-Hardware und lässt sich verbinden mit Amazon Web Services, Azure und anderen Public Clouds. Grundsätzlich gilt bei Huawei, das die Anwender Hybrid Cloud favorisieren. Zur FusionCloud gibt es in neun Kategorien mehr als 50 Services.
Partner spielen eine strategische Rolle
Sowohl bei der X-Orientierung als auch beim Cloud-Angebot setzt Huawei – nicht anders als bei der Ausrichtung auf Künstliche Intelligenz – stark auf Industriepartner. Zwei große Ausstellungsbereiche der Partner zeigten in Shanghai an, dass Huawei nicht nur ständig von „open“ redet, sondern in Richtung auf Partner tatsächlich sehr aktiv ist. So fand sich dort auch Stände der Linux Foundation, der Cloud Native Computing Foundation, von SUSE und Red Hat.
Groß vertreten waren SAP, Audi, die Telekom und Bosch. Mit Audi hat einen Kooperationsvertrag mit Huawei bekannt gegeben; die vollzieht sich auf einer Versuchsstrecke für autonomes Fahren in Wuxi bei Shanghai. Das Cloud-Angebot der Telekom, „Open Telekom Cloud“, basiert technisch auf Huawei-Equiment. In Shanghai waren auf dem Stand der Telekom dann gleich weitere Telekom-Cloud-Partner wie Cogia (Analyseservices) dabei. Auch Bosch hat einen Kooperationsvertrag mit Huawei, um das Internet of Things in China zu verbreiten. Die Softwareservices der IoT Suite von Bosch sind nun auch auf der Huawei Cloud verfügbar.
Trotz der in Shanghai nicht ohne Stolz demonstrierten Stärke von Huawei hat das Unternehmen offenbar kein Interesse daran, auf den wichtigsten IT-Märkten selbst als Cloud-Anbieter auftreten zu wollen. „Wir könnten in einigen Regionen auch als Public-Cloud-Anbieter auftreten“, bekundet Matt Ma, President of IT Cloud Computing and Big Data Platform Product Line von Huawei. „Aber wir ziehen es vor, über Partner zu arbeiten.“
Kein Kommentar zur US-Politik
Äußerste Zurückhaltung übt Huawei zu den Folgen des Handelskrieges mit den USA. Huawei ist vom US-Markt faktisch ausgeschlossen. Alle befragten Topmanager wollten keine Auskünfte zu den Folgen der US-Politik geben. Auch dass die US-Regierung analog zum Iran deutsche Firmen zur Beendigung einer Zusammenarbeit mit Huawei und anderen chinesischen Firmen zwingen könnte, fand keinen Kommentar. Die Gesichter verrieten aber, dass die Situation Sorgen bereitet.
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