AWS eröffnet Cloud-Standort in Deutschland Amazon Web Services bezieht zwei Rechenzentren in Frankfurt
Seit kurzem ist die AWS-Cloud, made in Germany live. Damit bietet Amazon Web Services in der EU jetzt zwei neue Verfügbarkeitszonen und neben Irland endlich auch einen zweiten Standort in Deutschland. „Überrascht Sie dieser Schritt?“, fragt Martin Geier, Managing Director von AWS Deutschland. Wir fragen: Was halten die AWS-Kunden davon?
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Mit der Ankündigung auch gleich in vollem Umfang verfügbar – das überrascht an der AWS-Veröffentlichung schon. Die Amazon.com-Tochter hat heute die Eröffnung einer weiteren AWS-EU-Region bekanntgegeben. Dabei handelt es sich um die elfte weltweit beziehungsweise zweite Region innerhalb der Europäischen Union (EU). Die andere befindet sich in Irland.
Doch den Schritt zum Aufbau eigener Rechenzentren im wirtschaftlich starken Deutschland erscheint fast zwangsläufig. Hiesige Unternehmen drängen nach der NSA-Affäre auf die Einhaltung deutscher Sicherheits- und Compliance-Standards, wechseln zu deutschen oder zumindest europäischen Anbietern, interessieren sich eher für private-Cloud-Angebote und sichere Leitungen. Das zwingt selbst Cloud-Anbieter wie Salesforce.com sich hiesige Partner zu suchen, in diesem Fall T-Systems, obwohl das Unternehmen fast schon gebetsmühlenartig wiederholt hat, dass es vollkommen ausreiche, Infrastruktur in Übersee bereit zu halten.
Nutzten Kunden nun ausschließlich die EU-Verfügbarkeitszonen, hätten sie die Gewissheit, dass ihre Inhalte innerhalb der von ihnen gewählten Region verblieben, so AWS-Landeschef Geier. Er erläutert zudem, dass hierzulande zudem strenge Compliance-Standards wie ISO 27001, SOC 1, 2, 3 (ehemals SAS 70), PCI DSS Level 1, wichtig für Unternehmen, die mit Kreditkarten hantieren, erfüllt werden.
Datenschutz in der EU
Darüber hinaus sei AWS in vollem Umfang konform mit allen anwendbaren EU-Datenschutzgesetzen und biete, falls erforderlich, Kunden eine Auftragsdatenverarbeitungsvereinbarung, um diesen zu helfen, EU-Datenschutzanforderungen zu erfüllen (siehe unten: Links). Als Service für die deutschen Kunden hat AWS ein Whitepaper erstellen lassen, das ihnen erläutert, wie mit AWS-Angeboten der BSI-Grundschutz umgesetzt und eingehalten werden kann.
Die Frankfurter Region besteht zum Start aus zwei, bis zu 200 Kilometer getrennten Verfügbarkeitszonen (Availability Zones). Availability Zones bezeichnen Rechenzentren in getrennten, individuellen Standorten innerhalb einer Region, die so konstruiert sind, dass sie operationell unabhängig von anderen Availability Zones sind, mit unabhängiger Stromversorgung, Kühlung und physischen Sicherheitsmaßnahmen und verbunden über ein Netzwerk mit niedriger Latenz. „Zudem werden die deutschen Rechenzentren mit Strom aus regenerierbaren Energiequellen gespeist“, verrät Geier, „was insbesondere deutsche Anwender interessiert“. Dies ist die dritte AWS-Region, die mit CO2-neutraler Energie betrieben wird.
Diese prüften in der Regel sehr genau, was mit ihren Daten passiere und AWS stelle ihnen entsprechende technische Hilfsmittel bereit: etwa die Funktion „private connect“, die Möglichkeit einer private Cloud in den AWS-Rechenzentren, eigenen Adressräumen und verschiedenen Arten der Verschlüsselung, etwa mit eigenen Keys oder einem Hardware-Security-Modul, das sich bei Attacken selbst zerstört.
Das Gefälle im Datenschutz
Die Tatsache, dass AWS als amerikanisches Unternehmen dem Patriot Act unterliegt, also Daten zum Schutz vor Terror amerikanischen Regierungsstellen offen legen muss, begegnet Geier mit dem Argument, das das für alle Unternehmen gelte, die Geschäfte in den USA abwickelten oder abwickeln wollten – egal ob das deutsche Unternehmen seien oder den Unternehmenssitz sonstwo auf der Welt hätten.
In der Regel nutzten AWS-Kunden mindestens zwei Availability Zones, sagt der Chef von AWS Deutschland. Das erhöht die Fehlertoleranz. Lägen die Rechenzentren weiter voneinander entfernt, wären die Latenzzeiten im Falle eines Ausfalls zu hoch, erläutert Geier. Kunden, die eine redundante Architektur über mehrere AWS-Regionen hinweg aufbauen wollen, haben jetzt mit den Regionen AWS EU (Ireland) und AWS EU (Frankfurt) die Möglichkeit, ihre Architekturen über mehrere Regionen innerhalb der EU zu realisieren.
Die Datenschutzgesetze in Irland gelten hierzulande allerdings als lax. Doch ohnehin war für viele der AWS-Kunden der entscheidende Faktor, diesen Provider zu wählen, die Verfügbarkeit der Services in verschiedenen Regionen der Welt. „Nie war die Nachfrage nach AWS-Services in Deutschland und Europa so hoch, wie zurzeit“, sagt AWS-Manager Geier.
Auf Druck oder auf Wunsch?
Damit bestreitet er, dass sich deutsche Anwender von Cloud-Angeboten insbesondere von amerikanischen Firmen zurückzögen und der Aufbau von Rechenzentren in Deutschland dem daraus resultierenden Druck geschuldet sei. „Wir gehen dahin, wo wir Potenzial sehen“, sagt er und verweist auf jüngere Verfügbarkeitszonen in China und Sydney. Viele deutsche Kunden nutzten bereits AWS und das Netz aus Geschäftspartnern ist beachtlich.
Am Tag der Bekanntmachung fanden sich über 100 Partner bei AWS in München ein. So sind seit Donnerstag eine Reihe von ISV-Technologien in der neuen AWS EU (Frankfurt) Region verfügbar, unter anderem von: Canonical, Red Hat, Suse, Trend Micro, Twilio, Acquia, Apigee, Bitnami, Esri, Infor, SAP und Siemens. (siehe: AWS Marketplace)
Allerdings beweisen die Kunden dennoch Scheu, wenn es sich um personenbezogene Daten und andere sensible Informationen handelt. Zu den Kunden zählt unter anderem Talanx, einer der drei größten Versicherer in Deutschland und mit 28 Milliarden Euro Prämienaufkommen in 2013 auch weltweit eines der größten Versicherungsunternehmen.
Die ersten Mieter
Diese Branche gilt als stark reguliert. So geht auch Achim Heidebrecht, Head of Group IT bei der Talanx AG, darauf ein: „Wie bei vielen anderen Firmen, die mit sensiblen Kundendaten arbeiten, hat auch für Talanx das Thema Datenschutz höchste Bedeutung.“
Dennoch hat der Konzern bereits AWS-Erfahrungen: „Durch AWS erreichen wir bei unseren Solvency II Simulationen bereits jetzt eine Reduzierung der Rechenzeit um 75 Prozent und jährliche Einsparungen von 8 Millionen Euro und halten dabei dennoch alle unsere strikten Datenschutzrichtlinien ein.“
Trotzdem habe die Region Frankfurt Bedeutung: „Mit der Eröffnung der AWS-Region auf deutschem Boden werden wir jetzt noch weitere, sensible und geschäftskritische Arbeitslasten zu AWS verlagern“, kündigt Heidebrecht an.
Burda und die TU München
Auch Hubert Burda Media gehört zu den AWS-Referenzkunden Mit seinen mehr als 400 Marken und Erträgen von über 3,6 Milliarden Dollar gehört der Medienkonzern zu den größten Europas. JP Schmetz, Chief Scientist bei Hubert Burda Media, sagt: „Da AWS nun auch in Deutschland verfügbar ist, haben unsere Tochtergesellschaften nun die Option, bestimmte Ressourcen in die Cloud zu verlagern. Unsere seit langem bestehenden Richtlinien verhindern, Daten außerhalb Deutschlands zu hosten und diese neue deutsche Region gibt uns die Möglichkeit, AWS umfassender zu nutzen.“
„Die Ankunft einer Amazon Web Services Region in Deutschland ist ein wichtiges Ereignis für die deutsche Unternehmens- und Technologiegemeinschaft”, merkt Professor Dr. Helmut Krcmar an, Prodekan der Fakultät für Informatik und Lehrstuhlinhaber für Informatik an der Technischen Universität München. „Wir arbeiten in Deutschland mit einer Reihe von DAX-Konzernen zusammen. Viele haben bisher damit gewartet, sensible Arbeitslasten in die Cloud zu verlagern, bis Rechen- und Dienstleistungszentren auf deutschem Boden verfügbar sind, um ihren internen Prozessen gerecht zu werden. Diese neue Region von AWS ist die Antwort darauf und wir erwarten, dass dies einen Innovationsschub bei deutschen und europäischen Unternehmen zur Folge haben wird.“
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