Das Äußere eine Hülle, der Mehrwert im Inneren Datenzentrierte Geschäftsmodelle im Connected Car
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Die Automobilbranche befindet sich im Umbruch und steht vor großen Herausforderungen: Sie muss den Wechsel zur E-Mobilität meistern, die Klimaziele erreichen und sich gegen disruptive Tech-Wettbewerber wie Tesla und Google behaupten. Vernetzung, Daten und die Fähigkeit, sie auszuwerten, spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg.

Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg haben die ohnehin schon angeschlagene Automobilindustrie noch weiter in den Krisenmodus gestürzt. Nicht nur sind Verbraucher aufgrund der unsicheren Lage und der steigenden Inflation zögerlich mit größeren Ausgaben.
Auch anhaltende Lieferkettenprobleme behindern die Produktion und führen dazu, dass bestellte Neuwagen erst mit Monaten Verspätung vom Band rollen können. Erst der Chipmangel, dann der Container-Stau im Suez-Kanal, der strikte Lockdown in Shanghai und jetzt der Ausfall von wichtigen Komponenten aus der Ukraine: Die Lage ist und bleibt angespannt und führt gleichzeitig zu einem enormen Kostendruck. Hier sind eine globale Normung mit übergreifenden Standards sowie lokale und internationale Partnerschaften der Weg, um den zahlreichen Lieferketten-Krisen her zu werden.
Dazu kommen die Herausforderungen, mit denen die Automobilhersteller schon seit Längerem konfrontiert sind: der Wandel hin zur Elektromobilität, die Erreichung der Klimaziele und der Wettbewerb mit Tech-Giganten, die den traditionellen OEMs das Wasser abgraben. Tesla ist an der Börse inzwischen mehr wert als VW, Daimler und BMW zusammen, und auch Google und Apple mischen bereits kräftig im Automotive-Umfeld mit.
Was die wertvollsten Unternehmen weltweit auszeichnet, ist dass sie ihren Erfolg auf datenbasierten Geschäftsmodellen gründen. Wenn die etablierten Automobilhersteller nicht auf der Strecke bleiben wollen, müssen auch sie sich transformieren – weg von einem Hardware-getriebenen Ansatz hin zu einem Software- und datenzentrierten Konzept. Gerade vor dem Hintergrund rückläufiger Verkaufszahlen wird es immer wichtiger, im After Sales über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs hinweg Geld zu verdienen. Daten, Software und Services spielen dafür eine entscheidende Rolle.
Wettbewerbsfaktor Connected Car-Funktionen
Insbesondere im Bereich Connected Car und in der Nutzung von Daten aus dem Auto steckt großes wirtschaftliches Potenzial. KcKinsey prognostiziert, dass Mobilitätsunternehmen dadurch 2030 im Schnitt jährlich bis zu 310 US-Dollar mehr Umsatz pro Fahrzeug machen werden und 180 US-Dollar einsparen können. Insgesamt sehen die Marktforscher ein Wertpotenzial von bis zu 400 Milliarden US-Dollar für das Ökosystem Mobilität, das sich von den OEMs über Zulieferer und Service-Anbieter bis hin zu Versicherungen, Infrastruktur- und Tech-Unternehmen erstreckt.
Connected Car-Funktionen ermöglichen es zum Beispiel, Software-Updates Over the Air einzuspielen oder zusätzliche Features freizuschalten. Außerdem können Hersteller die Daten aus dem Auto nutzen, um kritische Fahrzeugkomponenten zu überwachen und vorausschauend zu warten. Sie können auch ermitteln, welche Funktionen und Komponenten der Fahrer am liebsten oder kaum nutzt. Das ermöglicht es wiederum, künftige Ausstattungsvarianten zu optimieren. Noch schöpfen Automobilhersteller das Potenzial der Daten aus dem Auto aber zu wenig aus.
Das Auto als Zahlungsmittel
Ein zukunftsträchtiges und bisher noch weitgehend unbeachtetes Connected-Car-Anwendungsgebiet ist zum Beispiel Car to Commerce – also die Möglichkeit, direkt aus dem Auto heraus über das Cockpit Einkäufe zu tätigen. Eine Studie von Pymnts und Visa zeigt: Insgesamt geben US-Amerikaner täglich rund 212 Milliarden US-Dollar aus, während sie im Auto sitzen. Bisher nutzen sie dafür aber ihr Smartphone. OEMs könnten diesen Markt für sich erobern, indem sie eine Zahlungsplattform direkt ins Auto integrieren.
Rund 30 Prozent der deutschen Autofahrerinnen und Autofahrer finden In-Car-Commerce prinzipiell interessant, hat das IFH Köln in Zusammenarbeit mit der BBE Automotive ermittelt. Sie würden vor allem Lebensmittel und Mahlzeiten im Auto kaufen (30 Prozent), dicht gefolgt von Produkten und Services aus den Bereichen Freizeit (27 Prozent) und Sportaktivitäten (21 Prozent). Rund ein Fünftel der Befragten zieht es auch in Betracht, während der Fahrt Autozubehör zu erwerben.
Das Auto als digitaler Geldbeutel eröffnet viele neue Chancen. OEMs könnten dann nicht nur an Einkäufen verdienen, sondern auch tiefere Einblicke in die Vorlieben ihrer Kunden gewinnen und passgenaue Services anbieten. Darüber hinaus identifizieren sich Menschen stärker mit ihrem Auto und der Marke, wenn sie ihr Fahrzeug für ihre täglichen Shopping-Transaktionen nutzen. Noch mag In-Car-Commerce wie ein weit entfernter Traum klingen. Doch das dachte man seinerzeit auch von der Kreditkarte, die heute ein Standard-Zahlungsmittel ist.
Daten als Schlüssel zum Erfolg
Voraussetzung, um solche Connected-Car-Szenarien umzusetzen, ist die Fähigkeit, Daten aus verschiedenen Quellen zu aggregieren, korrelieren und zu analysieren – natürlich immer unter Wahrung von Sicherheits- und Datenschutzrichtlinien. Daten bilden auch die Basis, um ein personalisiertes, herausragendes Kundenerlebnis zu garantieren. Nur wenn OEMs ihre Kunden genau kennen, können sie passgenaue Services und Modelle entwickeln, die auf dem Markt Erfolg haben.
Dafür müssen Unternehmen Kundendaten aus verschiedenen Interaktionskanälen wie Call Center, Website, Online-Chats, Social Media oder Display-Werbung miteinander in Beziehung setzen. Eine Herausforderung besteht darin, Silos aufzubrechen und aus den verschiedenen Kontaktpunkten ein genaues Kundenprofil zu erstellen. Dies gelingt zum Beispiel mit einer Big Data Correlation Engine auf Unternehmensebene. Künstliche Intelligenz und kognitives Lernen ermöglicht es zudem, Muster und Zusammenhänge zu identifizieren, sodass sich Kundenverhalten voraussagen lässt.
Kundenbindung durch Markentreue
Vernetzte Fahrzeuge und datenbasierte Services spielen eine zentrale Rolle für die Zukunft der Automobilhersteller. Um erfolgreich zu sein, müssen sich OEMs zu datengetriebenen Unternehmen transformieren und kundenorientierte Geschäftsmodelle entwickeln. Dafür ist es entscheidend, einen 360-Grad-Blick auf die Kunden zu gewinnen. Noch findet kaum direkter Kontakt zwischen Hersteller und Kunden statt, denn normalerweise ist ein Händlernetzwerk für Verkauf und Marketing zwischengeschaltet. Kundenbindung durch Förderung von Brand Loyalty fällt somit schwer.
Ein datengetriebenes Customer Experience Management ist in Zukunft also unerlässlich, um seine Klientel genau zu kennen und passgenaue Angebote und Services aufzusetzen. Diese Transformation ist ein herausfordernder Prozess, der sowohl einen kulturellen Wandel als auch neue Technologien wie Big Data Analytics, KI, Deep Learning und Cloud Computing erfordert. Am besten lässt er sich gemeinsam mit internationalen Partnern meistern.
* Über den Autor
Anurag Bhatia ist Senior Vice President und Head of Europe bei Mphasis. Er verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Aufbau von Geschäfts- und Technologiedienstleistungen weltweit. Bei Mphasis ist er verantwortlich für die Entwicklung von Wachstumsstrategien, die Betreuung von Kunden und die Steigerung des Kundenerfolgs in Europa. Vor seiner derzeitigen Position leitete er über drei Jahre die Servicetransformation bei Mphasis und war für die Strategie und Umsetzung in allen Branchen, Kanälen und Regionen zuständig.
Bildquelle: Mphasis
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