Software-as-a-Service ohne Tücken Vorsicht bei der Wahl von Software aus der Cloud

Autor / Redakteur: Dr. Dietmar Müller / Elke Witmer-Goßner

Der Kauf von Software-as-a-Service (SaaS) kann ein gefährliches Unterfangen sein. Nicht weil das Angebot nicht stimmen würde, sondern vielmehr, weil viele Unternehmen ihre eigenen Anforderungen nicht kennen. Ein Verständnis für die vielfältigen Einflussvariablen hilft ihnen die richtige Wahl zu treffen.

Anbieter zum Thema

Die Anschaffung neuer Software – und das gilt auch für Software-as-a-Service – sollte gründlich überlegt werden, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Die Anschaffung neuer Software – und das gilt auch für Software-as-a-Service – sollte gründlich überlegt werden, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
(Bild: © alphaspirit - Fotolia)

Unternehmen wollen nach dem Erwerb eines Software-as-a-Services möglichst schnell einen Return of Investment (ROI) sehen. Allzu oft aber gibt es aber keinen solchen ROI, weil die falsche Software aus der Cloud gewählt wurde. In diesem Beitrag sehen wir uns die häufigsten Fehler beim Einkauf an:

Unzureichend adressierte Anforderungen

Unbekannte Anforderungen sind – nomen est omen – solche, die der Käufer nicht kennt. Sie manifestieren sich erst nach der Implementierung der Software und verursachen zeit- und kostenaufwändige Workarounds. Mit Reverse Engineering können Unternehmen solche unbekannte Anforderungen aufstöbern. Und weil sie dann auch im Projekt- und Kostenplan auftauchen, kommt es später deswegen nicht zu Budget-Überschreitungen und Verzögerungen.

So manche Organisation unterschätzt zu Beginn eines Projektes den Wert eines ausgeklügelten Anforderungsmanagements. Ein Überblick über alle Anforderungen ist jedoch die Grundlage für jede vernünftige Auswahl von Software. Wir alle wissen, was mit Gebäuden passiert, deren Fundament unzureichend ist – genauso verhält es sich mit der Auswahl von Software. Unternehmen müssen eine umfassende Bedarfsanalyse durchführen.

Anwender nicht außen vor lassen

Desinteressierte oder „passiv-aggressive“ Anwender können einen Software-Rollout zum Scheitern bringen – selbst wenn es sich um einen vergleichsweise simplen Rollout-as-a-Service handelt. Unternehmen müssen daher alle wichtigen Anwender am Auswahlprozedere beteiligen. Diese können beispielsweise die Wichtigkeit verschiedener Anforderungen an die Software bewerten. In einer Liste sollten die Pro und Contras verschiedener Softwarekomponenten gelistet werden. Sobald die Anwender ihre Meinung inklusive Namen auf der Liste finden, werden sie sich involviert fühlen und sich für das Projekt engagieren.

Auf das Nötige beschränken

Keine Software kann alles, auch wenn sich dies so mancher Verantwortliche einbildet. Dann ist das Spektrum der Probleme, die gelöst werden soll, einfach zu groß. Dem Problem kann aus dem Weg gegangen werden, indem Projektleiter einen Reality-Check der tatsächlich vorhandenen Funktionen in der gewünschten Software vornehmen. Dafür wird eine Liste mit allen Anforderungen erstellt, die dann mit einer Liste der Funktionen der Software abgeglichen wird. Ein Punktesystem hat sich dafür als vorteilhaft erwiesen – 100 Prozent würde bedeuten, dass alle Anforderungen erfüllt werden. Eine zur Debatte stehende Software muss die Anforderungsliste zu wenigstens 70 Prozent abdecken – mehr ist natürlich besser, alles darunter ist indiskutabel.

Ein Auswahlprozess auf Basis eines Reality-Checks kann dauern, schließlich müssen verschiedene Angebote auf ihre Passgenauigkeit hin überprüft werden. Oft stellt sich zudem ein Mangel an Vertrauen in die eigenen Auswahlkriterien ein, vor allem wenn es um die unbekannten Anforderungen geht. Die Organisation hat Angst vor einer Fehlentscheidung, schiebt die Auswahl immer weiter hinaus und kauft dann doch die falsche Software.

Dieser oft gesehene Fehler lässt sich mit einem strikten Auswahlprozess in drei Phasen umgehen:

  • Anforderungen auf einer Liste sammeln und priorisieren.
  • Abgleichen der Anforderungen mit dem Produktangebot. Dafür die Meinung der Mitarbeiter einholen. In Frage kommende Lösungen gegeneinander abgleichen.
  • Potenzielle Software sowie den Service des Anbieters auf Herz und Nieren prüfen.

Zeitprobleme und politisches Sperrfeuer

Oftmals drängt die Zeit bei der Einführung neuer Software, die Gründe dafür sind mannigfaltiger Art. Das führt fast immer zu Problemen und schlimmstenfalls zur Auswahl der falschen Software. Unternehmen müssen unbedingt genügend Zeit für den Vergleich und die Auswahl von Software einplanen.

Mit politischem Sperrfeuer ist der (massive) Einfluss von hochrangigen Managern auf die Auswahl einer Software gemeint. Etwa weil sie von den Verkäufern um den Finger gewickelt wurden oder weil sie mit früheren Versionen der Software gute Erfahrungen gemacht haben. Dem können Projektleiter nur mit einem detaillierten und aussagekräftigen Reality-Check begegnen. Dieses oben beschriebene Verfahren liefert unwiderlegbare Fakten und damit Munition gegen zu eigensinnige Manager.

Der Hauptgrund für die Auswahl einer unpassenden Software ist ein zu kurzer Auswahlprozess. Für jedes Softwareproblem gibt es nur eine begrenzte Auswahl an Lösungen, und die müssen gefunden werden. Abkürzungen, wie etwa sich beim Kauf auf sein Glück zu verlassen, führen gerne in die Sackgasse. Genauso wenig erfolgsorientiert ist es, sich für eine bestimmte Software zu entscheiden, weil ein Konkurrent genau dieselbe einsetzt. In der Realität soll dies aber sehr häufig vorkommen.

Tote wie brandneue Software birgt Gefahren

Oftmals werden Unternehmen wegen Ihres Kundenstammes übernommen, nicht wegen Ihrer Technologie. Die Software des Übernahmekandidaten ist dann mittelfristig dem Tode geweiht. Klar wird sie bis zum Schluss genutzt, aber Weiterentwicklungen und Verbesserungen unterbleiben. Potenzielle Käufer sollten darauf achten, ob ihr potenzieller Anbieter übernommen werden soll. Falls dem so ist: Hände weg von seiner Software! Eine Software ist auch dann dem Tode geweiht, wenn der Anbieter seinen Schwerpunkt auf andere Produkte verlagert oder sich eine andere Nische sucht.

Mutige gehen dahin, wo zuvor noch niemand gewesen ist. Aber für brandneue Technologien gilt dasselbe wie für sterbende Software: Finger weg! Projektleiter müssen den Tatsachen ins Auge sehen: Brandneue Software ist fehlerbehaftet und muss ständig nachgebessert werden. Sie sollten in Diskussionsforen gehen und überprüfen, wie oft über die in Frage kommende Software geschrieben wurde. Finden sich wenige Einträge, dann ist die Software möglicherweise unausgegoren.

Mit von Branchengrößen gekaufter Software befinden sich Unternehmen in der Regel auf der sicheren Seite. Allerdings gelten deren Produkte in der Regel als wenig innovativ, anders als Angebote von Start-ups oder Nischenanbietern. Allerdings besteht dann die große Gefahr, auf das falsche Pferd zu setzen. Projektleiter müssen sich daher alle Anbieter ganz genau ansehen und Kommentare über ihn und seine Lösungen in Blogs und Foren überprüfen. Auch sollten Referenzkunden zur Verfügung stehen, mit denen man sich unterhalten kann.

Anbieter, die Compliance-Vorgaben nicht einhalten, scheiden grundsätzlich aus, gerade wenn es um Software aus der Cloud geht. Es müssen international anerkannten Prüfstandards wie SSAE 16 (vormals SAS 70), ISO 27001, FINRA, HIPAA, etc. umgesetzt sein. Alles andere ist nicht diskutabel.

Selbstgefälligkeit schadet am meisten

Die Einführung einer neuen Software stört den Geschäftsbetrieb, selbst wenn es sich um einen Software-as-a-Service handelt, die quasi über Nacht plötzlich da ist. Eine angemessene Schulung aller am Projekt beteiligten Mitarbeiter im Vorfeld kann die Risiken verringern und das Engagement hoch halten. Selbstüberschätzung ist bei der Auswahl neuer Unternehmenssoftware tödlich. Projektleiter dürfen dabei nichts dem Zufall oder gar einem Bauchgefühl überlassen. Nur eine datengestützte Analyse kann einen maximalen ROI erzielen. Ja, zusammenfassend muss wiederholt werden, dass die besten Voraussetzungen für eine glückliche Wahl einer neuen Unternehmenssoftware die gründliche Analyse der eigenen Anforderungen und der angebotenen Software ist. Nur so lassen sich die Risiken bei der Softwareauswahl gering halten.

(ID:44364908)