IT-Modernisierung durch Cloudeinsatz Strategische Ansätze müssen über „Lift and shift“ hinausgehen

Autor / Redakteur: Frank Schröder* / Florian Karlstetter

Eine steigende Zahl von Unternehmen plant, mit einem Umzug in die Cloud ihre IT zu modernisieren und Benefits aus Standardisierung und Automatisierung zu ziehen. Um ihre Time-to-Market zu verkürzen, die Servicequalität zu steigern und Kosten zu senken, investieren sie in Cloudumgebungen und migrieren ihre Altsysteme oder nutzen Dienste wie Amazon Web Services, Google Cloud oder Microsoft Azure.

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Richtig eingesetzt, lässt sich mit Hilfe von Cloud Computing die IT-Modernisierung beschleunigen.
Richtig eingesetzt, lässt sich mit Hilfe von Cloud Computing die IT-Modernisierung beschleunigen.
(Bild: gemeinfrei (geralt / pixabay))

Der Einstieg ist reizvoll: Features wie Pay-per-use, die einfache Skalierbarkeit und die unkomplizierte, bedarfsorientierte Anpassbarkeit versprechen ein leichtes Handling.

Welche Fehler machen Unternehmen bei der Transformation?

Allerdings lassen sich langfristige Benefits nicht allein mit dem Umzug der IT-Systeme in Cloudumgebungen erlangen. Dafür braucht es auch eine Einbindung der Cloud in eine neue IT-Unternehmensarchitektur als Teil einer strategischen Neuausrichtung. Potenziale hinsichtlich Innovation und digitaler Transformation lassen sich nur dann ausschöpfen, wenn Unternehmen ihre gewachsenen Strukturen im Hinblick auf die Cloud gründlich durchleuchten. Denn Voraussetzung für das Gelingen einer fortschrittlichen Enterprise-Cloud-Implementierung ist ein ganzheitlicher Ansatz.

Mit den Altsystemen in die Cloud schlicht nur umzuziehen, was unter dem Schlagwort lift and shift zusammengefasst wird, verschafft Unternehmen nicht automatisch auch die Vorteile der neuen Infrastruktur. Schlimmstenfalls kann die Cloud sogar dazu beitragen, die IT-Strukturen noch mehr zu verkomplizieren. Die Folge können höhere Kosten und steigender Mehraufwand sein, womit der Cloudumstieg sogar das Gegenteil der erhofften Vorteile erreicht.

Das hat vor allem zwei Ursachen: Zum einen kollidiert die statische Architektur mancher traditioneller IT Applikation mit den dynamischen Funktionen der Cloud; dies erlaubt Skalierung und Betrieb nur in geringem oder zumindest erschwertem Maße. Stark angepasste Applikationen, manuelle Deployment-Prozeduren und IT Prozesse erschweren den Transfer und die konsequente Nutzung. Zum anderen erfordert die optimale Entwicklung und Nutzung von Applikationen in der Cloud eine Vielzahl neuer Skills. Unter anderem im Applikationsdesign und in der -entwicklung bis hinzu zur Beherrschung von unterstützenden Frameworks zur Analyse und Betrieb von High-Performance Applikationen in einem hochverteilten Umfeld. Aufgrund der hohen Veränderungsgeschwindigkeit dieser Technologien kennt die typische IT-Belegschaft in der Regel nur die Entwicklung von Anwendungen im bisherigen IT-Framework.

Erfolgreich eingesetzte SaaS-Lösungen helfen zwar bei den oben genannten technologischen Herausforderungen durch den gewählten Anbieter, greifen aber an anderer Stelle – der digitalen Innovation - oft zu kurz. Bestehende Anwendungen werden schlicht ersetzt, Innovation wird einfach dem SaaS-Anbieter übertragen. Das Erarbeiten von Vorteilen gegenüber Wettbewerbern durch Eigenentwicklung findet nicht oder nur in geringem Umfang statt. Die optimale Ausrichtung von Applikationen in kritischen Geschäftsprozessen – etwa im Rahmen einer Digitalen Transformation – kann so nicht erbracht werden. Wird eine Cloud-Implementierung unzureichend vorbereitet und konzipiert, steigen Verwaltungsaufwand und Kosten. Das erwartete volle Potential von Cloud-Applikationen und -Integration kann nicht realisiert werden.

Was erfordert die Cloud?

Wichtig für Unternehmen, um voll von der neuen Technologie zu profitieren, ist das dahinter stehende Mindset: Der Wechsel in die Cloud darf nicht als einmaliger Umzug verstanden werden, sondern muss Teil einer ganzheitlichen Strategie sein - mit dem Ziel, über die Möglichkeiten der Cloud die digitale Transformation im Unternehmen voranzutreiben.

Eine Vielzahl von Entwicklungs- und Betriebsframeworks mit ihren offenen API Modellen ermöglicht die Standardisierung und Automatisierung der IT-Umgebung. Für Sicherheitsbelange werden zeitgemäße Lösungen gefunden und Arbeit kann in einem automatisierten, agilen Betriebsmodell stattfinden: die Basis, um neue Fähigkeiten und innovative Business-Lösungen zu entwickeln. Schöpfen Unternehmen die Potenziale der Cloud voll aus, sind sie für Geschäftswachstum gut aufgestellt in einem digitalen Zeitalter, das sich rasant entwickelt.

Welche Vorteile bietet die Cloud?

Traditionell müssen Anwendungen stark an den kundenspezifischen Systemkontext angepasst werden, was in den IT-Abteilungen viel Manpower für die Administration der Systeme bindet und das Investitionspotential für die so wichtige Entwicklung neuer Lösungen stark einschränkt. Über die Cloud kann dieses Verhältnis umgekehrt werden. Ihre Plattformen und Frameworks bieten neue optimierte Formen zur Standardisierung der sonst aufwändigen Systemkonfigurationen und Automatisierung von IT-Supportprozessen.

Mit Hilfe der Cloud können Unternehmen ihre IT-Gesamtkosten nachweislich deutlich reduzieren, Prozesse nach Bedarf skalieren und die Nutzung der Betriebs-Ressourcen optimieren.

Auf geschäftliche Anforderungen lässt sich leichter und flexibler reagieren, da die angebotenen Cloud-Lösungen weit über reine Speicherfunktionen hinaus gehen. Frameworks unterstützen den Bau und den Betrieb von hochverteilten Anwendungen und Datenbanken, die beispielsweise das Management von Big Data Streams und darauf aufsetzendes Machine Learning deutlich vereinfachen oder überhaupt erst ermöglichen. Automatisches Recovery, Resizing für höhere Transaktionslasten, mehr Speicherbedarf und das globale Monitoring und Deployment von Applikationen und Datenbanken runden das Bild ab.

Wie muss eine Transformation angegangen werden?

Um die Vorteile einer ganzheitlichen Cloud-Nutzung voll ausreizen zu können, muss man bereit sein, die bestehende IT Unternehmensarchitektur zu hinterfragen sowie Business und IT gemeinsam in eine bewusst moderierte Transformation einzubinden. Und man muss ebenso akzeptieren, dass eine Transformation nicht von heute auf morgen erfolgen wird, sondern unter Umständen mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Der Weg in die Cloud bedingt Veränderungsbereitschaft, Zeit und Geld. Insbesondere ein vollständiger Wechsel in die Cloud stellt eine große Herausforderung an das Management des Prozesses dar.

Diese Bausteine bilden auf dem Weg in die Cloud die Basis für Erfolg.

  • 1. Status Quo. Zunächst muss das IT-Applikations-Portfolio der aktuellen IT Unternehmensarchitektur entlang der (hoffentlich) aktuellen IT-Strategie bewertet werden. Hier spielen insbesondere technische Befähigung (Legacy) und Anforderungen an zukünftige Applikationsentwicklungen (Ausrichtung auf sich verändernde Geschäftsmodelle) eine Rolle, um in einer ersten Sondierung herauszufinden, welche öffentlichen Cloud-Plattformen und -Frameworks oder SaaS-Alternativen sich eignen.
  • 2. Target IT Enterprise Architecture. Auf Basis der Erkenntnisse aus der Status Quo Phase wird ein Zielbild insbesondere hinsichtlich der Cloud-Nutzung entworfen. Unternehmerische Rahmenbedingungen und Bewertungskriterien für Cloud-Kandidaten werden definiert. Eine erste Skizze der Transformation in die Cloud entsteht.
  • 3. Buy-In. Mit Stakeholdern im Business und der IT wird – nicht nur wegen Budget und Investitionen – das gewählte Zielbild verbindlich vereinbart, um damit für die anstehende Transformation alle Verantwortlichen im Boot zu haben.
  • 4. Wahl des Providers. Im Rahmen des vereinbarten Zielbilds und der definierten Bewertungskriterien werden nun die vorselektierten Kandidaten (Cloud-Plattformen/-Frameworks, Sourcing-Provider) konkret evaluiert und final ein Kandidat ausgewählt. Sollte das Zielbild mehrere Provider bedingen, empfiehlt es sich, mit einem Provider zu starten und bei Bedarf, und nachdem die Transformation einen gewissen Reifegrad erreicht hat, weitere zu etablieren.
  • 5. Migration. Mit der Migration der Applikation(en) in die Cloud ergibt sich auch zwangsläufig eine Umstellung des Betriebsmodells/Änderungsmanagement. Die jeweiligen Cloud-Umgebungen und Frameworks erfordern spezielles Knowhow über Betrieb und Veränderung der Applikationen. Das agile Betriebsmodell der Cloud erfordert zudem eine andere Herangehensweise an Problemstellungen und neue Denkweisen. Entsprechend müssen die Infrastrukturorganisation und die Betriebsprozesse angepasst werden.
  • 6. Anpassung der Legacy-Systeme. Ein Teil der Applikationen wurde im neuen Zielbild als Legacy Applikationen klassifiziert. Es ist unvermeidlich, dass zumindest ein Teil dieser Applikationen nicht abgelöst, sondern erst einmal mitgenommen werden muss (also doch: lift and shift). Diese Anwendungen müssen hinsichtlich ihrer speziellen Betriebsumgebung (Operating Systems, Skalierung, Sicherheits- und Kapazitätsanforderungen) in der Cloud analysiert und schrittweise in die Cloud migriert werden. Ein vorab in der Transformation erarbeitetes Step by Step Szenario für die Modernisierung der Legacy-Anwendungen bringt Klarheit.
  • 7. Menschen mitnehmen. Die Einbindung der Stakeholder bringt Commitment und Unterstützung für die Transformation. Dies ist aber nicht ausreichend: Unternehmen brauchen Cloudexperten - auch die Belegschaft muss sich weiterentwickeln, um den Anforderungen der neuen Technologie künftig gewachsen zu sein. Die Nutzung neuer Technologien, der Ausblick auf bessere Standardisierung und Automatisierung helfen sicherlich der IT mit dem hohen Anpassungsdruck fertig zu werden. Konsequentes Change Management und Coaching für Technologien und agile Prozesse sind aber unbedingt notwendige, flankierende Maßnahmen.

Fazit

Cloud Computing kann ein Katalysator für die Modernisierung und Automatisierung der IT sein. Richtig aufgesetzt, profitieren Unternehmen mit der Transition in die Cloud in vielen Bereichen: Klarheit in fachlichen Prozessen, ein verbindliches Zielbild der zukünftigen IT Unternehmensarchitektur, notwendige Ablösung von Legacy Applikationen, Agilität und last but not least Kosteneinsparungen durch optimierte Skalierbarkeit, Flexibilität und Effizienz.

Der Autor: Frank Schröder, Partner, IT Architecture Excellence bei DARCBLUE AG.

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