Jahreskongress 2021 der DSAG Hoher Aufklärungs- und Akzeptanzbedarf unter SAP-Anwendern
Unter dem Motto „Mut und Intelligenz – jetzt!“ hat der Jahreskongress 2021 der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) stattgefunden, allerdings nur online. Mehrere Mitgliederbefragungen haben die Baustellen aufgedeckt, mit denen sich die SAP-Kunden plagen.
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DSAG-Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen zitierte aus den aktuellen DSAG-Mitgliederbefragungen. Durch die Corona-Pandemie sind die meisten Unternehmen 2021 besser durchgekommen als im Vorjahr: „Ging im Jahr 2020 der Umsatz noch bei 74 Prozent der befragten Unternehmen zurück, so sind es in diesem Jahr nur noch 42 Prozent. Zudem steigt der Umsatz bei 29 Prozent der Unternehmen, im Vorjahr waren es nur 7 Prozent.“ Auf 29 Prozent wirkte sich die Pandemie dieses Jahr gar nicht aus (Vorjahr: 22 Prozent). Offenbar ist es vielen Unternehmen gelungen, sich an die stark veränderten Verhältnisse anzupassen. „Auch was die IT-Budgets betrifft“, so Hungershausen, „ist eine positive Entwicklung zu erkennen. Jetzt ist es wichtig, nicht zurückzuschauen, sondern nach vorne gerichtet zu gestalten.“
Allerdings hat die DSAG ein kurioses Phänomen festgestellt, welches sie „das digitale Dilemma“ nennt und welches dazu führt, „dass die digitale Transformation langsamer vorankommt“. Aktuell seien viele Unternehmen im Spagat zwischen der Existenzsicherung im Heute und der Vorbereitung auf das Morgen. Hungershausens Erklärung ist interessant: „Dass der Schwung von 2020 nachgelassen hat, kann mit fehlendem Handlungsdruck zusammenhängen, durch den eventuell auch überlebensnotwendige Innovationen ausgebremst werden.“ Immerhin seien noch 54 Prozent der befragten DSAG-Mitglieder zuversichtlich, mit der Digitalisierung schnell voranzukommen. Im Vorjahr waren es allerdings noch 61 Prozent. Deshalb begrüßte er vom Bund unterstützte Initiativen wie die europäische Dateninfrastruktur Gaia-X und das darauf aufbauende Geschäftsnetzwerk Catena-X in der Automobilindustrie. Dabei geht es um den standardisierten und abgesicherten Datenaustausch entlang der Wertschöpfungskette von Herstellern und Zulieferern.
Lücken in der Integration und Harmonisierung
„In punkto Integration besteht nach wie vor Handlungsbedarf“, konstatierte der DSAG-Vorstandsvorsitzende angesichts von ernüchternden Umfrageergebnissen. Wenn es um die Integration von SAP-Anwendungen in Cloud- und Hybrid-Umgebungen geht, um durchgehende Geschäftsprozesse zu ermöglichen, beurteilen nur 28 Prozent den Stand der Dinge mit „gut“, 44 Prozent votieren mit „befriedigend“ und jeweils 14 Prozent mit „ausreichend“ bzw. „mangelhaft“. Wenn aber die Prozesse nicht durchgehend ineinandergreifen, halten sich die Unternehmen hinsichtlich der digitalen Transformation zurück, weil diese die Prozesse noch stärker umkrempelt.
Bei der SAP-zu-SAP-Integration erfreuen sich die Aspekte der durchgehenden Sicherheit (48 Prozent) und des integrierten Berichtwesens (32 Prozent) einer guten bis sehr guten Bewertung. Doch was die Harmonisierung der Datenmodelle der einzelnen SAP-Module in der Business Technology Platform angeht, beurteilen nur 16 Prozent der Befragten den Stand der Dinge als positiv. „Harmonisierte Datenmodelle spielen im Hinblick auf eine intelligente, anwendungsübergreifende Vernetzung und Integration eine wesentliche Rolle“, erläutert Hungershausen. „Das positive Votum von nur 16 Prozent deutet auf einen großen Handlungs- und Aufklärungsbedarf hin.“
Die Rolle von S/4HANA
Laut einer gemeinsamen Umfrage der DSAG und der Americas' SAP Users' Group (ASUG) im April und Mai 2021 steigt die Bedeutung des ERP-Systems S/4HANA. 44 Prozent der 172 befragten deutschsprachigen DSAG-Mitglieder haben entweder S/4HANA-Projekte gestartet oder sind damit bereits produktiv. Das entspricht einem Zuwachs um 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Die klassische Migration wird aber noch nicht stark genug durch organisatorische Veränderungsprojekte sowie digitale Ende-zu-Ende-Prozesse abgelöst“, moniert Hungershausen. Er sieht die DSAG wie auch die SAP in der Pflicht, hierzu Aufklärungsarbeit zu leisten. Angesichts der zahlreichen Experten, Workshops und Kompetenzzentren, die DSAG und SAP in den letzten Jahren eingerichtet haben, verwundert der anhaltende Aufklärungsbedarf.
Es könnte an den Definitionen liegen, die die DSAG beispielsweise zur Cloud nutzt. Für sie ist die Public Cloud nicht nur eine Infrastruktur als Service (IaaS), sondern korrekterweise auch eine Vernetzungsplattform. Denn was nützt eine cloud-basierte IT – sei sie nun Public, Private, Hybrid oder Multi –, wenn sie sich nicht mit einem Partnernetzwerk sowie der hauseigenen IT verknüpfen lässt? Für die DSAG ist klar: „Für die SAP-Kunden ist die Cloud wichtig, denn sie ist ohne Wenn und Aber die Zukunft“, sagte Hungershausen.
Ernüchternde Cloud-Akzeptanz
Immerhin steht knapp jedes zweite DSAG-Mitglied (46 Prozent) der Cloud „generell positiv“ gegenüber. Ein weiteres Viertel (26 Prozent) ist neutral, aber ein weiteres Viertel (27 Prozent) lehnt die Cloud ab. Im Vergleich zu US-amerikanischen Verhältnissen, wo die Cloud bereits das dominante Betriebsmodell ist – über 90 Prozent aller neuen Versicherungslösungen laufen in der Datenwolke – erscheint das Votum der deutschsprachigen SAP-Anwender niederschmetternd.
Das mag aber an ihren Erfahrungen mit den jeweiligen Cloud-Lösungen der SAP liegen. „Nur 30 Prozent der DSAG-Mitglieder haben allgemein positive Erfahrungen im SAP-Bereich gemacht“, berichtet der DSAG-Vorstandsvorsitzende. „Im Non-SAP-Bereich sind es hingegen 60 Prozent.“ Hungershausen zeigt sich von diesem Ergebnis überrascht. „Es zeigt nämlich, dass SAP wichtige Themen wie Lizenzierung, Integration und Sicherheit noch besser lösen und damit Vertrauen schaffen muss.“
Interesse an RISE with SAP
Vor kurzem hat SAP seine neue Strategie „RISE with SAP“ vorgestellt, die mit dem zugekauften Portfolio von Signavio erstmals auch Process Mining als ersten Schritt zur Prozessoptimierung umfasst. Die Reaktion auf diese Initiative fällt nach Angaben von DSAG und ASUG unterschiedlich aus. Lediglich (12 Prozent) der befragten DSAG-Mitglieder halten RISE with SAP für werthaltig, doch vier von zehn Mitgliedern (39 Prozent) sind der Meinung, das Programm sei „nicht sehr bzw. gar nicht werthaltig“ (ASUG: 11 Prozent).
DSAG-Fachvorständin Christiane Tussing kommentiert, dass „SAP den Mehrwert und das damit verbundene Transformationspotenzial von RISE noch viel deutlicher vermitteln“ müsse: „Denn nur wer den Wertbeitrag als Bestandteil seiner Unternehmenstransformation erkennt, wird den Weg auch mit RISE with SAP gestalten.“
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Prozessmanagement-Anbieter Signavio wird übernommen
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Eine Frage des Vertrauens
Während sowohl DSAG als auch ASUG SAP generell für vertrauenswürdig halten (ASUG: 80, DSAG 72 Prozent), ist das Vertrauen in SAP, die Erwartungen in RISE with SAP zu erfüllen, unterschiedlich. 58 Prozent der ASUG-Umfrageteilnehmer vertrauen hier „sehr und etwas“, aber nur 26 Prozent der DSAG-Teilnehmer. Von letzteren haben sogar 35 Prozent bezüglich RISE „eher weniger“ bis „gar kein“ Vertrauen (ASUG: 10 Prozent). „Die Unternehmen und Branchen müssen sich zeitnah mit ihren Architekturen auseinandersetzen und netzwerkfähig werden“, resümiert Otto Schell, Vize-Vorstandsvorsitzender der DSAG. „Die Entwicklung wird mit RISE noch verstärkt.“ Was nun das geringe Vertrauen anbelangt: „Gleichzeitig muss SAP nachweisen, dass und wie der angedachte Ansatz auch in den bestehenden Landschaften umgesetzt werden kann.“ Dann werde auch das Vertrauen wieder zunehmen.
Dass SAP Mühe hat, seine Kunden von der Notwendigkeit zu überzeugen, in die Cloud zu gehen, belegt auch der Befund der DSAG, dass „die Mehrheit der Mitglieder auch in Zukunft auf S/4HANA on-premises“ setzen. Was die Prioritäten anbelangt, so steht nach Angaben von Jens Hungerhausen Business Intelligence an erster Stelle. An zweiter Stelle folgen Cloud Computing und an dritter immerhin schon Künstliche Intelligenz. In seiner Keynote sagte Hungershausen, KI befinde sich hierzulande noch in der „Experimentierphase“: Obwohl KI-Funktion in S/4HANA enthalten seien, so seien doch nur punktuelle Projekte im IoT- und Echtzeitbereich zu beobachten. An der Technik liegt es nicht: In der jüngsten Version von S/4HANA sind indes zahlreiche KI-basierte Funktionen enthalten.
Noch zu viele Altlasten
Christian Klein, der CEO von SAP, sieht noch zahlreiche Hindernisse für seine Kunden auf dem Weg zur digitalen Transformation. Dazu zählen besonders Legacy-Installationen und Custom-Versionen der SAP-Software. „Eine Migration auf die neueste Version unserer Business Technology Plattform ist notwendig.“ Die Analytics Cloud liefere beispielsweise Informationen und Erkenntnisse end-to-end, und S/4HANA unterstütze die im Trend liegende Hybrid Cloud. „Damit können unsere Kunden ihre Lieferketten global erweitern, um sie zu digitalisieren und so die ganze Wertschöpfungskette abzubilden.“ Das neue Lieferkettengesetz dürfte dabei eine gewisse Rolle spielen. „Es wird zuerst in die Cloud-Version von S/4HANA übernommen, dann in die On-Premises-Version“, kündigte Klein an.
Während die DSAG Nachhaltigkeit nicht erwähnte, stellte Klein den Aspekt des Klimaschutzes in den Vordergrund: „Für uns [bei der SAP] hat Nachhaltigkeit Top-Priorität.“ Mithilfe von S/4HANA könnten die Kunden ihren CO2-Fußabdruck genau ermitteln, die Daten transparent kommunizieren und Nachhaltigkeit als Grundlage für Reports und Pläne berücksichtigen. Während die SAP-Kunden S/4HANA v.a. on-premises (s.o.) nutzen, dringt Klein auf S/4HANA in der Public Cloud. Das setze allerdings eine Standardisierung der IT-Architektur auf SAP voraus, der offenbar ein beträchtliches Maß an Custom-Versionen von SAP-Installationen entgegensteht. Immerhin dürfte es die Kunden trösten, dass SAP die On-Premises-Version von S/4HANA bis 2040 unterstützen will.
Es verwundert nicht, dass Klein „RISE with SAP“ positiv beurteilt. Er betonte, dass RISE „das Gegenteil eines Abenteuers“, sondern vielmehr „einen End-to-End-Support“ darstelle.
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