Der schrittweise Ansatz funktioniert Fünf Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation von Banken
Anbieter zum Thema
Die digitale Transformation von Unternehmen in hochregulierten Branchen wie dem Bankwesen ist eine enorm komplexe und langwierige Aufgabe. Obwohl die Finanzinstitute bereits seit Jahren daran arbeiten, stehen bei diesem Prozess viele immer noch am Anfang.

Einer aktuellen Studie von Cornerstone Advisors zufolge hat ein gutes Drittel (36 Prozent) der Unternehmen, die an Digitalisierungsprojekten arbeiten, gerade einmal die Hälfte der Aufgaben umgesetzt. Andere Zahlen besagen jedoch, dass 40 Prozent solcher Unternehmen bislang weder Cloud Computing noch Schnittstellen im Einsatz haben.
Allerdings gibt es durchaus Technologien und Erfahrungswerte, die Banken bei der Umsetzung ihrer Digitalisierung-Vorhaben unterstützen. Aus meiner mehr als dreißigjährigen Erfahrung mit der Branche habe ich fünf Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche digitale Transformation identifiziert und im Folgenden zusammengefasst.
1. Die digitale Transformation beginnt in der Chefetage
Banken entwickeln herkömmlicherweise ihre IT-Strategie und die Strategie des Kerngeschäftes unabhängig voneinander. Meist sind CIOs nicht einmal in die Entscheidungsprozesse eingebunden, die den Ausbau des Kerngeschäftes betreffen. Aber digitale Transformation ist etwas anderes als lediglich die Implementierung neuer Technologien. Weil sie sich auf die Geschäftsprozesse im gesamten Unternehmen auswirkt, müssen die strategischen Entscheidungen über das Kerngeschäft und die technologischen Entscheidungen in Übereinstimmung gebracht werden.
Damit eine Strategie zur digitalen Transformation in der Praxis funktioniert, muss die enge Zusammenarbeit zwischen zwei wichtigen Parteien gegeben sein – nämlich einerseits jenen, die für den Geschäftserfolg zuständig sind, sowie andererseits den Technologieverantwortlichen. Ihre Kooperation bildet die Grundlage, damit Banken moderne Technologien in ihr Geschäft integrieren und diese erfolgreich nutzen können.
Somit ist die Grundlage der erfolgreichen digitalen Transformation die enge Zusammenarbeit zwischen diejenigen, die für den Geschäftserfolg zuständig sind, sowie denen, die für die Technologie verantwortlich zeichnen. Nur so können Banken moderne Technologien erfolgreich integrieren und nutzen.
Zudem ist die digitale Transformation ein langfristiger Prozess. Banken tendieren jedoch zu kurzfristigem Denken – oberste Priorität haben die jährlichen Umsatzziele. Zusammen mit einer gewissen branchentypischen Risikoscheu, die Veränderungen durch Prüfungen auf Herz und Nieren und engmaschige Überwachung verlangsamt, entsteht eine Gemengelage, die den notwendigen Transformationsprozessen nicht unbedingt förderlich ist. Von diesen Hindernissen müssen sich die Banken befreien. Neue Arbeits-, Denk- und Handlungsweisen, die mit größerer Agilität, funktionsübergreifender Zusammenarbeit und kundenorientierter Entscheidungsfindung denen von Technologieunternehmen ähneln, fördern die Entwicklung hin zu einer Bank, bei der Technologie den Kern bildet.
2. Technologie ist keine Lösung an sich
Viele Banken arbeiten mit alten, über Jahrzehnte gewachsenen Systemen, die sie einengen und ihnen ausufernde, monolithische, siloartige Strukturen aufzwingen. Sie geben zwar ein Vermögen aus, um mit modernen Entwicklungen Schritt zu halten, erreichen aber nichts weiter als Stillstand. Moderne, cloud-basierte Technologie kann einen Wandel bewirken. Doch nur wenn Banken sich darüber im Klaren sind, welches Problem Sie lösen möchten. Sonst kann auch die beste Technologie ihnen nicht dabei helfen.
3. Transformation soll schrittweise stattfinden
Für die eigentliche Umwandlung haben Beratungsunternehmen, darunter auch Deloitte und McKinsey, verschiedene Vorgehensweisen entwickelt, die sich im Detail unterscheiden mögen, von der Struktur her jedoch vergleichbar sind:
– Beim „Big Bang“ wird das alte System platt gemacht und durch ein neues ersetzt. Dieses Vorgehen kann bei kleineren Unternehmen mit wenig komplexen Abläufen funktionieren, ist allerdings riskant. Beispielhaft dafür, wie sich ein solches Vorgehen auswirken kann, ist die deutsche Apobank. Deren Umstellung auf ein neues IT-System verschlang einen dreistelligen Millionenbetrag und erstreckte sich mit den Vorlaufzeiten über rund vier Jahre. Allerdings war die Bank bis zum Abschluss der Umstellung technologisch blockiert und konnte in der Zwischenzeit keinerlei Innovation umsetzen.
– Beliebt, aber nur mäßig erfolgreich ist das Facelifting. Bei diesem Verfahren soll Middleware Beschränkungen, die das Altsystem auferlegt, mittels der Integration von APIs beheben, während das Backend unverändert bleibt. So wird das Frontend „aufgehübscht“, ohne dass echte Funktionserweiterungen stattfinden.
– Als Greenfield wird bezeichnet, wenn parallel zum Altsystem ein neues Cloud-natives System aufgebaut wird. Von Vorteil sind die schnellen Ergebnisse, die sich durch die Doppelgleisigkeit erzielen lassen, nachteilig die hohen Kosten. Zu den Kosten für die Implementierung eines neuen Systems und für dessen Unterhalt kommen die Kosten für das Altsystem, das bis zum Abschluss der Neueinrichtung ebenfalls am Laufen gehalten werden muss.
– Bei der progressiven Migration wird schrittweise ein neuer Technologie-Stack aufgebaut, jeweils vertikal als Produkttyp oder horizontal als Geschäftsfunktion. In der Regel entscheiden sich Banken wegen der komplexen IT-Strukturen für das vertikale Vorgehen, denn es erlaubt Mitarbeiterschulungen in jeder Implementierungsphase.
Prinzipiell ist die schrittweise Migration der am meisten erfolgversprechende Ansatz. Sie erlaubt eine hohe Transformationsgeschwindigkeit bei gleichzeitiger Reduktion von Risiken und unterstützt zudem sowohl kurz- als auch langfristige Unternehmensstrategien. Im Lauf der Zeit können auf diese Weise alle vertikalen Funktionen auf ein modernes Kernsystem umgestellt werden, das der Bank den langfristigen Erfolg im digitalen Zeitalter sichert.
4. Von den Kundenbedürfnissen ausgehen
Traditionell verfolgen Banken einen produktorientierten Ansatz mit standardisierten Angeboten, die bestimmte Vorteile bieten, bestimmte Parameter erfüllen und bestimmten Regeln gehorchen. Spezifische Bedürfnisse ihrer Kunden bleiben dabei außer Acht. Mit diesem Ansatz sind die Verbraucher von heute nicht mehr zufriedenzustellen; sie suchen zunehmend nach einem individuelleren Erlebnis.
Grundsätzlich können Banken diesem Bedürfnis entgegenkommen, denn sie haben Zugriff auf mehr Kundendaten als jemals zuvor. Allerdings verhindern veraltete Systeme und Datensilos eine zielgerichtete Analyse dieser Informationen. Moderne Plattformen schaffen die Grundlage dafür, dass Banken ihre Kundendaten in verwertbare Erkenntnisse umwandeln und für die Entwicklung personalisierter Kundenservices nutzen können.
5. Kontinuierliche Innovation durch fortlaufende Optimierung
Eine Bank, die ihre Denkweise und ihre Unternehmenskultur verändert, die internen Abläufe umgestaltet und ihre technologische Ausstattung fortlaufend optimiert, kann Innovationen schneller umsetzen. Indem neue Services und Angebote schnell eingeführt und fortlaufend getestet werden, revolutioniert die Bank die Interaktion mit ihren Kunden und kann ihnen durch kontinuierliche Innovationen zusätzlichen Nutzen bieten.
* Über die Autorin
Vilve Vene ist Mitgründerin von Tuum, einem Fintech aus Estland, das eine moderne, flexible Core-Banking-Plattform anbietet. Seit mehr als 25 Jahren bringt Vilve Vene Technologie in die Finanzwelt. Lange bevor „Fintech“ ein gängiger Begriff wurde, entwickelte sie bereits innovative Finanztechnologie.
Bildquelle: Tuum
(ID:48563524)