Faire Lösung oder Wegezoll? Neues Lizenzmodell von SAP auf dem Prüfstand

Autor / Redakteur: Dr. Jan Hachenberger* / Elke Witmer-Goßner

Bei indirekter Software-Nutzung kennen viele Softwareanbieter weder Spaß noch Erbarmen. Insofern wächst der Druck auf IT-Verantwortliche und die Geschäftsleitung von Unternehmen, sich darüber zu versichern, dass die aktuellen Softwarelizenzierungen die strengen Audits durch Hersteller wie SAP, Oracle oder Microsoft bestehen. Im ungünstigsten Fall drohen nämlich teure, ungeplante Nachzahlungen.

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Softwarehersteller wollen, dass Unternehmen die erforderlichen Lizenzen erwerben, gerne auch mehr als sie tatsächlich benötigen.
Softwarehersteller wollen, dass Unternehmen die erforderlichen Lizenzen erwerben, gerne auch mehr als sie tatsächlich benötigen.
(Bild: © psdesign1 – stock.adobe.com)

Die Problematik dabei ist, genau zu wissen, wann eigentlich eine sogenannte indirekte Nutzung vorliegt. Spätestens seit dem spektakulären Urteil im Fall des britischen Getränkeherstellers Diageo und der damit verbundenen Nachzahlung von über 60 Millionen Euro befürchten vor allem SAP-Kunden, dass auch ihnen Unheil in Form teurer Nachlizensierungen droht – ausgelöst durch die sogenannte indirekte Nutzung. Das Trügerische daran ist, dass sich SAP-Kunden in Sicherheit wähnen, da sie die Nutzungsrechte über zuvor definierte Packages erworben haben.

Die Lizenzbestimmungen der Softwarehersteller regeln unter anderem, wie die Softwarefunktionen ausgeführt werden oder wie das Laden oder der Zugriff auf Daten, die die Software verwaltet, erfolgt. Eine indirekte Nutzung tritt dagegen immer dann auf, wenn auf Softwarefunktionen oder die verwalteten Daten nicht über die Benutzeroberfläche, die mit der Software oder als Teil dieser Software ausgeliefert wurde, zugegriffen wird, sondern über technische Schnittstellen. Das kann beispielsweise die Software eines Drittanbieters sein, wie etwa eine Partnerlösung oder eine Eigenentwicklung des Kunden.

Nach unseren Erfahrungen sind in mittelständischen Unternehmen und internationalen Großkonzernen 30 bis 40 Prozent der eingesetzten SAP-Software unzureichend oder falsch lizensiert. Bei einem Audit durch den Softwarehersteller kann dies ungeahnte finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Und SAP und andere große Softwarehersteller werden nicht ruhen, denn Audits waren und bleiben attraktive Umsatzbringer.“

Die Analyse ist aufwändig und komplex

Besonders herausfordernd ist die Analyse der Lizenzen deshalb, weil in den IT-Strukturen der Unternehmen zahlreiche und zumeist komplexe technische Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Systemen bestehen. Das trifft ganz besonders auf SAP-Umgebungen zu. Problematisch wurde es bei SAP insbesondere dadurch, dass der deutsche Software-Riese für verschiedene Szenarien indirekter Nutzung bisher keine adäquaten Lizenzangebote angeboten hat. Somit hieß es häufig jeden einzelnen Anwender, der über eine Schnittstelle auf SAP zugegriffen hat, zu erfassen und im Hinblick auf seinen Lizenzbedarf zu bewerten.

Microsoft oder Oracle beziehen die Lizenzierung auf die Hardwareressourcen wie CPUs oder Cores. Diese Hardwarelizenzierung hat den Vorteil, dass der Aufwand des User-Zählens entfällt und sich somit eventuell– besonders bei einer entsprechend hohen Anzahl an Usern – ein kostengünstigerer Weg wählen lässt. SAP dagegen betrachtete bislang nur die User und deren Zugriffsrechte. Allen Softwareherstellern von ERP-Lösungen gemein war außerdem, dass sie kaum vernünftige, das heißt im Sinne der Kostenkontrolle geeignete Lösungen für indirekte Zugriffe anboten. Zwar denken inzwischen auch Oracle und Microsoft über volumen- bzw. transaktionsorientierte Lizenzmodelle nach, beide Hersteller bewerten im Vergleich zu SAP den Zugriff auf die Daten des ERP-Systems allerdings anders. Sollten User beim Datenzugriff jedoch indirekt auf Funktionen von etwa Microsoft Dynamics oder Oracle E-Business Suite zugreifen, gelten die gleichen Regeln wie bisher bei SAP.

Vor wenigen Tagen hat SAP nun ein neues Lizenzmodell angekündigt, das die Lizenzierung der indirekten Nutzung transparenter regeln soll. Laut SAP stören diese Differenzen teilweise die parallel verlaufenden Gespräche zur Neuanschaffung von Software. Zwischen den Zeilen liest man: Das Basisgeschäft ist in Gefahr, und das möchte SAP natürlich vermeiden. Ob das neue Preismodell für die indirekte Nutzung tatsächlich fair, transparent und zum Vorteil der SAP-Kunden gereicht, bin ich mir nicht sicher. SAP setzt nach unserer Einschätzung mittelfristig primär auf ein transaktionales Lizenzsystem – und das ist in dieser Konsequenz im ERP-Markt ein wirkliches Novum. Solange der SAP-Kunde immer mehr SAP-Lizenzen benötigt, da beispielweise die Anzahl der Bestellungen nach oben geht, lassen sich die Zusatzkosten für Softwarelizenzen für die indirekte Nutzung zuzüglich der damit verbundenen Pflegegebühren noch verschmerzen.

Kritisch wird es aber spätestens dann, wenn auf Grund ausbleibender Bestellungen oder – im Sinne einer Optimierung – mit Einführung eines neuen Bestellprozesses die Anzahl der mit SAP verwalteten Bestellungen etwa von 1.000.000 auf 500.000 zurückgeht. Die zuvor gezahlten Lizenzkosten erstattet SAP selbstverständlich nicht zurück, egal wie schlecht es bei dem Kunden läuft oder wie sehr sich der Kunde bemüht, seine Prozesse zu optimieren. Die Lizenzbedarfe für Named User waren und sind hingegen wesentlich stabiler.

Vorbeugung statt Abstrafung

Das „transaktionale“ oder „wertschöpfungsorientierte“ Lizenzmodell – wie die SAP-Anwendergruppe DSAG schreibt – funktioniert nämlich nur in eine Richtung, in Richtung Umsatzzuwachs für SAP. Geringere Lizenzbedarfe sind hingegen das Problem des SAP-Kunden. Was bleibt, ist die kontinuierliche Optimierung der Lizenzen, um nicht Gefahr zu laufen, die falschen oder zu viele Lizenzen zu kaufen und am Ende mit Pflegegebühren über Jahre hinweg für diese Fehlentscheidungen „bestraft“ zu werden.

Dr. Jan Hachenberger, ConSalt GmbH.
Dr. Jan Hachenberger, ConSalt GmbH.
(Bild: ConSalt GmbH)

Die Unternehmen sollten hinsichtlich ihrer Lizenzverträge also immer auf dem aktuellsten Stand sein, eventuell Schwachstellen analysieren und Alternativen erwägen. Bei der Analyse können ausgefeilte Tools helfen, die die indirekte Nutzung identifizieren. Diese sind hochspezialisiert und wurden für das Monitoring bestimmter Softwareprodukte oder Hersteller entwickelt. Bekannte Tools für die Prüfung von SAP-Umgebungen sind zum Beispiel Xpandion Profile Tailor License Auditor, Snow Optimizer for SAP sowie der ConSalt License Optimizer @ SAP, der vollständig herstellerunabhängig arbeitet. Die Tools identifizieren zunächst auffällige User Accounts (technische User), das sind Accounts, die permanent aktiv sind oder hohe Datenvolumen mit einer Applikation austauschen. Über eine Klärung mit dem Schnittstellen-Verantwortlichen lassen sich dann die über diese Schnittstelle angebundenen Applikationen identifizieren und in das Monitoring technisch einbinden – einschließlich der Prüfung von User-Zugriffen auf die Applikationen oder relevante Berechtigungskontrollen, etwa Active Directory.

Erfahrungsgemäß reicht eine Ist-Bestandsaufnahme für eine dauerhaft lizenzkonforme Nutzung aber nicht aus, da sich die IT-Struktur im Unternehmen analog zu den Geschäftsprozessen kontinuierlich verändert und weiterentwickelt. Auch hier gibt es spezielle Lösungen, die individuelle, auf den Kunden zugeschnittene und unabhängige Handlungsempfehlungen geben – wie etwa unser Lizenzrisiko-Management bei indirekter Nutzung von SAP.

* Der Autor Dr. Jan Hachenberger ist Geschäftsführer der international agierenden Unternehmensberatung ConSalt GmbH in München.

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