Energieverteilung mit der Cloud – Virtuelle Kraftwerke und Strombroker Ist die Cloud Teil der Energiewende?

Ein Gastbeitrag von Karsten Kümmerlein*

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Solar- und Windstrom haben einen wachsenden Anteil am deutschen Strommix. Im Moment fehlen noch leistungsfähige Stromspeicher, um die wetterabhängige Produktion mit der Nachfrage in Einklang zu bringen. Doch die verfügbarkeitsabhängige Verbrauchssteuerung mit Cloud-Technologie kann in dieser Situation helfen.

Deutschlands Jahrhundertprojekt zur Umstellung der Energieversorgung für eine CO₂-neutrale Zukunft kommt dank Energiekrise nicht so voran, wie gewollt. Und die Cloud scheint als ein weiterer Großverbraucher eher Teil des Problems als Teil der Lösung zu sein.
Deutschlands Jahrhundertprojekt zur Umstellung der Energieversorgung für eine CO₂-neutrale Zukunft kommt dank Energiekrise nicht so voran, wie gewollt. Und die Cloud scheint als ein weiterer Großverbraucher eher Teil des Problems als Teil der Lösung zu sein.
(Bild: lumerb - stock.adobe.com)

Erneuerbare Energien werden in Deutschland politisch gewollt und gefördert, das Land hat sich bis 2045 zur Treibhausgas-Neutralität verpflichtet. Doch der Weg dorthin ist schwierig: Zunächst müssen ganze Sektoren wie der Verkehr, die Wärmeproduktion für Haushalte und Industrie, aber auch weite Teile der chemischen Industrie von der Nutzung fossiler Brennstoffe auf Strom oder grünen Wasserstoff umgestellt werden.

Im Moment wirkt es nicht so, als werde das Ziel erreicht. Stattdessen diskutiert die Öffentlichkeit über hohe Strompreise, kalte Wohnungen, einen vermeintlich drohenden Blackout und Abstandszonen um Windparks. So gerät das Ziel aus dem Blick: Die Umstellung auf eine Energieinfrastruktur, die weitgehend auf Solar-, Wind- und Wasserkraft setzt. Stattdessen geschieht auch zu Beginn des Jahres 2023 die Grundlastversorgung mit wenigen Kohle-Großkraftwerken, die durch Spitzenlastkraftwerke mit Gasturbinen ergänzt werden. Neben dem negativen Effekt auf die Umwelt ist dabei vor allem die Abhängigkeit von ausländischen Energielieferungen problematisch.

Effizienz durch Energiemanagement ist gefordert

Die Alternative ist seit über zwei Jahrzehnten im Ausbau. Bereits jetzt besteht der deutsche Strommix fast zur Hälfte aus erneuerbaren Energien. Doch sie haben einen klaren Nachteil: Die Abhängigkeit von äußeren Einflüssen. In den Sommermonaten gibt es eine hohe Sonneneinstrahlung und damit ein Überangebot an Strom. Nachts oder an windstillen Tagen dagegen sinkt ihr Anteil und andere Kraftwerke oder Importstrom müssen übernehmen. Windenergie entschärft das Szenario etwas, schafft aber auch keinen dauerhaften Ausgleich in einem Strommarkt, in dem in jeder Sekunde ein Ausgleich zwischen produzierter und verbrauchter Menge hergestellt werden muss.

Batteriespeicher werden auf absehbare Zeit keine ausreichende Lösung für dieses Problem darstellen. Auch die Wasserstoff-Infrastruktur wird in den nächsten 10 Jahren nicht ausreichend ausgebaut sein. Zudem gehen auf dem Weg von grünem Strom zu Wasserstoff und zurück zum Strom aktuell ca. 60 Prozent der eingesetzten Energie verloren.

Deshalb muss das Strommarktdesign neu gedacht werden. Die Energieinfrastruktur muss Spitzen nutzen und im Gegenzug „Dürreperioden“ überbrücken. Das gelingt nur mit einer Umkehrung des Marktmechanismus: Die Nachfrage muss sich, wo immer möglich, dem Angebot anpassen. Dies wird nur mit monetären Anreizen gelingen. Bei den größten Verbrauchern des Landes ist dies bereits heute der Fall. Sie erreichen Kosteneffizienz durch Energiemanagement, indem schwankende Börsenpreise ausgenutzt werden. Kleinere Unternehmen und private Verbraucher haben diese Möglichkeit heute noch nicht, jedoch kommen die ersten Stromanbieter auf den deutschen Markt, die eben dies auch für Endverbraucher und Gewerbe ermöglichen.

Strombroker verbessern die Auslastung und senken Kosten

Es gibt auf dem Markt inzwischen Strombroker, die für Unternehmen die an den Strombörsen teils stark schwankenden Energiepreise ausnutzen. Im Day-Ahead- und Intraday-Handel vermittelt ein Algorithmus den Kunden innerhalb von Sekunden Strom zum jeweils günstigsten Preis. Besonders gut eignet sich dieses Energiemanagement für steuerbare Lasten in der Industrie. Fertiger oder Firmen der Prozessindustrie können damit ihre Anlagen bei günstigen Preisen automatisiert hochregeln und wieder zurück, wenn die Strompreise anziehen.

Darüber hinaus kann bei kurzfristigen Knappheiten und damit hohen Preisen das Unternehmen nicht benötigte Stromkapazitäten abgeben. Ein Beispiel: Die Kundenaufträge lassen es zu, auch mit halber Geschwindigkeit zu produzieren. Dadurch ist es möglich, den bereits gebuchten Strom über den Broker zum aktuellen Marktpreis zu verkaufen und damit die eigenen Kosten stärker zu senken.

Voraussetzung dafür sind natürlich entsprechend geeignete IT-Systeme. Auf der einen Seite müssen Softwarelösungen Angebot und Nachfrage von Strom zwischen den Strombörsen und den Verbrauchern ausgleichen. Auf der anderen Seite müssen die operativen Systeme (ERP, MES, SPS) der Unternehmen in der Lage sein, den Produktionsbetrieb so zu steuern, dass die Kundenaufträge trotz schwankender Kapazitäten zeitgenau beendet werden.

Virtuelle Cloud-Kraftwerke gleichen Lücken aus

Hier kommt die Cloud ins Spiel. Strombroker nutzen eigene Cloud-Plattformen, die Energiekapazitäten zwischen Börsen und Verbrauchern vermitteln. Die Möglichkeit, die Preisdifferenz zwischen Hochlast- und Niedriglastphasen auszunutzen, ist besonders interessant für Anwender mit einer Möglichkeit zur Stromspeicherung oder flexiblen Verbrauchssteuerung.

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Die Cloud bringt also nicht nur Angebot und Nachfrage zusammen, sie fasst auch viele dezentrale Erzeuger und/oder Verbraucher zu virtuellen Kraftwerken oder negativen Kraftwerken zusammen und steuert deren Produktion bzw. Verbrauch. Diese Möglichkeit ist ein wichtiges Element in einem Stromnetz, in dem die Stromerzeugung und -speicherung sich auf kleinere Einheiten verteilt. Dank seiner Flexibilität reagiert es schneller auf Veränderungen im Strombedarf und kann Lücken ausgleichen.

In Teilen geschieht dies auf Seiten der Versorger bereits heute, wenn beispielsweise Anlagen für Solar- oder Windenergie auf- oder abgeschaltet werden, um den Strombedarf zu decken oder Überschüsse zu vermeiden. Die Abschaltung von sauberen Erzeugern in einem System, welches noch nicht ausreichende Mengen an grünem Strom herstellt, ist jedoch hochgradig ineffizient und kann besser durch virtuelle negative Kraftwerke gelöst werden. Ein virtuelles Kraftwerk erfüllt also gleich mehrere Funktionen: Es optimiert Preise für Anbieter und Nachfrager und stabilisiert gleichzeitig das Stromnetz.

Die Industrie in Deutschland muss schnell umdenken

Strombroker und virtuelle Kraftwerke sind Services, die mit Cloud-Computing eine dezentrale und resiliente Energieinfrastruktur in Deutschland unterstützen können. Doch vor allem die produzierende Industrie in Deutschland muss hier umdenken und durch den gezielten Einsatz und die angebotsgetriebene Nutzung von Energie zu einer reibungslosen Versorgung beitragen.

Es ist zu erwarten, dass schwankende Strompreise mit weiterem Zubau von erneuerbaren Energien überproportional wachsen. Schon heute gibt es bei starkem Wind und bei wolkenfreiem Sommerhimmel ein Überangebot und damit negative Strompreise an den Börsen. Der weitere Zubau erhöht die Energiemengen in den Zeiten, in denen ohnehin schon ausreichend Strom zur Verfügung steht, eine Verdoppelung der Photovoltaik-Leistung wird aber trotzdem nachts keinen Ertrag bringen.

Somit ist damit zu rechnen, dass der Durchschnittspreis am Markt in den nächsten Jahren steigen wird. Verbraucher werden alleine über die Entwicklung des Marktpreises gezwungen sein sich auf diese Situation einzustellen und die Energienutzung zu flexibilisieren. Eine Flexibilisierung des Energieverbrauchs ist nicht von heute auf Morgen zu schaffen. Unternehmen sei deshalb dringend angeraten, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.


* Der Autor Karsten Kümmerlein ist Head of GoToMarket bei Skaylink.

Bildquelle: Skaylink

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