Netzpolitik und Cybersicherheit Die Vision der EU von einem sicheren Cyberraum
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Scheinbar gibt es immer neue Richtlinien und Verordnungen, mit denen die EU den Cyberraum sicherer und datenschutzfreundlicher machen will. Die Vielzahl der rechtlichen Instrumente lässt sich besser verstehen, wenn man die grundlegende Vision und Strategie der EU zur Cybersicherheit kennt. Wir geben einen Überblick zur Orientierung in der Cyber-Strategie der EU.

Ob es um Cloud Computing oder Künstliche Intelligenz (KI) geht, viele Unternehmen zögern mit dem Einsatz, da sie nicht genau wissen, auf was sie bei der Datensicherheit und dem Datenschutz zu achten haben. Nicht, dass es nicht so wäre, dass es kaum Richtlinien und Verordnungen der EU geben würde, die sich mit den Fragen der Privatsphäre und der Sicherheit im Cyberraum befassen, ganz im Gegenteil.
Fast könnte man sagen, die beklagte Rechtsunsicherheit liege nicht an zu wenig rechtlichen Vorgaben, sondern an der großen Vielzahl an Verordnungen und Richtlinien, die die EU diskutiert, bearbeitet, verabschiedet und in Kraft setzt.
Viele Unternehmen wünschen sich deshalb Orientierung, im Bereich Datenschutz zum Beispiel von den Datenschutzaufsichtsbehörden. Mit Blick auf die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) sagen inzwischen mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Unternehmen, dass Rechtsunsicherheit die größte Herausforderung sei, vor zwei Jahren waren es erst 68 Prozent, so der Digitalverband Bitkom. Zu viele Änderungen bzw. Anpassungen bei den Vorgaben beklagen 74 Prozent, nach 59 Prozent 2019. Die uneinheitliche Auslegung innerhalb der EU behindert 52 Prozent. Zudem kritisieren zwei Drittel (66 Prozent) mangelnde Umsetzungshilfen durch die Datenschutzaufsicht, vor zwei Jahren lag der Anteil bei 53 Prozent.
Für die notwendige Orientierung im Bereich Cybersicherheit kann es zum Beispiel helfen, sich die Vision und Strategie der EU in diesem Bereich einmal genauer anzusehen. Dann werden die Verbindungen zwischen all den Verordnungen und Richtlinien klarer.
So sieht die EU den Cyberraum
Zuerst sollte man verstehen, wie die EU den Cyberraum insgesamt sieht: Der Cyberspace ist zu einer Arena für geopolitischen Wettbewerb geworden, und daher muss die EU in der Lage sein, schnell und energisch auf Cyberangriffe wie staatlich geförderte böswillige Cyberaktivitäten, die auf die EU und ihre Mitgliedstaaten abzielen, zu reagieren und alle ihre Instrumente voll auszuschöpfen, so der Rat der Europäischen Union. Feindselige Akteure müssten sich darüber im Klaren sein, dass Cyberangriffe auf Mitgliedstaaten und EU-Institutionen frühzeitig erkannt, umgehend identifiziert und mit allen erforderlichen Instrumenten und Maßnahmen begegnet werden.
Zudem hebt der Rat unter anderem diese Funktionen der EU im Cyberbereich hervor: Stärkung der Widerstandsfähigkeit und der Schutzkapazitäten, Stärkung der Solidarität und umfassendes Krisenmanagement, Verbesserung der Zusammenarbeit mit Partnerländern und internationalen Organisationen, um Cyber-Angriffe zu verhindern, abzuwehren und darauf zu reagieren.
Der Rat fordert unter anderem die EU-Kommission auf, gemeinsame EU-Cybersicherheitsanforderungen für vernetzte Geräte und damit verbundene Prozesse und Dienste vorzuschlagen, und lädt die zuständigen Behörden wie die EU-Agentur für Cybersicherheit (ENISA) ein, Empfehlungen zu formulieren, um die Widerstandsfähigkeit von Kommunikationsnetzen zu stärken, und betont, wie wichtig es ist, regelmäßige Cyber-Übungen einzurichten, um die interne und externe Reaktion der EU auf groß angelegte Cyber-Vorfälle zu testen und weiterzuentwickeln.
Cybersicherheit als Teil des Strategic Compass
Die EU-Vorgaben zur Cybersicherheit sollte man zudem auch immer in Verbindung mit den Security- und Defense-Forderungen insgesamt sehen. So hat der Rat den sogenannten Strategischen Kompass formell gebilligt, zu einem Zeitpunkt, in dem die Rückkehr des Krieges in Europa erlebt wird, so der Rat der EU.
Der Kompass gibt der Europäischen Union einen ehrgeizigen Aktionsplan zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU bis 2030 an die Hand. Das feindseligere Sicherheitsumfeld erfordere einen Quantensprung nach vorne und die Steigerung der Handlungsfähigkeit und -bereitschaft, die Stärkung der Resilienz sowie mehr und bessere Investitionen in die Verteidigungsfähigkeiten der EU.
Ziel des Strategischen Kompasses sei es, die EU zu einem stärkeren und leistungsfähigeren Sicherheitsanbieter zu machen. Die EU müsse in der Lage sein, ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen und zu Weltfrieden und -sicherheit beizutragen.
In dem Strategischen Kompass finden sich auch explizite Aussagen zur Cybersicherheit. Um ihre Fähigkeit zu stärken, aktuelle und schnell aufkommende Bedrohungen und Herausforderungen zu antizipieren, abzuwehren und darauf zu reagieren und die Sicherheitsinteressen der EU zu wahren, will demnach die EU die Cyber Diplomatic Toolbox weiterentwickeln und eine EU-Cyberverteidigungspolitik einrichten, um besser vorbereitet zu sein und besser auf Cyberangriffe reagieren zu können.
Die Cyber Diplomacy Toolbox soll eine Möglichkeit bieten, die Reaktion der EU-Mitgliedstaaten auf böswillige Cyber-Aktivitäten auf EU-Ebene zu koordinieren.
Die EU wird zudem den Mitgliedstaaten zusätzliche Anreize dafür bieten, sich an der gemeinsamen Entwicklung von Fähigkeiten zu beteiligen und gemeinsam in strategische Enabler und Fähigkeiten der nächsten Generation für Operationen an Land, auf See, in der Luft, im Cyberraum und im Weltraum zu investieren.
Cybersicherheit soll und wird deutlich gestärkt werden
Der Cyberraum ist neben den herkömmlichen Domänen See, Land, Luft und Weltraum zur fünften Domäne der Kriegsführung geworden, so das Europäische Parlament. Mit der Digitalisierung und der stärkeren technologischen Vernetzung der Gesellschaften nehme die Gefährdung durch Cyberangriffe zu.
Der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (AFET) des Europäischen Parlaments betonte bereits im Juli 2021, dass die Cyberabwehrfähigkeiten gestärkt werden müssen, und hatte darauf hingewiesen, dass dies eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen allen einschlägigen Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU sowie mit der NATO erfordern werde.
In dem Bericht des Ausschusses werden die Anstrengungen der Europäischen Verteidigungsagentur in diesem Bereich begrüßt, und es wird darauf hingewiesen, dass die Initiativen der EU zur Entwicklung von Abwehrfähigkeiten dazu beitragen können, die Abwehrbereitschaft, die Krisenreaktion und die Zusammenarbeit im Cyberbereich zu verbessern.
Wenn also in Verordnungen und Richtlinien (wie NIS-2-Richtlinie, die aktualisierte Richtlinie zum besseren Schutz von Netz- und Informationssystemen und die „Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen“ (CER)) die Forderungen nach Cybersicherheit und Resilienz verschärft werden, sollte dies auf dem Hintergrund dieser EU-Strategie für einen sicheren Cyberraum verstanden werden.
Es gibt keinen Zweifel, dass es in der Cybersicherheit der EU eine weitere deutliche Verstärkung geben wird, eine Entwicklung, die auch in der Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Cybersecurity beitragen wird und muss. Der Cyberraum wird als ein Ort des geopolitischen Wettbewerbs und der Kriegsführung gesehen, entsprechend muss man auch hier mit Aufrüstung und einer strengen Regulierung rechnen.
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