Von Moodle bis „KOLIBRI“ Der steinige Weg zur Schul-Cloud für alle

Von Dr. Stefan Riedl |

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Software-Hersteller widmen sich dem Thema Schul-Cloud ebenso, wie einzelne Bundesländer sowie der Bund und auch die Open-Source-Gemeinde. Doch Markt und Föderalismus knirschen laut bei der Suche nach dem besten System.

Die Cloud kann wertvolle Dienste bei der Organisation des Unterrichts leisten.
Die Cloud kann wertvolle Dienste bei der Organisation des Unterrichts leisten.
(Bild: allvision - stock.adobe.com)

Pi mal Daumen gibt es in Deutschland rund eine Million Klassenzimmer in 35.000 Schulen, die mit IT und der entsprechenden Software versorgt werden müssen. In Zeiten fortschreitender Digitalisierung spielen cloud-basierte Lösungen hier eine große Rolle. Wenngleich die Sonderkonjunktur in diesem Umfeld, die aufgrund Corona, Homeschooling und der Fördergelder durch den Digitalpakt zu verzeichnen war, abebbt, führt an der „Schul-Cloud“ kein Weg mehr vorbei.

Doch der Markt ist fragmentiert. Wer „Schul-Cloud“ googelt und sich am ersten Treffer orientiert, landet bei der „schul.cloud“, der „kollaborativen WhatsApp-Alternative für Schulen“ der Firma Stashcat. Diese gehörte bis 2021 zu Heinekingmedia, das zur Madsack-­Mediengruppe gehört und dann an Secunet Security Networks verkauft wurde. Der Bildungs-­Ableger schul.cloud wird weiter von Heinekingmedia vertrieben.

Das Angebot, das während des Homeschoolings ­Videokonferenzen ermöglichte, erfüllt wichtige Kriterien aus diesem Umfeld, beispielsweise Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und ist datenschutzkonform nach DSGVO. Die „schul.cloud“ läuft auch ohne Einbeziehung von privaten Handynummern der Schüler und ­Eltern und ermöglicht BYOD (Bring your own ­Device), läuft also endgeräteunabhängig. Eine ­Dateiablage ermöglicht den dokumentenbezogenen Austausch zwischen Lehrkraft und Schülern. Alles in allem hat sich das System wohl dort, wo es eingesetzt wird, auch ganz gut bewährt.

Open Source und kommerzielle Lösungen

An Moodle reicht der Funktionsumfang in Hinblick auf die kollaborativen Möglichkeiten aber nicht heran. Die Open-Source-Lösung, die auch als Cloud-Angebot gehostet oder gemietet werden kann, ist auf tiefergehenden Umgang mit Lehrmaterial und gemeinsamen Arbeiten ausgelegt. Moodle ist im Hochschulsegment entstanden und vor allem dort sehr beliebt.

Neben „schul.cloud“ und Moodle gibt es viele weitere Angebote aus dem privaten sowie staatlich-initiierten Umfeld, die ihre Vor- und Nachteile haben – teilweise gravierende Schwächen. So darf beispielsweise die Microsoft-Software Teams wegen Bedenken beim Datenschutz in Schulen in Rheinland-Pfalz ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr für Videokonferenzen verwendet werden.

Schul-Cloud des Bundes: die langfristige Lösung mit Perspektive

Im Klassenzimmer, von zuhause oder von unterwegs: Schüler und Lehrer sollen mit der Schul-Cloud des Bundes orts- und zeitunabhängig auf digitale Lehr- und Lernangebote zugreifen können. Ermöglichen soll das eine Lösung, die vom Hasso-Plattner-Institut und dem Verein MINT-EC ent­wickelt und erprobt wird. Das Bundesbildungsministerium fördert das Projekt als organisatorische Klammer. Ziel ist es, mit der Schul-Cloud ein Referenzmodell zu entwickeln, das im ganzen Land ­genutzt werden kann. Seitens der Technik steht dem bundesweiten Roll-out inzwischen nichts im Wege, heißt es aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

„Perspektivisch spielt die Schul-Cloud eine wichtige Rolle als pädagogische Infrastruktur auch im Kontext des DigitalPakts Schule“, so der Bund, der damit seinen Einfluss trotz der Länderzuständigkeit in Sachen Bildung, geltend macht. Vorschreiben darf der Bund letztlich keine Lösung.

Wo stehen die Rechenzentren?

Datenschutz-Bedenken sind es auch, die das ­Geschäft in Sachen Schul-Cloud in Hinblick auf die Angebote der Hyperscaler bremsen. So wirbt AWS mit einer „flexiblen Cloud-­Infrastruktur“ für die „Grund- und Sekundar­bildung“, während Microsoft auf bestehende Applikationen wie Teams setzt.

Doch selbst wenn diese, aus dem US-amerikanischen Markt stammenden Akteure ihre Rechenzentren in Deutschland betreiben, gibt es stets zweifelnde Stimmen, die sich, wie im Falle von Rheinland-Pfalz und Teams, auch durchsetzen können. Dort bietet man nun mit dem „Schul­campus RLP“ ein „Eigengewächs“ auf Bundeslandebene an. Es fügt sich ein, in einen Flickenteppich an Länder-Plattformen wie beispielsweise „Logineo“, „Lehrraum Berlin“, „Lernsax“ und „Mebis“.

Einheitliches Konzept erwünscht

Aus dem Kreis der Lehrkräfte und Schulleiter wurden in den vergangenen Monaten jene ­Stimmen lauter, die klare Vorgaben fordern. Sie wollen weg von der eigenverantwortlich organisierten Schul-Cloud-Lösung, hin zu einem klaren, von verantwortlicher, übergeordneter Stelle abgesegneten Konzept.

Die Bestrebungen der Bundesländer überzeugen dabei nicht durchgehend. Dass es schwer ist, ein bundesweites Gesamtkonzept zu etablieren, liegt allerdings am Grundgesetz. Denn eigentlich müsste man nur einmal Geld für eine Evaluation der bestehenden Angeboten in die Hand nehmen und die Sieger dann bundesweit auszurollen?

Bildung ist Ländersache

Es hat auch Vorteile, wenn mehrere Cloud-Systeme miteinander konkurrieren.
Es hat auch Vorteile, wenn mehrere Cloud-Systeme miteinander konkurrieren.
(Bild: vectortatu - stock.adobe.com)

Im Grundgesetz wird festgelegt, dass Deutschland ein Bundesstaat ist, bei dem sowohl der Gesamtstaat („Bund“) als auch die sechzehn Bundesländer eigene Staatsqualität haben. Es wird zudem geregelt, welche Ebene für bestimmte Themen zuständig ist. Man kann diese Aufteilung gut finden, oder schlecht, aber Bildung ist Ländersache und so wurden die gesamte Corona-Zeit hindurch viele kleine Süppchen in Sachen Schul-Cloud gekocht, die alle nicht ausgegoren waren.

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Doch nun scheint sich ein Projekt des Bundes durchzusetzen (siehe Kasten). „Mit der vom Bundesbildungsministerium geförderten Schul-Cloud können Schüler sowie Lehrende digitale Lehr- und Lernangebote schul- und fächerübergreifend abrufen – jederzeit und von jedem Ort“, wird dafür auf den Webseiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geworben.

Organisatorische Klammer

Das BMBF hat zudem ein Konsortium unter der Leitung des IT-Unternehmens Bechtle beauftragt, eine technische Infrastruktur für eine nationale Bildungsplattform zu realisieren: KOLIBRI. Das steht für „Kommunikation, Open Source, lebenslanges Lernen in Bildungseinrichtungen durch rechtssichere Integration“ und soll verschiedene Lösungen in der nationalen Bildungslandschaft zentral bündeln. Der Zugang erfolgt dann über ­einen einzigen Login-Vorgang. Schüler und Lehrer sollen hier ihre gesamte Bildungslaufbahn ­organisieren können, von Zugängen zu Online-­Lehrangeboten über Praktikums-, Schul- und Studienunterlagen bis hin zu Bewerbungen und Fortbildungen ebenso wie BAföG-Anträge, Leistungen der Agentur für Arbeit oder Auslandssemesternachweise.

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