Stunden puzzeln Worauf es bei der Projektzeiterfassung ankommt
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Kaum den Rechner gestartet, schon sind acht Stunden vorbei: So kann ein Arbeitstag schnell mal ablaufen. Und wissen Sie ganz genau, womit Sie diese Arbeitszeit gefüllt haben?

In einigen Branchen und Unternehmen wird mittels Projektzeiterfassung akribisch Buch geführt, wer wie viele Stunden für welche Aufgaben aufwendet. Ist das die totale Überwachung oder schützt es Beschäftigte davor, mit Arbeit überhäuft zu werden? Sechs Antworten auf wichtige Fragen.
Was versteht man unter projektbezogener Arbeitszeiterfassung?
Einfach ausgedrückt geht es für Unternehmen darum, Teilarbeit oder bestimmte Projekte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erfassen. Das dient im Grunde dem Controlling.
„Sie überprüfen damit nicht, ob ein Arbeitsvertrag erfüllt und die Arbeitszeiten darin eingehalten werden“, sagt Prof. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Das müssen Unternehmen laut Gesetz ohnehin. Die freiwillige Projektzeiterfassung soll für Unternehmen darüber hinaus deutlich machen, wie viel Arbeitszeit für welche Projekte oder Tätigkeiten aufgewendet werden.
Laut Jürgen Fleig, Betreiber des Portals „business-wissen.de“, geht es immer um den Einsatz von Personal. Besonders wichtig ist Projektzeiterfassung deshalb etwa bei Beratungs- oder Entwicklungsprojekten. Da spielen die Personalkosten eine große Rolle. Bei Routinetätigkeiten und immer gleichen Abläufen sei es dagegen nicht notwendig, im Detail zu erfassen, wofür die Arbeitszeit verwendet wird.
Warum führen Unternehmen die Projektzeiterfassung ein?
„Wenn Projekte geplant oder Kundenaufträge kalkuliert werden, ist vorab nicht immer genau bekannt, wie hoch der Aufwand anschließend tatsächlich ist“, sagt Fleig. Unternehmen wollen also mithilfe der Projektzeiterfassung erkennen, ob ihre Planungen bei der tatsächlichen Umsetzung aufgehen. Werde falsch geplant, könne das für Unternehmen nämlich teuer werden – etwa, weil Projektbudgets zu knapp berechnet wurden.
Neben der internen Steuerung von laufenden und der Planung von künftigen Projekten, kann die Abrechnung nach außen eine Rolle spielen, sagt Prof. Weber. Zum Beispiel, wenn Unternehmen gegenüber Auftraggebern darlegen müssen, wie viele Arbeitsstunden für ein Projekt aufgewendet wurden.
Was haben die Beschäftigten davon?
Die Projektzeiterfassung verhindert Jürgen Fleig zufolge, dass Projekte und Kundenaufträge zum „Blindflug“ werden, weil keine Informationen zur eingesetzten Arbeitszeit vorhanden sind. Beschäftigte können mithilfe des Systems dokumentieren und belegen, was sie geleistet und wie lange sie dafür gebraucht haben. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten zur Frage, wer wie viel leistet, kann Dokumentation dem Managementexperten zufolge, eine gute Grundlage für sachliche Bewertungen sein.
Auch Enzo Weber zufolge hat das Konzept Positives. So verhindere eine gute Projektzeiterfassung etwa, dass Beschäftigten „kurzfristig Projekte aufs Auge gedrückt werden“, für die sie eigentlich gar keine Zeit haben. Beschäftigte müssen ihrer Führungskraft auch nicht erst glaubhaft machen, dass sie keine Kapazitäten haben. „Es liegen alle Fakten da.“
Und: „Ein Stück weit bekommen Beschäftigte eine bessere Kontrolle über ihren eigenen Aufwand“, so der Wirtschaftswissenschaftler. Schließlich sehen sie so, wie lange sie für welche Aufgaben brauchen.
Wo gibt es Nachteile für Beschäftigte?
„Erstmal haben Beschäftigte natürlich mehr Aufwand“, sagt Weber. Die exakte Dokumentation der Stunden kann Zeit fressen. Darüber hinaus ermöglicht die tätigkeitsbezogene Erfassung von Arbeitszeiten auch Überwachung durch die Führungskraft oder Vorgesetzte. „Wenn es so weit kommt, dass man als Beschäftigter ständig Rechenschaft ablegen muss, kann das unangenehm sein.“
Auch Jürgen Fleig weist darauf hin, dass Vorgesetzte über eine projektgenaue Stundenerfassung die Leistung der Mitarbeitenden kontrollieren und unter bestimmten Umständen miteinander vergleichen können. Das könne zu Konflikten im Team und mit Vorgesetzten führen.
In der Gesamtbetrachtung heißt das für Weber: „Die Nachteile der Projektzeiterfassung bekommen Sie auf jeden Fall, bei den Vorteilen hängt es davon ab, wie gut das System eingeführt ist.“
Was ist bei der Einführung wichtig?
Grundsätzlich ist die Erfassung von tätigkeitsbezogener Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig, das heißt: Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, darf der bei diesem Thema mitreden.
Weitere Faktoren spielen eine Rolle: „Die Grundanforderung ist: Sie brauchen ein halbwegs effizientes System“, sagt Weber. Haben Beschäftigte schon einen „Riesenaufwand“, ihre Stunden für verschiedene Aufgaben zu erfassen, werde es kaum Akzeptanz geben. Wichtig sei, dass eine tätigkeitsnahe und effiziente Erfassung möglich ist. Vorstellbar seien zum Beispiel gute Online-Lösungen.
Daneben hält Weber es für entscheidend, dass das System transparent ist, und mindestens jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin das eigene Konto sowie unter Umständen auch das des Teams einsehen kann. „Und Sie brauchen ein System mit einer guten Rückkopplung und Beteiligung“. Sprich: Diejenigen, die das System füttern, sollten auch diejenigen sein, die das System nutzen - und daraus etwa Erkenntnisse zur Planung neuer Projekte ableiten. Jürgen Fleig sagt, dass Projektzeiterfassung kein „Datenfriedhof“ werden dürfe. „Nach dem Motto: Es wird viel erfasst, aber nichts genutzt.“ Wichtig ist, dass alle verstehen, wie die Projektzeiten genutzt werden, um die Planung zu verbessern.
Wie lassen sich Konflikte zwischen Beschäftigten vermeiden?
Jürgen Fleig hält Datenschutz sowie Einschränkungen, um Leistungsvergleiche herzustellen, für wichtiger als totale Transparenz im System. Entsprechend sollten möglichst nur die Projektleitung und das Projekt-Controlling übergreifend wissen, wer wie viele Stunden für welche Projektaufgaben aufwendet und abrechnet. Fleig sieht aber auch, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Meinung darüber bilden, wer viel und wer wenig leistet, wer mehr und wer wenige Stunden für vergleichbare Tätigkeiten aufschreibt.
Die Dokumentation könne dazu beitragen, unberechtigte Einschätzungen zurechtzurücken. Zum Beispiel, indem die Projektleitung die Projektzeiterfassung als Grundlage nutzt, um Konflikte zu versachlichen.
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