Cloud-Migration für effizientere Energienutzung Den eigenen CO2-Fußabdruck erkennen und optimieren

Ein Gastbeitrag von Erik Dörnenburg*

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„Wenn das Internet ein Land wäre, würde es in der Rangliste der Stromverbraucher ungefähr den dritten Platz belegen, also direkt hinter China und den USA.“ Diese Aussage von Gary Cook, Spezialist für digitale Technologien bei Greenpeace, verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass wir den CO2-Ausstoß von Technologien erkennen und deren Energiesparpotenzial nutzen.

Stakeholder wie Kunden erwarten von Unternehmen zunehmend, dass sie die Umweltauswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen.
Stakeholder wie Kunden erwarten von Unternehmen zunehmend, dass sie die Umweltauswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen.
(Bild: Pcess609 - stock.adobe.com)

Auch von Unternehmen wird zunehmend erwartet, dass sie die Umweltauswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen. Die Verlagerung von Anwendungen in die Cloud bietet dabei das Potenzial einer effizienteren Energienutzung. Gleichzeitig birgt sie die Gefahr, dass die meisten Cloud-Anbieter die Energie- oder Kohlenstoffemissionen aus der Cloud-Nutzung gegenüber ihren Kunden gar nicht offenlegen Es stellt sich also die Frage: Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen, ihren CO2-Fußabdruck zu ermitteln, um ihn anschließend optimieren zu können?

Grüne Cloud – geht das überhaupt?

Die weltweiten Treibhausgasemissionen des Technologiesektors liegen mit etwa drei Prozent sogar etwas höher als die der Luftfahrtindustrie. Davon sind Rechenzentren für etwa ein Prozent der Treibhausgasemissionen und des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Die gute Nachricht ist: Eine von AWS beauftragte Studie kam zu dem Schluss, dass mit dem Wechsel in die Cloud ein Einsparpotenzial von fast 80 Prozent besteht. Microsoft geht in einer eigenen Studie von ökologischen Einsparpotenzialen von bis zu über 90 Prozent aus. Natürlich haben die Cloud Provider hier ein eigenes Interesse, das Einsparpotenzial möglichst rosig darzustellen, dennoch zeigt sich: Hier ist noch viel möglich.

Eine Migration der eigenen Dienste in die Cloud ist nicht nur eine gute geschäftliche Entscheidung, weil sich etwa die User Experience der Webseite verbessert und dadurch höhere Konversionen ermöglicht, sie ist vor allem auch ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Entscheidungen, die zu mehr Nachhaltigkeit führen, müssen also nicht zwangsläufig schlechte Geschäftsentscheidungen sein – ganz im Gegenteil.

Ein Unternehmen, das eindrücklich zeigt, wie das funktionieren kann, ist Etsy. Der Online-Marktplatz für den (Ver-)Kauf von handgemachten Produkten nutzt die öffentlichen Cloud-Infrastrukturen schon seit einigen Jahren und profitiert zunehmend davon. Durch die Migration ihrer Dienste in die Cloud, gelang es Etsy, seinen CO2-Fußabdruck durch eine von 1,39 auf 1,10 verbesserte Power Usage Effectiveness (PUE) zu verringern.

PUE ist ein Verhältnis der Gesamtenergiemenge, die ein Rechenzentrum verbraucht, zu der Energiemenge, die für die Stromversorgung von Computern aufgewendet wird. Es erfasst, wie effizient Faktoren wie das Gebäude selbst und die Klimatisierung im Rechenzentrum sind.
PUE ist ein Verhältnis der Gesamtenergiemenge, die ein Rechenzentrum verbraucht, zu der Energiemenge, die für die Stromversorgung von Computern aufgewendet wird. Es erfasst, wie effizient Faktoren wie das Gebäude selbst und die Klimatisierung im Rechenzentrum sind.
(Bild: Etsy (2020))

Ein entscheidendes Attribut hat dem E-Commerce-Unternehmen lange Zeit gefehlt: Es war nicht in der Lage, den Fortschritt bei der Reduzierung ihrer Energienutzung zu messen. Um diesen Mangel an Daten auszugleichen, hat Etsy eine Reihe von Umrechnungsfaktoren namens Cloud Jewels erstellt, die helfen, die Cloud-Nutzungsinformationen in den ungefähren Energieverbrauch umzurechnen. Für die Validität dieser Schätzungen gibt es zwar keine Garantie, sie helfen aber dabei, ein Bewusstsein für den Energieverbrauch zu entwickeln. Basierend auf aggregierten Daten geben sie zudem Aufschluss über die Nutzungsart und relative Veränderungen im Zeitverlauf.

Doch trotz steigender Energieeffizienz der Cloud wird ihr Energiebedarf noch über Jahre hinweg wachsen, denn es handelt sich um ein immer noch junges und boomendes Geschäft. Inzwischen setzen Bitkom Research zufolge 82 Prozent der Unternehmen auf Cloud-Anwendungen, jedes vierte Unternehmen verfolgt sogar eine Cloud-Only-Strategie. Genau wie Etsy migrieren immer mehr Firmen von ihren eigenen Rechenzentren hin zu den großen Cloud-Anbietern, wodurch ein großer Anteil der Kohlenstoffemissionen eingespart werden kann.

Code + Daten = Treibhausgasemissionen

Es mag trivial klingen, aber den Anfang einer grüneren Cloud stellt die Erkenntnis dar, dass Code und Daten in der Cloud eben Energie verbrauchen und damit für Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren IT genügt es nicht, sich darauf zu verlassen, dass die Cloud-Anbietenden schon genügend Anstrengungen unternehmen, um ihre Systeme energieeffizienter zu gestalten, oder sich für den Anbietenden zu entscheiden, der das größte Nachhaltigkeitsversprechen abgibt.

Es bedarf eines aktiven Eingreifens der Cloud-Nutzer, also der Unternehmen selbst. Und was die Cloud-Anbietenden ebenfalls nicht in der Hand haben, ist die Art und Weise, wie Unternehmen die Cloud nutzen und welche Einsparpotenziale sie trotz neuer technischer Möglichkeiten brachliegen lassen. Neben den entsprechenden Techniken und Modellen, braucht es also Tools, die transparent zeigen, wie viel Energie bestimmte Anwendungen brauchen, um die Kohlenstoffverantwortung in die Entscheidungsfindung der Organisationen einzubeziehen.

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Emissionen messen und sichtbar machen

Die Green-Cloud-Computing-Methodik (GCC-Methodik) des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration sowie des Berliner Öko-Instituts im Auftrag des Umweltbundesamts erfasst zum Beispiel den Umweltaufwand zur Herstellung von Informationstechnik und zum Betrieb von Rechenzentren in vier Wirkungskategorien: Rohstoffaufwand (ADP), Treibhausgasemissionen (GWP), Kumulierter Energieaufwand (CED) und Wasserverbrauch. Der Umweltaufwand lässt sich für einzelne Serviceeinheiten benennen. Es kann sich dabei um eine Stunde Nutzung, um einen einzelnen Kunden oder eine einheitliche Datenmenge handeln.

AWS, Google Cloud und Microsoft Azure bieten mittlerweile Tools an, die Cloud-Emissionen teils nach Regionen, Projekten, Zeiträumen sowie in der Cloud genutzten Dienstleistungen aufschlüsseln und Unternehmen Anhaltspunkte für Optimierungen geben.

Mit Cloud Carbon Footprint (CCF) gibt es ein Open-Source-Tool, um die geschätzten CO2-Emissionen basierend auf der Nutzung in AWS, GCP und Azure bereitzustellen und zu visualisieren. Dadurch können Schwerpunktbereiche im Unternehmen, die in Bezug auf Umwelt und Investitionen den größten Nutzen bringen, identifiziert werden. Der Vorteil hier: Als Open-Source-Tool bietet CCF Unternehmen die Möglichkeit, sich die Methodik und den Programmcode bis ins kleinste Detail anzuschauen und so die Emissionen selbst zu berechnen.

Cloud Carbon Footprint (CCF)

Das Open-Source-Tool verwendet Cloud-APIs, um die geschätzten Kohlenstoffemissionen auf der Grundlage der Nutzung von AWS, GCP und Azure zu visualisieren. Es wurde bereits erfolgreich bei mehreren Organisationen eingesetzt, darunter Energietechnologieunternehmen, Einzelhändler, Anbieter digitaler Dienstleistungen und Unternehmen, die KI einsetzen.
Die Anbieter von Cloud-Plattformen haben erkannt, dass es wichtig ist, ihren Kunden dabei zu helfen, die Auswirkungen der Nutzung ihrer Dienste auf den Kohlenstoffausstoß zu verstehen. Sie haben daher begonnen, selbst ähnliche Funktionen zu entwickeln.
Da CCF Cloud-unabhängig ist, können Nutzer den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen mehrerer Cloud-Anbieter an einem Ort einsehen und die CO2-Fußabdrücke in reale Auswirkungen wie Flüge oder gepflanzte Bäume umrechnen.
Es verwendet Heuristiken, die teilweise auf den Cloud Jewels von Etsy basieren, um den Energieverbrauch abzuschätzen, und öffentliche Datenquellen, um den Energieverbrauch in Emissionen umzuwandeln, basierend auf der Kohlenstoffintensität des zugrunde liegenden Energienetzes der Cloud-Region (GCP veröffentlicht diese Daten bereits).
Die Dashboards ermöglichen es den Organisationen, Setups zu ändern, um gleichzeitig Kosten und Emissionen zu senken. Die Verknüpfung von Wolkenregionen mit der Kohlenstoffintensität bietet einen Anstoß, schmutzige Arbeitslasten in Regionen mit grüneren Energiequellen zu verlagern.
In den letzten Versionen hat CCF damit begonnen, neben potenziellen Energie- und CO2-Einsparungen auch Optimierungsempfehlungen für Google Cloud und AWS einzubeziehen und weitere Cloud-Instanztypen wie GPU-Instanzen zu unterstützen. Angesichts der positiven Resonanz auf das Tool und dem kontinuierlichen Hinzufügen neuer Funktionen sind wir zuversichtlich, es in die Testphase zu überführen.

Mit den richtigen Tools zum Vorreiter werden

Stakeholder erwarten von Unternehmen zunehmend, dass sie die Umweltauswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen. Das spiegelt sich in zunehmenden Investitionen in Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) und den wachsenden Mitarbeiteraktivismus im Zusammenhang mit dem Klimawandel wider.

Die Migration in die Cloud bietet das Potenzial für eine effizientere Energienutzung – die Cloud-Anbieter haben eine viel größere Basis, um Investitionen in grüne Energiequellen und Forschung und Entwicklung zu rechtfertigen. Aber der Nachteil von Software-Abstraktionen für Cloud-Nutzende besteht darin, dass diese Abstraktionen auch die Energieauswirkungen verbergen, eigentliche Rechenzentren sind unsichtbar und werden von einem anderen Unternehmen finanziert.

Wie das Beispiel Etsy zeigt, können Unternehmen, die zukunftsgerichtet handeln, hier eine Vorreiterrolle einnehmen und zeigen, wie man mit den richtigen Tools den CO2-Ausstoß erkennen und optimieren kann. Nun liegt es an den Cloud-Anbietern transparenter zu werden, um die grüne Cloud endlich Wirklichkeit werden zu lassen.


* Der Autor Erik Dörnenburg ist Software Engineer und leidenschaftlicher Technologe. Als Head of Technology bei Thoughtworks hilft er Kunden, ihre geschäftlichen Herausforderungen mit modernen Technologien, Plattformen und Praktiken zu lösen. Auf seiner 25-jährigen Reise durch die Tech-Branche ist Erik einer Fülle neuer Technologien begegnet. Deshalb erarbeitete er mit Kolleginnen und Kollegen den Thoughtworks Technology Radar und Looking Glass Report, die sich mit eben diesen Themen befassen. Erik ist ein Verfechter von agilen Werten und Open-Source-Software. Er ist regelmäßiger Redner auf internationalen Konferenzen, hat an einigen Büchern mitgewirkt und unterhält mehrere Open-Source-Projekte.

Bildquelle: Thoughtworks Inc.

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