„Gesetz verstößt gegen europäische Grundrechte“ SpaceNet und eco klagen gegen Vorratsdatenspeicherung

Autor Elke Witmer-Goßner |

Die Vorratsdatenspeicherung ist und bleibt ein Politikum. Abgeordnete der Grünen und der SPD, die FDP, aber auch Rechtsanwälte und Journalisten haben bereits gegen das Bundesgesetz, das die Protokollierung elektronischer Nutzerspuren regelt, Verfassungsbeschwerde eingelegt.

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Das gesamte Konzept der deutschen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung muss dringend überprüft werden.
Das gesamte Konzept der deutschen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung muss dringend überprüft werden.
(Bild: Blende11.photo, Fotolia)

In die Reihe der Kläger reiht sich jetzt auch der Internetprovider SpaceNet ein. Das Münchener Unternehmen will gerichtlich feststellen lassen, dass es nicht verpflichtet ist, die Regelungen der neuen Vorratsdatenspeicherung zu befolgen. Ziel dieser Klage ist insbesondere, durch die Vorlage grundlegender Rechtsfragen eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, die in letzter Konsequenz nur der Europäische Gerichtshof (EuGH) treffen kann. Der Branchenverband der Internetwirtschaft, eco, unterstützt das Klagevorhaben SpaceNets.

Das Gesetz zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ist im Dezember vergangenen Jahres in Kraft getreten. Damit wurde eines der unpopulärsten netzpolitischen Vorhaben des letzten Jahres zwar formell abgeschlossen, viele rechtliche Fragen sind aber nach wie vor heftig umstritten. SpaceNet und eco sind überzeugt, dass die Vorratsdatenspeicherung sowohl die Berufsfreiheit als auch die unternehmerische Freiheit verletze: Denn neben der Verletzung von Bürgerrechten greife das Instrument auch in die grundrechtlich garantierten Freiheiten der Unternehmen ein.

Europäische Grundrechte wackeln

Der EuGH hat bereits 2014 die anlasslose Speicherung aller Kommunikationsdaten ohne Differenzierungen, Einschränkungen oder Ausnahmeregelungen als einen klaren Verstoß gegen europäische Grundrechte bewertet. „Es ist an der Zeit für eine neue Grundsatzentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung“, fordert Prof. Dr. Matthias Bäcker, Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Verfasser der Klageschrift. Denn unklar sei nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs bis heute, ob die anlasslose Datenspeicherung – wie sie nun das deutsche Recht vorsieht – durch strenge materielle und prozedurale Anforderungen an die Datenverwertung kompensiert werden könne. „Die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung wird sich jetzt sowohl am Grundgesetz als auch an den Unionsgrundrechten messen lassen müssen. Ich bin davon überzeugt, in der aktuellen Fassung widerspricht das Gesetz den Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens und informationelle Selbstbestimmung, außerdem ist es ein rechtswidriger Eingriff in die unternehmerische Freiheit und Berufsfreiheit der betroffenen Internetprovider", sagt Bäcker.

Das EuGH-Urteil von 2014 stellt zudem hohe Anforderungen an den Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Diesen Schutz sieht Sebastian von Bomhard, Vorstand der SpaceNet AG, durch die deutschen Regeln nach wie vor nicht gewährleistet: „Das Gesetz verpflichtet uns, alle Verbindungsdaten unserer Kunden vorzuhalten und Polizei, Staatsanwaltschaft oder Verfassungsschutz darüber Auskunft zu geben. Das ist ein Vertrauensbruch, zu dem wir genötigt werden sollen. Dabei ist es auch egal, ob es sich um Seelsorger, Journalisten, Rechtsanwälte oder Mediziner handelt – es beschädigt in jedem Fall unsere Geschäfts- und Kundenbeziehungen.“

Mehrkosten ohne Nutzen

SpaceNet-Vorstand Sebastian von Bomhard bezweifelt, dass die anlasslose Datenspeicherung mit EU-Recht kompatibel ist.
SpaceNet-Vorstand Sebastian von Bomhard bezweifelt, dass die anlasslose Datenspeicherung mit EU-Recht kompatibel ist.
(Bild: SpaceNet)

Darüber hinaus erwarten die Kläger, dass immense Investitionen für die Internetprovider nötig werden, um überhaupt die technischen Voraussetzungen für die umfassende Datenspeicherung zu schaffen. Eine Ungerechtigkeit, wie von Bomhard feststellt: „Viele dieser Kosten sind nicht linear, treffen also kleinere Anbieter relativ stärker als große, was einen völlig unnötigen Eingriff in den Markt darstellt.“ Zudem stünden die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen der Vorratsdatenspeicherung. Zum einen ändere sich die Aufklärungsquote kaum, zum anderen wurden die Daten bisher auch hauptsächlich für die Aufklärung von Diebstahl- und Betrugsdelikten verwendet.

Dem pflichtet auch Oliver Süme, eco-Vorstand Politik & Recht, bei: „Die Bundesregierung hat mit der Vorratsdatenspeicherung ein Gesetz erlassen, das viele Verlierer hervorbringen wird, ohne das damit ein Mehrwert für Sicherheit und Verbrechensbekämpfung verbunden ist.“ Die betroffenen Unternehmen würden voraussichtlich auf Kosten von geschätzt 600 Millionen Euro sitzen bleiben, die sie für die Einrichtung entsprechender Speicherinfrastruktur investieren werden müssen. „Das ist eine netzpolitische Fehlentscheidung, vor der eco in der Vergangenheit immer wieder gewarnt hat und die vermeidbar gewesen wäre, wenn sich die Bundesregierung sorgfältiger mit den Einwänden der Wirtschaft auseinandergesetzt hätte.“ Deshalb, so Süme, sei es für den Verband der Internetwirtschaft ein besonderes Anliegen, die Klage der SpaceNet AG mit allen Kräften zu unterstützen.

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