Aufgedeckt: High-Tech beim Segeln Beim America‘s Cup steht die Elektronik am Ruder
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Einen Blick ins normalerweise versteckte Innenleben technischer Geräte und Apparaturen wirft ELEKTRONIKPRAXIS, die Schwesterredaktion der Insider-Portale, in der Rubrik „Aufgedeckt“. Dieses Mal: Die mit Elektronik vollgestopften Yachten der Baureihe AC72, die beim diesjährigen America‘s Cup am Start sind.

Mit klassischen Segelbooten haben die AC72-Yachten, die noch bis zum 21. September vor San Francisco um den Sieg im America‘s Cup kämpfen, kaum noch etwas gemein: Die Carbonfaser-Katamarane werden von einer halbstarren vertikalen Tragfläche als Segel auf bis zu 45 Knoten (ca. 83 km/h) beschleunigt – schneller als der Wind, der sie antreibt. Beherrschbar sind die Boote, die nur noch mit winzigen Flügelchen im Wasser eintauchen, dabei nur durch massiven Elektronik-Einsatz, wie ein genauerer Blick zeigt.
Nur vier Teams beteiligen sich an dem prestigeträchtigen Rennen in der Bucht von San Francisco: Kein Wunder, die 22 Meter langen und 40 Meter hohen, aber nur 6 Tonnen leichten AC72-Yachten aus Kohlefaser und Titan kosten acht Millionen US-$ pro Stück. Die Szenerie bestimmen aber nur zwei Boote: Das von Team New Zealand, das bereits acht Rennen gewonnen hat und nur noch zwei Siege braucht, um den America‘s Cup zu holen. Und das Team Oracle, das eine erbitterte Aufholjagd führt, aber bislang nur zweimal als erstes durchs Ziel ging.
Die wohl größte Besonderheit der AC72-Yachten ist das Hauptsegel – wobei dieser Begriff eigentlich unzutreffend ist, da es sich dabei nicht um ein Stück Stoff handelt, sondern um eine Art Flugzeugtragfläche, bestehend aus einem vorderen starren Teil, der den Mast integriert und mehreren kleineren, beweglichen hinteren Teilen. In das Segel und alle anderen Elemente des Schiffs integriert sind insgesamt mehr als 300 Sensoren, die die mechanischen Lasten auf diesen Teilen erfassen und etwa zehnmal pro Sekunde messen.
High-Speed-Netzwerk
Über Lichtleiterkabel gehen die Messwerte zumindest bei der Yacht des Teams Oracle an einen wasserdicht abgeschotteten Linux-Server in einem der beiden Katamaranrümpfe. Die Daten werden in Echtzeit analysiert und aufbereitet. Wichtige Informationen – etwa wann genau eine Wende einzuleiten ist – werden in Form einer Java-App aufbereitet und über einen 802.11n-WLAN-Accesspoint an mobile Android-Geräte verteilt, die die elfköpfige Crew an ihren Unterarmen trägt.
Die drahtlose Bereitstellung der Informationen ist nicht so trivial, wie es scheint. Da das gesamte Boot aus leitfähigem Kohlefaser-Verbundwerkstoff besteht, was die Funkwellen stört, musste vom Hersteller des Access Points, Ruckus Wireless, eine spezielle Antennenanlage konstruiert werden, die ein stärkeres Signal und weniger Interferenzen bereitstellt. "Wir steuern das Boot quasi mit Zahlen, deswegen ist es wichtig, alle Informationen so schnell und präzise wie möglich zu verbreiten", so Gilberto Nobili, der Entwickler der Anwendung. Wesentliche Performance-Indikatoren werden zusätzlich auf einem Großdisplay auf der Wing-Sail angezeigt.
Von besonderer Bedeutung beim Segeln ist die Kommunikation der Crew-Mitglieder untereinander: Keine einfache Aufgabe, wenn der Wind mit 40 oder 50 Knoten pfeift und Wellen über das nur aus einer Art Trampolin bestehenden Deck peitschen. Zum Einsatz kommen daher Funk-Headsets, die über Noise-Cancelling-Technologie verfügen. Dabei wird der Lärm an Deck von einem integrierten Miniaturmikrofon aufgenommen und gegenphasig dem Nutzsignal zugemischt, um die Nebengeräusche zu unterdrücken. Um maximale Verständlichkeit der Übertragung zu gewährleisten, verfügt jedes Headset über individuell angefertigte Ohrstöpsel, modelliert nach einem Abdruck des Gehörgangs des Trägers.
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