Positive Konjunkturaussichten für 2022 Corona-Pandemie gibt der Digitalisierung weiter Schwung
Es gehe weiter aufwärts in der ITK-Branche, aber ein Grund zum Jubeln sei das trotzdem nicht, bewertet Bitkom-Präsident Achim Berg die Ergebnisse des jüngsten Konjunkturausblicks auf das kommende Jahr.
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Der Branchenverband erwartet auch 2022 ein „starkes Jahr“. Die Digitalwirtschaft wird demnach wieder deutlich über der Gesamtwirtschaft liegen und fast wieder Vor-Corona-Niveau erreichen – womit sich auch bestätigt, dass sich die Pandemie als „Digitalisierungstreiber“ erwiesen hat. Der deutsche Markt für IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik soll Bitkom-Berechnungen zufolge in diesem Jahr um 3,6 Prozent auf 184,9 Milliarden Euro wachsen. Das Geschäftsklima bewegt sich auf einem ähnlich hohen Niveau wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020.
Von solch einem stabilen Wachstum kann die Gesamtindustrie nur träumen. Der Bitkom-ifo-Digitalindex lag im Dezember 2021 bei 24,0 Punkten und notierte damit um 17 Punkte höher als das Geschäftsklima der Gesamtwirtschaft. Insofern blickt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) allenfalls mit verhaltener Zuversicht auf die wirtschaftliche Erholung der Industrie. Damit könne ein weiteres Stop-and-Go-Jahr drohen, befürchtet BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Die Auftragsbücher seien zwar voll, fehlende Mikrochips, Bauteile und Rohstoffe würden die Produktion aber noch längere Zeit beeinträchtigen.
In der Bitkom-Branche legen Umsatz und Beschäftigung 2022 trotz der Herausforderungen von Pandemie, Lieferengpässen, Inflation und Fachkräftemangel weiter zu. „Ob Klima, Pandemie oder Standortwettbewerb – Digitalisierung ist die Antwort und ein entscheidender Teil der Lösung der Krisen und Herausforderungen unserer Zeit. Wirtschaft, Staat und große Teile der Gesellschaft wollen die Digitalisierung beschleunigen und investieren in digitale Infrastrukturen, Geräte, Software und Services“, kommentiert Bitkom-Präsident Berg.
ITK-Umsätze steigen weiter
Bereits 2021 stieg der Umsatz auf dem ITK-Markt deutlich. Das Volumen wuchs um 3,9 Prozent auf 178,4 Milliarden Euro, was vor allem am guten Geschäft mit IT-Hardware und Software lag. Und Soft- und Hardware sowie Services treiben den Digitalmarkt weiter voran. Dabei legt der Markt für Informationstechnik weiter zu und wird dieses Jahr erstmals über 100 Millionen Euro Umsätze verzeichnen können, erwartet der Bitkom, genauer ein Plus von 5,9 Prozent auf 108,6 Milliarden Euro.
Am stärksten wächst das Software-Segment, das besonders durch das Cloud-Geschäft angetrieben wird. Auch der Umsatz mit IT-Hardware legt deutlich zu. Das Geschäft mit IT-Services, wozu unter anderem die IT-Beratung gehört, wächst ebenfalls stabil weiter. Vor allem die Lieferengpässe verhinderten eine bessere Bilanz. Hochwertige Technik, so Berg, stehe aufgrund des Trends zu neuen Arbeitsplatzkonzepten nämlich ganz oben auf der Einkaufsliste der Unternehmen und Organisationen.
Auch dem TK-Markt prognostiziert Bitkom ein weiteres moderates Wachstum. 2022 soll der Markt um 0,9 Prozent auf 67,3 Milliarden Euro zulegen, nicht zuletzt aufgrund des Ausbaus der Festnetz- und Mobilfunknetze, der mit Hochdruck vorangeht.
Lediglich der Markt für Unterhaltungselektronik bleibt weiter im Minus. Laut Bitkom-Prognose werden die Umsätze 2022 weiter fallen – trotz eines zwischenzeitlichen Anstiegs 2020 durch „Corona-Sondereffekte“. Ein Ausnahmen bildet der Umsatz mit Spielkonsolen, der zum zweiten Mal in Folge um 40 Prozent gewachsen ist – trotz Chipmangels.
Viele freie Jobs, zu wenig Bewerber
Das Beschäftigungswachstum hat in der Bitkom-Branche nach einer zwischenzeitlichen Corona-bedingten Verlangsamung wieder kräftig angezogen. 2022 werden voraussichtlich 39.000 zusätzliche Jobs geschaffen, nachdem die Zahl der Arbeitsplätze im vergangenen Jahr bereits um 34.000 auf 1,25 Millionen gestiegen ist.
Damit sind in der deutschen ITK-Wirtschaft deutlich mehr Menschen beschäftigt als in der Automobilbranche (ca. 800.000). Und die Unternehmen könnten noch weitaus mehr Personal einstellen. Aber es fehlt an Spezialistinnen und Spezialisten. Somit bleiben quer durch alle Branchen 96.000 Stellen für IT-Fachkräfte unbesetzt.
Deutsche Digitalindustrie könnte weltweit ins Abseits geraten
Warum aber ist Bitkom-Präsident Berg nicht vollkommen zufrieden mit den Aussichten? Es ist die Entwicklung des IT-Weltmarkts, die Berg nachdenklich stimmen. Deutschland verliere jedes Jahr Marktanteile, 2022 liege Deutschlands Anteil an den weltweiten ITK-Ausgaben bereits unter vier Prozent. Im globalen Maßstab spielt der deutsche ITK-Markt somit eine untergeordnete Rolle. Und dieser Anteil geht von Jahr zu Jahr zurück, weil die Investitionen und Ausgaben in anderen Ländern schneller wachsen. Den ITK-Markt treiben andere: Asien und Nordamerika. „Damit können und dürfen wir nicht zufrieden sein“, kommentiert Berg. „Das bedeutet weniger Wachstum, weniger Wertschöpfung und weniger Innovation – und bremst uns bei der Digitalisierung aus und vergrößert den Abstand zu den Vorreitern wie den USA. Gute und digital kompetente Leute sind der wichtigste Faktor, wenn es darum geht, Deutschland digital nach vorne zu bringen und digitale Souveränität zurückzugewinnen.“
Berg erinnert an die Digitalpolitische Agenda und fordert die neue Bundesregierung auf, die angestrebte Beschleunigung von Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren zügig umzusetzen. Beispielsweise durch die Einführung von ID-Wallets für ein digitales Identitätsmanagement, die Abschaffung der Schriftformerfordernisse für Behördenvorgänge oder ein Grundgesetz verankertes Recht auf digitale Bildung. In der Datenpolitik sollten nationale Datenräume geschaffen werden, etwa im Bereich Gesundheit. Für die digitale Infrastruktur brauche es einen Ausbau- und Beschleunigungspakt für Mobilfunk- und Gigabitnetze. Neben schnelleren Genehmigungsverfahren sollten Fördermittel auf Gebiete beschränkt bleiben, die nicht eigenwirtschaftlich ausgebaut werden.
Berg hat große Erwartungen an die Ampelkoalition, die sich auf einen ambitionierten Koalitionsvertrag geeinigt und einen digitalen Aufbruch angekündigt habe: „Das hat hohe Erwartungen geweckt und wir möchten die Bundesregierung ermuntern, diese auch zu erfüllen. Eine gute Digitalpolitik ist zugleich auch die beste Wirtschafts- und Klimapolitik.“
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