EU-US Privacy Shield Was kommt nach Safe Harbor?

Redakteur: Dr. Stefan Riedl

Das Safe-Harbor-Abkommen wurde gekippt. Seither stellt sich die Frage, wie es weiter geht. Rechtsanwalt Michael Kamps beleuchtet die Situation und zeigt auf, was jetzt wichtig ist.

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Ein Tresor für Daten ist im SaaS-Zeitalter bestenfalls eine Metapher.
Ein Tresor für Daten ist im SaaS-Zeitalter bestenfalls eine Metapher.
(Bild: © the_lightwriter - Fotolia)

Der österreichische Datenschutz-Aktivist Maximilian Schrems kippte vergangenen Herbst als Facebook-Nutzer das sogenannte „Safe-Harbor-­Abkommen“, nach dem die USA als „sicherer Hafen“ für Daten angesehen werden. Dieses Grundsatzurteil betrifft neben Facebook auch tausende weitere Unternehmen und mehrere hundert Millionen Anwender.

Michael Kamps ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle und berät schwerpunktmäßig im Datenschutzrecht.
Michael Kamps ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle und berät schwerpunktmäßig im Datenschutzrecht.
(Bild: CMS Hasche Sigle)

Seither wird an Nachfolgeregelungen ­gearbeitet. Immer wieder ist vom „EU-US Privacy Shield“ die Rede. Michael Kamps, Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle, skizziert, für wen dieses Abkommen wichtig ist: „Der EU-US Privacy Shield kann für jedes Unternehmen mit Sitz in der EU relevant sein, das personenbezogene Daten an Empfänger in die USA übermittelt, also etwa Unternehmen innerhalb eines internationalen Konzerns oder Unternehmen, die Dienstleister in den USA mit der Verarbeitung personenbezogener Daten betrauen.“ Letztere sind beispielsweise Anbieter von Cloud- oder As-a-Service-Diensten.

Darum geht es

„Übermittlung“ lautet also der Schlüsselbegriff. Aus datenschutzrechtlicher Sicht umfasst der Begriff der „Übermittlung“ nicht nur lediglich einen aktiven Transfer von Daten, sondern auch die Möglichkeit des Zugriffs auf personenbezogene Daten, erläutert Kamps die Hintergründe. Ein Beispiel verdeutlicht, was gemeint ist: Lässt ein Unternehmen in Deutschland bestimmte Wartungsleistungen seiner IT-Infrastruktur durch ein Unternehmen in den USA erbringen („Fernwartung“), dann ist damit unter Umständen eine „Übermittlung“ personenbezogener Daten verbunden, wenn dieser Dienstleister auf solche Daten zugreifen kann.

Rechtliches Fundament gesucht

Nach dem Wegfall von Safe Harbor müssen Szenarien wie diese auf ein neues rechtliches Fundament gestellt werden. Gegenüber dem bisherigen Safe-Harbor-Konzept enthält der neue Datenschutz­schild verschiedene neue Mechanismen und Regelungen, um den Anforderungen der EuGH-Entscheidung Rechnung zu tragen, erläutert Kamps. „Diese beziehen sich etwa auf ­klare gesetzliche Grundlagen für einen Datenzugriff durch US-Behörden, ausdrückliche Anforderungen an die Zweckbindung, die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit solcher Zugriffe, geeignete Maßnahmen gegen Missbrauch und unbefugte Zugriffe, effektive Beschwerde- und Rechtsschutzmöglichkeiten für EU-Bürger und die Verpflichtung der Kommission, die Einhaltung der Vorgaben laufend zu prüfen und ihre Entscheidung anzupassen, auszusetzen oder gar aufzuheben. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch der EU-US Privacy Shield wiederum durch den EuGH ­gerichtlich überprüft wird.“

Verschärfungen aufgrund der EuGH-Kritik

Vergleicht man das Safe-Harbor-Konzept mit dem geplanten „Datenschutzschild“-Nachfolger sollen die Verschärfungen die Kritik des EuGH berücksichtigen. Insbesondere, so führt der Rechtsanwalt aus, sieht der vorliegende Entwurf der Kommissionsentscheidung vor,

  • dass nationale Aufsichtsbehörden Beschwerden Betroffener auch im Hinblick auf die Datenverarbeitung unter dem EU-US Privacy Shield unabhängig prüfen können.
  • dass die Kommission in regelmäßigen Abständen den Fortbestand ihrer Entscheidung prüft (und auch den neuen Datenschutzschild aussetzen, ändern oder aufheben kann).
  • dass Eingriffe in die Grundrechte von EU-Bürgern (beispielsweise im Wege der Überwachung durch Behörden oder Geheimdienste) auf einer wirksamen gesetzlichen Grundlage beruhen und den Kern dieser Grundrechte respektieren müssen.
  • dass gesetzliche Eingriffsbefugnisse im Hinblick auf den jeweils verfolgten Zweck verhältnismäßig sowie erforderlich sein müssen, auf einer klaren und eindeutigen Regelung beruhen und dass objektive Kriterien Zugang und Verwendung von personenbezogenen Daten durch Behörden beschränken.
  • dass Mindestanforderungen zum Schutz personenbezogener Daten gegen Mißbrauch und unbefugten Zugriff erforderlich sind.
  • dass Behörden in den USA für ihren Umgang mit personenbezogenen Daten verantwortlich sind und durch eine unabhängige Beschwerdestelle („Ombudsperson“) überwacht werden.
  • dass Betroffene effektive Rechtsschutzmöglichkeiten bei Behörden, unabhängigen Stellen und Gerichten in den USA haben.

Die Bußgeld-Problematik

Gibt es im Zeitalter der internationalen Clouds eigentlich Sicherheit für die Daten?
Gibt es im Zeitalter der internationalen Clouds eigentlich Sicherheit für die Daten?
(Bild: © the_lightwriter - Fotolia)

„Sollen sich mal die Juristen darum kümmern“, mag sich der eine oder andere denken. Dennoch spielen bei Datenübertragung ohne eine gegebene verlässliche Rechtsgrundlage stets auch Bußgelder eine Rolle. Auf die Frage, inwieweit diese aus Systemhaus- oder IT-Dienstleistersicht vermieden werden können, antwortet Rechtsanwalt Kamps: „Bußgelder spielen als im Datenschutzrecht vorgesehene Sanktion auch bei unzulässigen Datenübermittlungen in Drittstaaten eine Rolle.“

Ergänzendes zum Thema
Warum ist der Hafen unsicher?

> Das Vorgehen von US-Behörden ist ein wesentlicher Bestandteil des Problems. Ein No-Spy-Abkommen zur Ursachen­bekämpfung wäre zentraler Teil der ­Lösung. Das wird es aber nicht geben. Die USA erteilten so einem Abkommen bereits eine Absage. In aller Deutlichkeit geht das aus einem internen E-Mail-Verkehr zwischen Berliner Regierungsstellen und Washington hervor, welchen der Rechercheverbund der Süddeutschen Zeitung, des NDR und des WDR öffentlich gemacht hat. Vielmehr scheint die Lösung in Konstrukten zu liegen, wie sie Microsoft vorgelebt hat. Der US-Konzern speichert Daten auf Wunsch (und gegen Aufpreis) in einem deutschen Rechenzentrum und setzt die Deutsche Telekom als Datentreuhänder ein.

Rechtsanwalt Michael Kamps, der sich besonders im Datenschutzrecht auskennt, hält ein No-Spy-Abkommen auch für unrealistisch. Der neue Datenschutzschild, um den es in diesem Beitrag geht, könnte deshalb vielleicht eher als „Less Spy“- oder „Different Spy“-Abkommen bezeichnet werden, so Kamps. Zudem gilt, dass die seit Anfang des Jahres ­geäußerten Zweifel an der Effektivität dieser Beschränkungen gleichwohl weiter diskutiert werden und am Ende in ­einer erneuten Prüfung durch den EuGH münden könnten.

Vor wenigen Wochen hat die Aufsichts­behörde in Hamburg erste Bußgelder gegen Unternehmen verhängt, die nach dem EuGH-Urteil im vergangenen Oktober zunächst noch Daten auf Grundlage von Safe Harbor in die USA übermittelten, führt Kamps aus. „Zur Vermeidung von Bußgeldern sollten Unternehmen ihre internatio­nalen Datentransfers auf eine rechtlich einwandfreie Grundlage stützen. Dies wird den Unternehmen durch die Hängepartie beim EU-US Privacy Shield und durch die von der irischen Aufsichtsbehörde angekündigte Überprüfung der sogenannten EU-Standardvertragsklauseln allerdings nicht wirklich einfach gemacht.“

Zur Rechtsklarheit muss erst ein Abkommen rechtsgültig vereinbart werden, das die EuGH-Vorgaben sicher erfüllt.

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