Sitecore holt Meinungen ein Wie IT-Gurus die Digitaltrends 2016 bewerten
Im kommenden Jahr wird sich in vielen Unternehmen ein Wandel hin zu Customer-Experience-Management vollziehen. Der Wandel weg von klassischem Web-Content-Management wird der Digitaltrend in 2016. Doch wie schätzen führende Köpfe im Digitalgeschäft die wichtigsten Digitaltrends 2016 ein?
Anbieter zum Thema

Die Sitecore Deutschland GmbH, ein führender globaler Anbieter für Content- und Customer-Experience-Management-Software, hat sieben Experten um ihre Meinung gebeten. Eine Erkenntnis, die sich aus vielen Expertengesprächen während der Kongressmesse dmexco und aus aktuellen Studien ziehen lässt, lautet: Für viele Geschäftsführer und Verantwortliche für Marketing, Service und Vertrieb ist noch kein Handlungsdruck spürbar – eher nur ein Grollen am Horizont. Viele Entscheider zögern auch, weil sie schlicht nicht wissen, mit welchen Hebeln sie dem Wandel begegnen können: Silos aufbrechen? Kanäle vernetzen? Individuelle Dialoge statt digitaler Gießkanne? Irgendwie von jedem etwas, aber ohne klare Vorstellung und Struktur. Führende Digital- und Marktexperten bemühen sich um Antworten und geben ihre Einschätzung zu den wichtigsten Digitaltrends und deren Auswirkungen auf Unternehmen ab.
Aufbruch muss sein
So prognostiziert Prof. Dr. Dieter Georg Herbst, internationaler Berater, Autor diverser Fachbücher und Dozent für Markenführung und Kommunikation an Universitäten in Berlin, St. Gallen und Shanghai, erstens die weitere Zunahme mobiler Endgeräte. Daher sollten Unternehmen stärker die jeweilige Situation der Konsumenten beachten (Ort, Zeit, Stimmung) und lernen, welche Erlebnisse sie sich in diesen Situationen wünschen. Als zweiten Trend sieht Prof. Dr. Herbst – 2011 in einem bundesweiten Wettbewerb zum „Professor des Jahres“ gekürt –, dass durch die Vernetzung von Geräten, Anwendungen und Inhalten die Kommunikation immer stärker medienübergreifend stattfinden wird: „Bahnreisende lesen nicht mehr nur ein Buch, Zeitungen und Magazine, sondern sie hören mit dem MP3- und sehen mit dem DVD-Player, sie nutzen ihr Smartphone, ihr Tablet, ihren E-Book-Reader und ihren Laptop. Mitunter tun sie das parallel, wie die aktuellen Nutzerzahlen zum Thema ‚Second Screen‘ zeigen. Dies erfordert spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten für die Inszenierung und Dramatisierung von Inhalten.“ Und zum Dritten erwartet Prof. Dr. Herbst, dass sich digitale Technologien wie Augmented Reality und Virtual Reality weiter ausbreiten werden. Unternehmen könnten dies nutzen, um ihren Kunden noch stärkere, ungewöhnliche Erlebnisse zu bieten.
Für die renommiere Managementdenkerin, Sprecherin und Bestsellerautorin Anne M. Schüller wird die Digitalisierung 2016 das alles beherrschende Thema sein. Das Deuten von Daten und die daraus resultierenden passgenauen Aktionen würden dabei im Vordergrund stehen. Der Videotrend wie auch die Touchpoint-Denke würden sich weiter verstärken. „Zudem sehe ich einen bislang ziemlich unterbeleuchteten Aspekt mächtig im Aufwind: die Multisensorik. Sie lässt sich dank fortschreitender Technologie zunehmend auch digital integrieren. Und ich sehe außerdem eine große Gefahr: dass nämlich bei der ganzen Digitalisierungsmanie die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt. Denn Menschen sind kein Klickvieh. Und sie sind auch keine Datenpakete. Ohne Menschlichkeit wären wir nur Maschinen.“
Prof. Dr. Gunter Dueck, viele Jahre IBM-Vordenker und CTO für Cloud Computing bei IBM, makelt ironisch die Trendthemen als Kurzschlussreaktion auf schon längst überfällige Modernisierungsmaßnahmen: „Real: Kein Wort wird derzeit so oft in den Mund genommen wie ‚Digitalisierung‘. Es wird jetzt mit etwas Schrecken in der Stimme konkret wahrgenommen, dass etwas getan werden muss, weil das Internet endgültig nicht mehr weggeht.“ Der Hype ‚Industrie 4.0‘ werde noch durch all jene Dörfer gejagt, die noch nicht abgegrast sind. „Der Begriff an sich bleibt zunächst noch vage, weshalb in Deutschland noch nichts getan werden muss. Es ist beruhigend, das bei den Konferenzen feststellen zu können.“ Und auch der Zukunftshype ‚Cognitive Computing" sei wieder „so ein schön vager Begriff, der die Enttäuschungen über traditionelle Datenauswertungen à la Big Data zauberisch lindert“, da viele jetzt hoffen könnten, „dass der Computer jetzt endlich selbst denkt – das wäre eine große Erleichterung.“
Mehr Fragen als Antworten wirft die digitale Transformation für Karl-Heinz Land, Digital Darwinist & Evangelist bei neuland, auf: „2008 kam das iPhone auf die Welt. Heute haben wir mehr Mobilfunkgeräte auf dem Planeten Erde als Menschen (7,3 Mrd., davon bereits 4 Mrd. Smartphones). Smarte mobile Geräte beschleunigen die Dematerialisierung. Unsere digitalen Begleiter ersetzen immer mehr Dinge, wie Fotoapparat, Musikgerät, Taschenlampe, Wecker, Stadtplan, zukünftig Schlüssel, Fieberthermometer uvm. Und damit fallen Maschinen, Rohstoffe, Zulieferbetriebe, Lagerung, Vertrieb und Logistik in den entsprechenden Industrien weg. Daraus resultieren für die Unternehmen drei zentrale Fragestellungen für 2016 und darüber hinaus: Wie sieht das digitale Businessmodell meiner Firma aus? Wie bleiben wir für unsere Kunden relevant? Wie können wir Umsätze über die neuen, digitalen Kanäle erzielen?“
Gezielte Botschaften senden
In Zeiten unüberschaubarer Daten- und Informationsflut begrüßt Online-Marketing-Spezialist Torsten Schwarz, dass es mit zunehmender Digitalisierung möglich ist, personalisierte Botschaften gezielt an den Kunden zu bringen: „Menschen ersticken in Massenwerbung und filtern intuitiv aus. Beachtung findet nur, was persönlich relevant ist. Wer seine Daten geschickt einsetzt, kreiert damit personalisierte Botschaften statt Spam. Das ist weit mehr als Geburtstagsgrüße, Terminerinnerungen und Bestellabbrechermails.“ Das gleiche gelte auch für Webseiten: Auch hier erwarteten Nutzer personalisierte Inhalte. Voraussetzung sei aber die Verbindung der CMS-, CRM-, E-Mail- und Webanalytics-Systeme. Nur so finde datengetriebenes Customer Engagement eine solide Basis: „Daten gibt es in Unternehmen genug – sie werden nur meist nicht genutzt. Ergänzt wird die Permission-basierte Direktansprache durch anonymisiertes Retargeting über Facebook, Google und weitere Vermarkter“, erklärt Schwarz. Nachteil dieser Systeme aus Werbersicht: Echte Personalisierung sei damit aus Datenschutzgründen nicht möglich.
Ähnlich sieht es Bjoern Negelmann: „Digital braucht in 2016 nun endlich ein Umdenken im Marketing! Sowohl die Ansprüche des digitalen Kunden als auch die Möglichkeiten der Datenauswertung erfordern eine intelligentere Ansprache des Kunden. Da die Kunden in allen Lebenslagen und Situation die digitalen Möglichkeiten nutzen, müssen auch die Unternehmen ganzheitlich „digital“ denken und sich sowohl technologisch als auch organisatorisch neu aufstellen.“ Negelmann, der regelmäßig als Head of Conferences und Content bei Kongress Media seit vielen Jahren Konferenzen und andere Veranstaltungen rund ums Web und das Digital Business organisiert und moderiert, fordert, die traditionelle Abteilungsdenke (Marketing versus Vertrieb versus Service) als auch technologische Daten- und Prozess-Silos abzuschaffen. Damit ließen sich neue Erfolgspotenziale entlang der technologisch möglichen Automatisierung von Prozessen erschließen und im Sinne des Kunden in spannende und neue Services und Erlebnisse umsetzen. „Der Trend für mich liegt daher in dem nun spürbaren Druck von außen, der einen neuen Ansatz in mehr Unternehmen in 2016 erzwingen wird“, sagt Negelmann.
Selbst statt fremd
Michael Heine verzeichnet mit seiner datenbasierten Marketing-Strategieberatung .companion Beratungsmandate von 16 DAX-30-Unternehmen und zahlreichen Marken und gehört zu den gefragtesten neutralen Experten für kennzahlbasierte Marketingstrategie und digitales Kommunikationsmanagement. Für ihn wird „Own Your Digital Media“ oberstes Mantra der werbungtreibenden Unternehmen werden. „Sie werden sich verstärkt eigenen Websites und Apps, aber auch eigenen Daten und Reports zuwenden.“ Das habe zwei Gründe. Erstens werde die „Gratis-Media-Illusion“ von Social Media platzen. Und zweitens werde das Black Box Digital Advertising weiterhin wachsen und außerhalb jeder Kontrolle sein. Heine erklärt: „Wo zum Beispiel Reichweite in erheblichem Ausmaß von Maschinen vorgetäuscht wird (Ad Fraud), dort wird es große Gegenbewegungen geben. Zum Beispiel ‚Owned Media‘, also Websites und Apps, die zunehmend als Kontrollinstanz an Kampagnen angebunden werden. ‚Owned Data‘ und ‚Owned Reports‘ werden alternativlos in einem digitalen Neuland, das unüberschaubar und voller heißer Luft ist.“ Unternehmen, die hier vorankommen wollen, dürften die Kontrolle nicht verlieren. „2016 erwarten wir darum stark steigende Investitionen in unternehmenseigene digitale Medienressourcen. Das Recruiting im Kampf um Digitalexperten wird sich noch weiter verschärfen“, folgert Heine.
(ID:43784163)