Interoperabilität und Usability herstellen Wie der Digital Workplace nicht nur Stückwerk bleibt

Ein Gastbeitrag von Andrea Wörrlein*

Der digitale Arbeitsplatz der Zukunft wird häufig unterwegs oder Zuhause stationiert sein. Er führt dort aber nur dann zu den erwünschten Effekten wie höherer Arbeitseffizienz, geringeren Kosten und nennenswerter Umweltentlastung, wenn die passenden und sicheren Kommunikations- und Kollaborations-Tools dafür bereitstehen.

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New-Work-Modelle stehen und fallen mit den angebotenen Kommunikations- und Kollaborations-Tools.
New-Work-Modelle stehen und fallen mit den angebotenen Kommunikations- und Kollaborations-Tools.
(Bild: © deagreez - stock.adobe.com)

Homeoffice und Remote Working entwickeln sich gerade von einer bislang nur geduldeten Ausnahme zu einem fixen Teil des regulären Arbeitsplatz-Mixes. Dafür sprechen neben den positiven Erfahrungen in einer Notfall- und Ausnahmesituation auch ganz praktische Argumente wie der geringere Bedarf an teurem Büroraum sowie der partielle Wegfall zeitfressender, umweltschädlicher und oft genug nervtötender An- und Abfahrtswege.

Die jüngsten Erfahrungen haben aber auch gezeigt, wie sehr Arbeitseffizienz und Mitarbeiterzufriedenheit in verteilten Arbeitsumgebungen, zu denen ja nach wie vor auch der Büroarbeitsplatz gehört, von den dafür zur Verfügung gestellten Kommunikations- und Kollaborations-Tools abhängen. Bei der Beantwortung der Frage, welche Qualitätskriterien für die dort genutzten Applikationen herangezogen werden können, schälen sich vier thematische Schwerpunkte heraus: die Funktionsumfänge, die Interoperabilität und die Usability der Apps und als letzter, aber sicher nicht unwichtigster Punkt, die Sicherheit der Anwendungen, der Daten und der Nutzer.

Die Lücken und Tücken der Funktionen

Bei den Funktionsumfängen scheinen die Unterschiede zwischen den diversen Anwendungen auf den ersten Blick gering. Beim zweiten Hinschauen werden jedoch Unterschiede sichtbar, die massiven Einfluss auf die Arbeitseffizienz haben. So macht die zunehmende Beliebtheit von Chat-Anwendungen, die den oft als ineffizient wahrgenommenen Videomeetings zunehmend den Rang ablaufen, Lücken in deren professioneller Nutzbarkeit diesseits der Sicherheitsbedenken sichtbar. Groupchats sind nur dann ein effizientes Kollaborations-Tool im Unternehmen, wenn sie eine Bearbeitung, Erweiterung und Strukturierung von Texten erlauben. Die Dokumentenbearbeitung per Rich-Text-Format (RTF) sollte daher als Mindestanforderung definiert werden.

Einen wichtigen Schritt weiter gehen Collaborative Documents, sogenannte Pads. Basis dafür ist der Open-Source-Editor Etherpad (temporär auch als Google Wave bekannt), der kollaboratives Editieren in Echtzeit ermöglicht, das durch die Ajax-Programmiertechnik Comet realisiert wird. Da die auf einem Etherpad-Server gespeicherten Pads nicht gelöscht werden, sind Versionsverlauf und -historie der Dokumente nachverfolgbar und reproduzierbar. Bei der besseren Strukturierung der Pads helfen sogenannte Channels. Über frei formatierbare Informations-Container (Topics) können Texte, Nachrichten, Bilder, Videos oder Dateien eingebunden und mit Metadaten getagged werden. Das Flagging und Tagging erfolgt über eine zentrale Global Tag Cloud und steht damit potenziell auch allen anderen Anwendungen zur Verfügung. Selbst Sprachnachrichten oder Videokonferenzen können in Echtzeit getaggt und indiziert werden. So entsteht ein übergreifender, integrierter Enterprise Index, der auf Basis der Search-Platform SolR unter anderem Realtime Indexing, Dynamic Clustering, Volltextsuche und Datenbankintegration mit NoSQL-Features über alle angeschlossenen Applikationen erlaubt. Anwendungen für die professionelle Nutzung ohne diese Funktionalitäten sind nicht State of the Art.

Auch Apps müssen zusammenarbeiten

Voraussetzung für einen problemlosen Datenaustausch zwischen verschiedenen Applikationen und deren gemeinsame Nutzung ist die Interoperabilität, die leider nur selten vorausgesetzt werden kann. Selbst Anwendungen ein und desselben Herstellers können hier Probleme bereiten. Ursache dafür sind häufig separate Entwickler-Crews, unterschiedliche Datenformate und/oder geschlossene Schnittstellen. Proprietäre APIs sind ein unnötiger Kostenfaktor und ständiges Ärgernis.

Abhilfe kann hier nur Open Source mit seinen offenen APIs schaffen. Trotzdem bleibt die Herausforderung der Anpassung an veränderte oder neue Schnittstellen bestehen. Bei der Lösung dieser Problemstellung hilft Swagger. Diese Interface Description Language beschreibt RESTful APIs mit dem unter anderem von NoSQL-Datenbanken bekannten Datenformat JSON (JavaScript Object Notation) und erkennt gegebenenfalls Abweichungen.

Der Datenaustausch zwischen den Anwendungen sollte über verbindliche Industriestandards wie SQL, NoSQL, WebRTC oder XMPP erfolgen. XMPP (Extensible Messaging and Presence Protocol) ist ein offenes, auf XML basierendes Kommunikations-Protokoll für Messaging, Präsenzinformationen sowie das Management von Kontaktlisten und ermöglicht den Austausch strukturierter Daten quasi in Echtzeit. Oberstes Ziel für alle Anwendungen ist ein redundanzfreier zentraler Document Store mit Enterprise Indexing und sauberer Schnittstellen-Dokumentation, in dem die Daten sämtlicher Applikationen nur ein einziges Mal in einer von SolR indizierten Form vorliegen und dementsprechend leicht gefunden und genutzt werden können. Mit weniger sollte sich kein Unternehmen zufriedengeben.

Einfach. Gut!

Der Einsatz von Kollaborations-Tools sollte für die Anwender so intuitiv wie möglich sein. Usability Labs spielen dabei aber keine große Rolle mehr: Zu aufwändig, zu zeitraubend und zu dürftig in ihren Erkenntnissen und Ergebnissen sind sie nicht mehr zeitgemäß. Die Musik spielt mittlerweile bei den privaten Nutzererfahrungen von Anwendern auf Social-Media-Netzwerken und Gaming-Portalen. Sie färben in Form von Best Practices zunehmend auf Tools für den Unternehmenseinsatz ab. Es gibt keinen vernünftigen Grund mehr dafür, professionelle Anwendungen schwerer verständlich und bedienbar zu gestalten als die Nutzung von Messaging-Apps oder Online-Spielen in der Freizeit. Das hat nicht nur Folgen für die Oberflächengestaltung und Bedienlogiken, sondern auch Konsequenzen für die Geschwindigkeit, in der Veränderungen und Adaptionen umgesetzt werden müssen.

Erste Voraussetzung, um damit Schritt halten zu können, ist die strikte Trennung von Frontend und Backend. Vorbild dafür ist ein Tiering-Modell mit verschiedenen Layern für verbundene Funktionsebenen, wie wir es als Abstraktion beispielsweise von Datenbank-Management-Plattformen kennen. Bei der Entwicklung der Frontend-Clients helfen modulare Frameworks wie Angular oder React. Funktional sind sie ähnlich, durch die Nähe von React zu Facebook ist es für viele Open-Source-Entwickler jedoch nicht erste Wahl. Mit einem Framework wie Angular ist es möglich, aus einem einzigen Source Code plattformübergreifend mehrere Clients parallel zu entwickeln (Hybrid App Development): einen Web Client für alle gängigen Browser, einen Desktop Client für die gängigen Betriebssysteme Linux, Mac und Windows sowie Apps für Android und iOS (iPhones und iPads). Die Entwicklungszeit für die Anbieter wird dadurch deutlich verkürzt, und damit gleichzeitig auch die geschäftskritische Time-to-market.

Für Anwender ist diese Client-Unabhängigkeit die Voraussetzung für den barrierefreien Zugang zum Unternehmen, sei es von Zuhause oder unterwegs. Die Modularität der Frameworks hat für viele Kunden und den IT-Channel zudem den Positiveffekt der Whitelabeling-Optionen, bei dem die für den Nutzer sichtbare Oberfläche mit minimalem Aufwand individuell, etwa im Corporate Design eines Konzerns oder eines Service Providers, gestaltet werden kann.

Sicherheit geht nicht allein

Der kritischste Punkt für einen Kommunikations- und Kollaborations-Stack ist zweifellos das Thema Sicherheit, das von einem einzigen Hersteller allein kaum zu stemmen ist. Die Arbeitsteilung in der Open-Source-Community dagegen erleichtert die Aufgabe, die erwähnten, von vielen Entwicklern genutzten Frameworks immer wieder auf Schwachstellen hin abzuklopfen und eventuell notwendige Patches für alle umgehend verfügbar zu machen. Wir müssen uns aber im Klaren darüber sein, dass selbst mit dieser Unterstützung die Security-Herausforderungen bei der Software-Entwicklung eine Herkules-Aufgabe sind.

Die größte Aufgabenstellung ist daher die weitere Automatisierung von Tests und Fehleranalysen. Open-Source-Tools wie Sentry oder Nightwatch können helfen, den Anteil der verbleibenden zwingend notwendigen manuellen Test auf weniger als zehn Prozent zu drücken. Trotzdem ist die Problematik allein mit internen Prozessen und Strukturen kaum zu bewältigen.

Andrea Wörrlein, Virtual Network Consult AG.
Andrea Wörrlein, Virtual Network Consult AG.
(Bild: VNC AG)

Daher ist es sinnvoll und wird in Zukunft höchstwahrscheinlich immer wichtiger werden, mit spezialisierten professionellen externen Security-Dienstleistern zusammenzuarbeiten und deren Testverfahren und Auditierungsangebote zu nutzen.

* Die Autorin Andrea Wörrlein ist Verwaltungsrätin bei der VNC AG (Schweiz) und Geschäftsführerin bei der VNC GmbH (Deutschland).

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