EuGH-Urteil Vorratsdatenspeicherung darf nicht pauschal erfolgen

Autor Dr. Stefan Riedl

Der Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ ist ein Euphemismus. Es schwingt mit, dass Daten bevorratet werden und wer hat schon etwas gegen Bevorratung für schlechte Zeiten. Der EuGH sprach nun ein Urteil: Flächendeckend und pauschal darf der Vorgang nicht sein.

Anbieter zum Thema

Vorräte sind eine feine Sache; geht es um Verbindungsdaten der Bürger wird jedoch klar, dass es sich beim Wording „Vorratsdatenspeicherung“ um einen Euphemismus handelt.
Vorräte sind eine feine Sache; geht es um Verbindungsdaten der Bürger wird jedoch klar, dass es sich beim Wording „Vorratsdatenspeicherung“ um einen Euphemismus handelt.
(Bild: Blickfang - stock.adobe.com)

Laut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) darf Vorratsdatenspeicherung von Internet- und Telefonverbindungsdaten weder flächendeckend, noch pauschal sein. Wo es in der Juristerei Grundsätze gibt, sind die Ausnahmen aber nicht weit: Soll schwere Kriminalität bekämpft werden oder wird in einem konkreten Fall die nationale Sicherheit bedroht, dürfen die genannten Daten hingegen auf Vorrat gespeichert werden, teilte das EuGH in einem wegweisenden Urteil mit.

Der Gerichtshof der Europäischen Union legt EU-Recht aus und soll im Zweifel dafür sorgen, dass es in allen EU-Ländern auf die gleiche Weise angewendet wird.

Bürger versus Sicherheitsbehörden

In der Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung ging es darum Bürgerinteressen mit denen von Sicherheitsbehörden auszuloten. Die Richter des in Luxemburg ansässigen Gerichts stärkten in diesem Fall einerseits Bürgerrechte, öffneten aber auch Türen für Vorratsdatensammler. Eine direkte Wirkung auf die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung hat der Urteilsspruch aber noch nicht. Die Auseinandersetzung bei der Abwägung von Interessen zwischen Sicherheitsbehörden, Politikern und Bürgerrechtlern zieht sich durch mehrere EU-Länder.

Nationale Sicherheit und schwere Verbrechen

Das Urteil des EuGH greift die Standpunkte beider Lager auf: Zum Schutz der nationalen Sicherheit und wenn es um die Bekämpfung schwere Verbrechen unter dem Vorzeichen konkreter Anlässe geht, sollen Ermittler auf gespeicherte Telekommunikationsdaten zuzugreifen können.

Doch liegt es in der Natur der Sache, dass „Vorratsdaten“ im Vorfeld „auf Vorrat“ gespeichert werden müssen. Vor diesem Hintergrund bleibt die Kritik bestehen, dass zu starke Eingriffe in die Grundrechte der Bürger vorgenommen werden, wenn Unternehmen dazu gezwungen werden, massenhaft Verbindungsdaten ihrer Kundschaft speichern zu müssen.

Folgerichtig müsste dies aber ohne konkreten Tatverdacht erfolgen. Aufgelöst wird dieser Widerspruch folgendermaßen: Es muss als Voraussetzung für alles weitere – so die Vorstellung der EuGH-Richter – eine „tatsächliche, gegenwärtige und vorhersehbare“ Bedrohung (der nationalen Sicherheit oder im Kontext eines schweren Verbrechens) vorliegen – beispielsweise nach einem Terrorereignis.

Richterlich oder durch unabhängige Behörde

Ist dieser Fall gegeben, kann richterlich oder durch eine unabhängige Behörde die Vorratsdatenspeicherung angeordnet werden. Folgerichtig müssen die Provider die dafür nötigen Systeme für die staatliche Überwachung bereithalten. Das Urteil wird auf weitere Rechtsprechung und nationale Regelungen abstrahlen.

Der Verband der Internetwirtschaft, Eco, unterstützt beispielsweise eine Klage von SpaceNet zur Vorratsdatenspeicherung, konkret in Deutschland, die aktuell ebenfalls als Verfahren beim EuGH anhängig ist. Der Verband und SpaceNet erstritten im Juni 2017 vor dem Oberverwaltungsgericht NRW, dass die deutsche Vorratsdatenspeicherung EU-rechtswidrig ist. In Folge dessen setzte die Bundesnetzagentur den Vollzug der Speicherpflicht für alle betroffenen Unternehmen aus. Die Bundesregierung wollte die gerichtlichen Entscheidungen nicht akzeptieren und zog vor das Bundesverwaltungsgericht. Dieses setzte das Verfahren aus und legte es dem EuGH vor.

Anlassdatenspeicherung

Das Gegenmodell zur Vorratsdatenspeicherung ist die „Anlassdatenspeicherung“, die auch als „Quick Freeze“ („Schockfrosten“) bezeichnet wird. Hierbei werden ab dem Zeitpunkt eines vorliegenden richterlichen Beschlusses Telekommunikations-Verkehrsdaten der Verdächtigen zum Zwecke der Strafverfolgung vorübergehend gesichert.

(ID:46921175)