CEO Alexander Wallner im Interview Plusserver auf Mission datensouveräne Cloud
Plusserver hat als Provider bereits eine lange Historie in Deutschland hinter sich. Eine in über zwanzig Jahren gewachsene Company und heute auf dem Weg, in einem Satz mit den Cloud-Größen aus den USA genannt zu werden: Als deutsche Alternative zu AWS, Microsoft oder Google.
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Das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Köln hat, betreibt in Deutschland vier nach ISO-27001-zertifizierte Rechenzentren. 350 Mitarbeiter betreuen rund 2.000 Kunden, vor allem aus dem deutschen Mittelstand, aber auch nationale Großkonzerne wie Henkel, Schaeffler oder Krones, und haben inzwischen mehr als 4.000 Projekt umgesetzt. Im vergangenen Jahr wurde Plusserver dreimal im ISG Provider Lens Leader Germany bei Public Cloud Services, Managed Hosting und Managed Services als Leader Midmarket ausgezeichnet
1999 gegründet, hat Plusserver nach eigenen Akquisitionen und mehreren Eigentümerwechseln 2017 begonnen, sich als Cloud Solution Provider in Deutschland zu positionieren. Partnerschaften mit Microsoft Azure, Amazon Web Services und Google Cloud Platform ebneten den Weg zum Multi-Cloud Service Provider. Dessen ungeachtet, verfolgen die Rheinländer die „Mission“, ihren Kunden „eine datensouveräne und anbieterunabhängige Cloud“ zu bieten. Deshalb haben sich auch dem Thema Open Source Software und der europäischen Cloud-Initiative Gaia-X verschrieben.
Wie das zusammenpasst und was von Plusserver noch zu erwarten ist, haben wir CEO Alexander Wallner gefragt. Er führt sei Juni vergangenen Jahres die Geschäfte und hat noch einiges vor.
Mit welchem Anspruch sind Sie zu Plusserver gekommen?
Mit der Überzeugung, dass wir eine Marktlücke in Deutschland schließen und als wirklich skalierbarer Native-Cloud-Provider auftreten können. Wir stehen als deutsche Alternative zu AWS, Google Cloud oder Microsoft Azure zur Verfügung. Plusserver ist ein seit zwanzig Jahren gewachsenes Unternehmen mit großer Expertise und starken Partnern. Wir haben das Zeug, diese Lücke in Deutschland zu schließen. Und eine wirklich kernige und erfolgreiche Business-Transformation in einem deutschen Unternehmen zu machen, reizt mich sehr.
Was ist dabei die besondere Herausforderung?
Plusserver hat sich vom klassischen Provider zu einer Produkt- und Technologie-Company entwickelt. Als Provider schließt man schlicht Verträge über fest definierte Architekturen und Services über klare Laufzeiten. In der Cloud sind wir verpflichtet, auch Elastizität, Abrechnungsmodelle und die ständige Modernisierung der Architektur anzubieten. Das ist kulturell und hinsichtlich der Abläufe ein großer Transformationsprozess. Dieser hat zwar schon vor meinem Antritt angefangen, ich will diesen aber konsequent weiterführen.
Wie ist Plusserver heute aufgestellt?
Unser Geschäft fußt auf einer Rechenzentrumsarchitektur am Standort Deutschland. Wir haben mit der pluscloud v unsere eigene Cloud entwickelt. Neben den klassischen VMware-Cloud-Stacks haben wir zudem mit der plusscloud open ein eigenes Public-Cloud-Angebot, das auf dem Sovereign Cloud Stack basiert, der Teil des Gaia-X-Projektes ist. Diese Kombination aus hochzertifizierter Rechenzentrumsarchitektur und eigener Cloud Intellectual Property ist unique im Markt und hat mich tatsächlich sehr motiviert, diese Transformation voranzutreiben.
Welchen Mehrwert können Sie Ihren Kunden bieten?
In der Regel bieten wir auf den Kunden zugeschnittene, individuelle Lösungen an. Denn nicht alle Kunden sind gleich weit gekommen auf ihrer Cloud-Reise. Anbieter wie AWS, Microsoft oder Google gehen oft in Ihrem Ansatz davon aus, dass jeder Kunde grundsätzlich „born in the cloud“ ist oder zumindest genau definieren kann was er will und braucht aus der Cloud. Das ist nicht meine Beobachtung. Wir haben viele Unternehmen, die eine 20-, 30- oder sogar 40-Jahre alte Legacy betreiben. Hier genügt es nicht, dem Kunden eine Technologie-Stack anzubieten, ohne zu fragen: Wo liegen die Daten? Wie sind die Legacy-Systeme beschaffen? Und können Legacy-Systeme überhaupt Cloud-fähig werden? Was muss im deutschen Datenraum liegen, was kann möglicherweise zu einem US-Hyperscaler aus Elastizitätsgründen? Unser Ansatz ist es, individuelle Betrachtungen anzustellen und den Kunden in seiner Legacy abzuholen.
Gibt es einen typischen „Auslöser“, das typische Problem, mit dem Kunden zu Ihnen kommen?
Hier gibt es verschiedene Themen. Das erste ist, wie gerade ausgeführt, dass sie sich von ihrem Altbestand nicht oder noch nicht trennen konnten. Viele, die schnell Cloud-Verträge abgeschlossen haben, merken jetzt, dass der Wildwuchs im Rechenzentrum damit trotzdem nicht beseitigt wurde. Viele suchen deshalb nach einem neuen Ansatz. Zweitens steht da die Frage, wie mit dem Cloud Act umzugehen ist. In den ersten Jahren gab es in Deutschland einen Herdentrieb in Richtung US-Public-Cloud. Nach dem Motto: Wenn jeder dorthin geht, dann kann es ja nicht falsch sein. Heute betrachtet man das differenzierter. CIOs und auch CDOs nehmen eine kritischere Haltung ein bezüglich Datenhaltung und Datenlagerung. Die Cloud als Ressourcenmodell ist akzeptiert. Dass die Datenhaltung in Deutschland dafür elementar ist, haben die Kunden verstanden. Das dritte Thema, warum Unternehmen zu uns kommen, ist die Komplexität von Multi-Clouds. Die Kunden wissen, dass sie mit mehreren Cloud-Providern agieren sollten, Schrägstrich müssten, um die verschiedenen Stärken und Schwerpunkte zu nutzen. Wenn Kunden Innovationen aus der Public Cloud heben wollen, dann helfen wir hierbei – mit unserem eigenen Cloud Angebot, aber auch mit der Einbindung anderer Cloud Provider für ein funktionierendes Datenkonzept für die Kunden.
Was tut Plusserver, um es seinen Kunden gerade bei Multi-Cloud-Szenarien so einfach wie möglich zu machen?
Sollte der Kunde mit Hyperscalern arbeiten wollen, dann bieten wir natürlich Multi-Cloud-Management an. Unterschiedliche Cloud Provider haben unterschiedliche Schwerpunkte und Stärken. Wenn Kunden die volle Innovationskraft der Cloud nutzen wollen, wird die Multi-Cloud über die Zeit eine Businessnotwendigkeit darstellen. Allerdings haben unterschiedliche Datensätze auch unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich Datenstandort, Datenhaltung und Datenschutzrichtlinien. Mit unseren Services nehmen wir die Komplexität heraus. Dazu trägt im Übrigen auch unser Pay-per-Use-Modell bei, das die Abrechnung für Kunden transparent und nachvollziehbar macht. Als Partner der Hyperscaler können wir auch Vertragshalter sein und konsolidiert und transparent abrechnen. Anstelle der „Tapete“ bekommt der Kunde eben nur ein Blatt Papier, auf dem steht, was er wie konsumiert hat und was genau abgerechnet wird.
Europäische bzw. deutsche Unternehmen könnten technologisch durchaus mithalten mit den Playern aus Übersee. Warum tun wir uns trotzdem so schwer?
Zwei Dinge haben die Amerikaner uns voraus: Das erste ist „Image“. Die Deutschen trauen den Deutschen, wenn es um IT geht, Innovation nicht zu. Man geht immer davon aus, „die drüben“ per se innovativer sind. Das ist schade. Zum zweiten sind US-amerikanische Unternehmen fest darauf fokussiert, die Kundenerfahrung zu verbessern. Wir Europäer fokussieren zu sehr auf Technologie, auf Verfügbarkeit, auf Inhalte. Da gibt es kein 80:20, da gibt es nur 100:0 in Deutschland. Und am Schluss wundert man sich, dass niemand dieses perfekte Produkt haben will. Die Amerikaner legen mehr Wert auf die „Süffigkeit“ des Produkts – dass es einfach zu konsumieren ist. Ich schätze diese User Experience. Hier sind uns die Amerikaner einfach einen Schlag voraus. Daher haben wir an unserer User Experience auch intensivst gearbeitet, beispielsweise bei unseren Demo-Umgebungen.
Fehlt uns also nur das nötige Quäntchen Selbstbewusstsein?
Die amerikanischen Anbieter haben den Takt vorgegeben, das ist unbestritten. Aber das heißt nicht, dass die Europäer den Schlaf der Gerechten schlafen und nicht mitziehen könnten. Hier breche ich auch die Lanze für Gaia-X und den Sovereign Cloud Stack. Es ist stark, was hier mittlerweile möglich ist. Kunden müssen heute keine Kompromisse mehr machen, in welchem Space sie ihre Daten ablegen. Sie können einfach einen europäischen oder deutschen Provider nutzen.
Die kritischen Stimmen häufen sich, dass Gaia-X verpuffen wird, man sich in Gremien verliert, dass nicht genug passiert hinsichtlich konkreter Anwendungsmöglichkeiten. Auch wird sich daran gestoßen, dass die Hyperscaler mit im Boot sind. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Gaia-X beinhaltet in erster Linie eine Leitlinie, wie mit IT im europäischen Kontext umzugehen ist. Die Hyperscaler zurückzudrängen und zu sagen, ihr habt hier in Europa nichts verloren, ist naiv und in keiner Form gerechtfertigt. Wir sind Wettbewerber und Partner der Hyperscaler zugleich. Es geht eher darum, mehr Bewusstsein und Alternativen für Kunden zu schaffen, wenn es um datenschutzrechtliche Themen geht und die Kunden hier auch zu schützen. Gaia-X ist erstmal alles und nichts. Natürlich müssen sich daraus noch konkrete Arbeitsprogramme entwickeln, wie bereits mit dem Sovereign Cloud Stack geschehen. Vielleicht muss man sich die Frage beantworten: Was erwarte ich eigentlich von Gaia-X? Die Erwartungshaltung, dass man jetzt einen europäischen Hyperscaler aufbaut, der die Amerikaner wieder auf ihren Kontinent zurückdrängen kann, ist nicht realistisch und auch nicht notwendig!
In den Köpfen hat sich aber festgesetzt, dass Gaia-X synonym ist mit „europäische Cloud“. Wofür steht Gaia-X wirklich?
Es gibt Kundengruppen, die unglaublich hohe Auflagen an ihre Datenhaltung haben und in denen es schwer ist mit US-Hyperscalern zu arbeiten. Für diese Bereiche braucht es zwingend alternative Handlungsoptionen. Andere Segmente haben nicht derart strenge Auflagen und können die Cloud eher durch Innovationsbrille betrachten und die Daten ablegen, wo sie rechtlich liegen dürfen und wo man sich komfortabel dabei fühlt. Tatsächlich gehen viele Kunden an das Cloud-Thema immer noch sehr infrastrukturell heran. Wichtiger ist aber ein Konzept, wo sie die volle Kontrolle und den Zugriff auf ihre Daten behalten, unabhängig davon, wo sie residieren. Der Kunde muss sich als Master verstehen, der die Daten so schiebt, wie er es will. Das ist die Anforderung und hier kommen wir ins Spiel und planen entsprechende Konzepte.
Was gehört bei Plusserver der Vergangenheit an?
Aus unserer Hosting-Vergangenheit stammen noch sehr viele hochdedizierte Systeme, wo uns Kunden ihre Architektur komplett übergeben haben, oder wo der Kunden sogar selbst die Hardware ausgewählt hat. Das bieten wir nicht mehr an, weil wir diese nicht mehr automatisiert managen können. Denn Skalierung nach oben oder unten können Cloud-Provider nur über hochgradige Automatisierung erreichen. Hierzu braucht es eine Standard-Architektur.
Wird das von den Kunden akzeptiert?
Wenn die Cloud eines erreicht hat, dann ist es die Akzeptanz von Standards. Ein CIO hat mir vor Jahren einmal gesagt: Wenn man eines von US-Hyperscalern lernen könne, dann sei es „Nein“ zu sagen. Die agierten wie McDonald’s. Dort würden die Zutaten für einen Cheeseburger auch nicht in Camembert statt Cheddar und zwei Käsescheiben statt einer geändert, auch wenn es der Kunde gerne so hätte. Die Public Cloud hat es geschafft, dass Standards akzeptiert werden. Standard heißt aber nicht, alles über einen Kamm zu scheren. Der Charme ist, dass die Bereitstellung standardisierter Prozesse, der Betrieb oder die Deeskalation automatisiert sind, was Fehler reduziert. Kunden, deren IT wir auf Standard-Umgebungen transformiert haben, sagen heute, dass sie jetzt ruhiger schlafen.
Wie soll es bei Plusserver weitergehen?
Unsere Lösungen werden auch weiterhin aus Deutschland kommen. Wir machen auch kein Offshoring bei der Entwicklung. Das ist uns im Sinne des Sovereign Cloud Stack einfach wichtig. Zudem gehört für uns zu digitaler Transformation und der Entwicklung von Cloud-Konzepten das Ökosystem unbedingt dazu. Denn jedes Konzept braucht Umsetzung, Integration, Managed Services. Dafür sind Partnerschaften elementar wichtig. Wir arbeiten einerseits intensiv mit Beratungshäusern, andererseits mit dem klassischen deutschen Systemhaus-Kanal zusammen. Die Kooperation mit Bechtle ist ein gutes Beispiel hierfür. Denn Bechtle hat Kundenbeziehungen, die teilweise 20 oder sogar 30 Jahre zurückgehen. Zusammen mit Bechtle wollen wir hier modernere, agilere IT- und Cloud-Konzepte entwickeln und peu à peu umsetzen.
Werden wir dann in Zukunft noch von der ein oder anderen großen Kooperation hören?
Sicherlich. Der Bedarf an europäischen bzw. deutschen Cloud-Lösungen ist riesig. Insofern ist das Potenzial von Plusserver eigentlich nicht limitiert. Die Wachstumsraten, die US-Hyperscaler Amazon, Google oder Microsoft verzeichnen, zeigen dies deutlich. In unserem Markt sind ähnliche Wachstumsraten möglich, wenn auch auf kleinerem Raum. Meine Mission für das kommende Jahr wird sein: Plusserver auf dieses Wachstum vorzubereiten, vor allem auf Seiten der Organisation. Und den Brand zu schärfen. Viele kennen Plusserver nur als „die coolen Web-Hoster“. Es gibt aber noch genug, die uns nicht als Option für eine deutsche Cloud wahrnehmen. Dass hier der Groschen fällt, wird meine Aufgabe in den nächsten Monaten sein. Und auf die nächsten Jahre gesehen, wollen wir natürlich an diesem massiven Wachstumspotenzial partizipieren. Wir haben einen guten Plan.
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