Bei Branchenkennern nachgefragt Gehören Container schon bald zum alten Eisen?
Mit Containern ist eine neue Technologie angetreten, die Anwendungsentwicklung zu revolutionieren. Nach Ansicht mancher Experten sind sie sogar die Voraussetzung für die weitere Ausbreitung von Multi Clouds in Unternehmen. Wir haben uns in der Szene umgehört: Microservices und Container sind gerade en vogue, aber werden sie uns auch langfristig erhalten bleiben?
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Die Euphorie unter Experten und der Entwicklerszene rund um den Einsatz von Containern ist groß: „Die Containerisierung ist ein Aspekt des so genannten ‚Micro-Service‘-Ansatzes, bei dem eine Anwendung in kleine, atomare, gekapselte Einheiten mit begrenztem Funktionsumfang zerlegt wird. Diese Container können dann wiederum dynamisch zu komplexen Anwendungen zusammengesetzt und auf verschiedene Plattformen verteilt werden. Dadurch wird die gleichzeitige Verarbeitung mehrerer Aufgaben ermöglicht. Der Vorteil ist, dass Mikroservices die Entwicklung - meist mit superagilen DevOps - und Wartung vereinfachen, die Reaktionsfähigkeit auf sich ändernde Anforderungen verbessern, Skalierbarkeit auf einzelnen Service Levels ermöglichen und zur Kosteneffizienz beitragen“, so Rupert Lehner, seit August 2018 Head of Fujitsu Central Europe.
Noch zeigen sich die potenziellen Anwender begeistert, aber kein Rausch ohne Kater: Laut dem Gartner Hype Cycle befand sich das Thema “Container” gerade zum Jahreswechsel auf dem Höhepunkt, genauso wie KI, IoT und die Multi Cloud. Von nun an geht es bergab in das Tal der Tränen (um dann nach Monaten oder Jahren als ausgereifte Technologie wieder aufzustehen). Müssen wir uns also darauf einstellen, dass Container bald zum alten Eisen geworfen werden?
Eher nicht, sagen die Gartner-Analysten Dennis Smith und Arun Chandrasekaran. Die beiden Fachleute haben vergleichsweise früh, nämlich bereits 2016 und 2017 empfohlen, Container für die Modernisierung veralteter Anwendungen heranzuziehen und damit Cloud-native Anwendungen zu erstellen. Damals wie heute betrachten Sie aber das Container-Ökosystem als noch unausgereift.
Bei Containern handelt sich nach Ansicht von Smith und Chandrasekaran also um kein altes, sondern um ein sehr junges Eisen, dass besagtes Tal der Tränen durchschreiten muss, um dann als vollwertige Technologie quasi zur „Commodity“ zu werden. Aktuell empfehlen Smith und Chandrasekaran Unternehmen das „Herumexperimentieren“ mit Containern und Microservices.
Ob sie dabei halten, was sie versprechen? Wer weiß das schon in diesen agilen Zeiten?
Containers are here to stay
Einer weiß es! „Container sind hier, um zu bleiben”, behauptet fast trotzig der CTO der Cloud Foundry Foundation Chip Childers. „Anhand unserer globalen Studien verfolgen wir seit Jahren alle Trends rund um Container und glauben, dass sie vor einiger Zeit den entscheidenden Schritt gemacht haben. In unserem Report aus dem Jahr 2016 haben wir die Begeisterung für das Potenzial von Containern festgehalten — allerdings wurde damals deren Nutzung durch die komplexen Herausforderungen des Einsatzes, Managements und Orchestrierens von Containern in großem Maßstab eingeschränkt. Bis 2017 haben wir ein stetiges Wachstum des Interesses erlebt, aber tatsächliche angekommen waren Container im Unternehmen immer noch nicht. Die Umsetzung von Container-Szenarien war in den meisten Firmen noch in der Anfangsphase oder nur sehr begrenzt belastbar.“
Das hat sich nach den Worten von Childers aber im vergangenen Jahr geändert. Untersuchungen hätten ergeben, dass die Unternehmen zunehmend eine Kombination verschiedener „Cloud native“-Technologien einsetzten, allen voran PaaS, Container und Serverless Computing. „Gerade Container wurden immer mehr angenommen, weil die zugehörigen Orchestrierungsplattformen ausgereifter geworden sind, genau wie die entsprechenden Anwendungsplattformen. Container sind damit ein fester Bestandteil von Multi-Plattform-Ansätzen geworden.“
Auch andere Cheftechnologen zollen den Containern Respekt, weisen ihnen aber eine geringere Bedeutung zu. „Bei Topcoder definieren wir die Hybrid Cloud als Produktionsumgebung, die on-premise/Private Cloud und Drittanbieter-Umgebungen mit Public Cloud-Diensten verbindet, eine Orchestrierung sorgt für Ordnung zwischen den Plattformen. Die Nutzung von on-premise wird zurückgehen, mit oder ohne Container”, so der Topcoder-CTO David Messinger.
Er stellt vor allem die Bedeutung von Containern für die Anwendungsentwicklung heraus: „Die Containerisierung nützt wirklich dabei, Dienste und Funktionen auf Public Cloud-Plattformen und schließlich Serverless-Umgebungen zu ziehen. Und wir gehen davon aus, dass in Zukunft die Entwicklung von Frameworks und Anwendungen durch eine Kombination aus Serverless- und Container-basierten Lösungen die Norm sein wird.“
Hindernis Komplexität
Doch der Einsatz von Containern ist nicht ohne Tücken. „Die Container-Orchestrierung und -Verwaltung sind viel komplexer, als viele Unternehmen es in ihrer Begeisterung zunächst annehmen“, berichtet Childers. „Gerade Eraly Adopters neigen dazu, ‚ihr eigens‘ Container-Management-System zu bauen. Das ist in der Regel zum Scheitern verurteilt.“
Daher haben Orchestrierungswerkzeuge wie Kubernetes eine aktuell so starke Präsenz im Markt. „Es gibt verschiedene Einsatzmodelle von Kubernetes, von selbstverwalteten Softwarelösungen bis hin zu anbietergeführten Cloud-Services, die jeweils eine richtige Wahl für verschiedene Szenarien sind. I & O-Führer sollten diese Forschungsnote nutzen, um die Zielkonflikte jedes Modells zu verstehen und ein richtiges Einsatzmodell zu bestimmen”, raten die Gartner-Analysten Smith und Chandrasekaran.
Für Insider ist längst klar, dass die Orchestrierung von Microservices und Containern unbedingt den Managed Service-Anbietern überlassen werden muss. Bei einer so genannten „Managed Cloud“ verlässt sich der Kunde auf die Expertise des Anbieters, eigenes Cloud-Knowhow ist nicht erforderlich. Laut der Studie „Managed Cloud Innovation” von Crisp übernimmt für über die Hälfte (52 Prozent) der Unternehmen ein Managed Public Cloud Provider (MPCP) oder ein Managed Hybrid Cloud Provider (MHCP) den Betrieb der Infrastrukturen.
Die MHCP unterscheiden sich von den MPCP durch eigene Infrastrukturen und die Bereitschaft, bestehende Infrastrukturen von Unternehmen – gerne auch deren Private Cloud - mit in die Architektur aufzunehmen. Beide Kategorien von Providern sind jedoch laut dem „Crisp Vendor Universe Report 2018“ breit aufgestellt.
Die Komplexität von auf Microservices basierenden Containern kann Anwender also erschlagen. Dabei sind sie die Antwort auf eine andere Komplexität, nämlich die von Multi Cloud-Umgebungen, so Björn Böttcher von Crisp Research: „Wie lässt sich eine Software über unterschiedliche Plattformen und Infrastrukturen ‚bewegen‘, ohne dabei ständig an die jeweiligen Voraussetzungen für das Deployment und den Betrieb angepasst zu werden“? fragt er, um sogleich die Antwort darauf zu geben: „Unterschiedliche Hardware- und Softwarekonfigurationen sowie Abhängigkeiten zu wechselnden Softwareversionen sorgen für eine stetig steigende Komplexität. Abhilfe können hier Container-Technologien leisten. Denn die Voraussetzungen, um mit Containern in der Entwicklung zu starten sind sehr gering.“
Hindernis Security
Aber nicht nur erschlagende Komplexität, auch ein anderes basales Thema der IT tangiert die Container: Sie haben sicherheitsrelevante Schwachstellen. Wie Kollegin Ariane Rüdiger darlegt, gibt es in Container-Infrastrukturen eine Reihe von Angriffsvektoren.
Beispielsweise könnten Angriffe direkt auf den Container zielen, unautorisierte Netzwerkverbindungen bereiten Probleme, und auch Worker-Knoten, auf denen die Container liegen, sind eine potentielle Zielscheiben. Auch im marktführenden Orchestrierungs-Werkzeug Kubernetes gibt es Schwachpunkte, etwa in der Steuerungsschicht oder in der systemrelevanten „etcd“-Datenbank,.
Was folgt auf die Ernüchterung?
Nach dem Jubel der Container-Fans 2018 wird sich in diesem Jahr aus den genannten Gründen Katzenjammer breit machen. Dennoch ist die Entwicklung nicht aufzuhalten.
Was wird wohl nach den Containern kommen? „Wie ich schon sagte: Container sind hier, um auf absehbare Zeit zu bleiben. Künftig werden sie auch eine immer wichtigere architektonische Rolle auf Serverless-Plattformen spielen. Unikernels könnten groß werden, aber sie existieren schon seit geraumer Zeit und ich sehen keine großen Umsetzungen außerhalb bestimmter Anwendungsfälle“, so Chip Childers. „Wenn es jedoch eine Sache gibt, die in der Technologie sicher ist, dann ist das der Wandel. Unternehmen müssen sich weiterhin an neue Systeme anpassen, von denen Container ein Bestandteil sein dürften.“
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