IDC beklagt Cloud-Wildwuchs Die Schattenseite der Covid-gepuschten Digitalisierung
Nach zwei Jahren furiosem Cloud-Engagement im Zeichen von Corona blicken viele IT-Entscheider zurück und erschrecken ob des Wildwuchses in ihren Unternehmen. Services, Anwendungen und Collaboration allerorten! Höchste Zeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und die Cloud in geordnete Schranken zu weisen.
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Jahrelang haben die Experten gepredigt, dass für Unternehmen an der Digitalisierung kein Weg vorbeiführt. Oft mit nur durchwachsenem Erfolg. Dann kam das Virus, und seit 2020 überschlagen sich Firmen, öffentliche Einrichtungen und andere Organisationen bei der Einführung von meist Cloud-basierten Lösungen. „Die Pandemie hat zu einem nachhaltigen Digitalisierungsschub in der deutschen Wirtschaft geführt“, berichtet uns Bitkom-Präsident Achim Berg Ende vergangenen Jahres. Er stützte sich dabei auf selbst erhobene Daten einer repräsentativen Umfrage unter 602 Unternehmen ab 20 Beschäftigten.
Neun von zehn Unternehmen geben demnach an, dass durch die Corona-Pandemie die Digitalisierung im eigenen Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat. 94 Prozent sehen einen Bedeutungszuwachs der Digitalisierung für die deutsche Wirtschaft insgesamt. Für Lösungsanbieter und Cloud-Provider ist das ein Traum, der für die Anwender gerade zum Alptraum zu werden droht, denn sie blicken auf zwei Jahre Wildwuchs zurück.
Dieser Wildwuchs macht sich in Form von Software-as-a-Service aller Art, Private Clouds, der umfangreichen Nutzung von Public-Cloud-Domänen sowie Maßnahmen wie Videokonferenzen oder Kollaborations-Tools in Unternehmen bemerkbar. Er ist zusätzlich bedingt durch die unaufhaltsame Wucherung der zu sammelnden Daten, die es einerseits wegen Compliance-Vorgaben sicher abzulegen, andererseits für mehr Einsicht und den damit verbundenen Wettbewerbsvorteil zu analysieren gilt.
„Die Pandemie hat auf die Investitionen in und die Bereitstellung von digitalen Lösungen durch Unternehmen eine beschleunigende Wirkung gehabt. IDC geht deshalb davon aus, dass 2022 mehr als die Hälfte der weltweiten Wirtschaftskraft auf digitalen Lösungen basieren oder unter deren Einfluss stehen wird“, so Sammy Zoghlami, SVP EMEA bei Nutanix, das IDC den Auftrag für die Untersuchung mit dem Titel „From Digital Culture to Value Realisation” gegeben hat.
Das Analystenhaus stellt dann auch fest, dass die Umwandlung von Daten in neue Einkommensquellen für Unternehmen in EMEA an oberster Stell steht. Die bisher verfolgten Strategien haben das tendenziell suboptimal umgesetzt – lediglich drei Prozent der Entscheider berichteten, dass ihre unternehmensweite digitale Strategie zu neuen Einnahmequellen geführt hat.
Der Wildwuchs muss bekämpft werden
Der Corona-bedingte Digitalisierungsschub sorgt also für eine stärkere Beschäftigung mit entscheidenden digitalen Technologien. Neben der Cloud, die mittlerweile praktisch zur Commodity geworden ist, nutzen beziehungsweise planen drei Viertel der deutschen Wirtschaft die Nutzung von Big Data. Das Internet of Things, das insbesondere bei der vernetzten Produktion wichtig ist, beschäftigt zwei Drittel. Jedes dritte Unternehmen evaluiert künstliche Intelligenz oder nutzt schon entsprechende Verfahren. „Die Auseinandersetzung mit wichtigen digitalen Technologien kommt in den Unternehmen in aller Breite an“, so Berg.
Die Beherrschung des Cloud-Wildwuchses wird damit zur zentralen Herausforderung für IT-Entscheider. „Die Unternehmen beurteilen und nutzen die IT mittlerweile strategischer als jemals zuvor. Die Komplexität der Multi-Cloud birgt jedoch Herausforderungen, die dem Cloud-Erfolg im Wege stehen“, kommentiert Rajiv Ramaswami, President und CEO bei Nutanix. „Lösungen für dieses Komplexitätsproblem bahnen den Weg zu einem neuen hybriden Multi-Cloud-Modell, das die Cloud eher zu einem Betriebsmodell als zu einem Ort macht.“
Zoghlami erläutert flankierend: „Die Studie zeigt deutlich, dass Unternehmen potenzielle Herausforderungen und Kosten miteinkalkulieren müssen, wenn sie mehrere Cloud-Instanzen betreiben. Das unterstreicht den anhaltenden Bedarf an besserem Multi-Cloud-Management und optimierter Bereitstellung, um Cloud-Wildwuchs zu vermeiden.“
Finanzabteilungen drängen auf Lösungen
Steigende Kosten? Das ruft zunehmend die Finanzabteilungen auf den Plan. Sie fordern Maßnahmen, um die Cloud-Nutzung zentral zu managen und die Ausgaben damit einzudämmen. 77 Prozent der von IDC befragten Unternehmen haben in Folge ihre Einkaufsprozesse umgestaltet und die Nutzung verbrauchsabhängiger Bezahlmodelle ermöglicht. 58 Prozent optimierten die Ausgaben von Fach- und Entwicklungsabteilungen für externe Cloud-Ressourcen, während 55 Prozent den Kostenaufwand für ihre On-Premises-Legacy-Systeme gesenkt haben.
„Kunden wollen nicht länger nur Infrastrukturlösungen, die sie dabei unterstützen, kurzfristig Kosten zu sparen. Sie wollen vielmehr Lösungen, die ihnen die Flexibilität bieten, verschiedene hybride Cloud-Umgebungen zu nutzen und dabei gleichzeitig die Betriebskosten auf lange Sicht zu senken. Genau wie Digital-first-Systeme eines kulturellen Wandels bedürfen, muss auch die Technologie runderneuert werden. In der Folge kann ein Unternehmen Innovationen entwickeln, mit Partnern zusammenarbeiten und neue Einnahmequellen ausloten“, erläutert Andrea Siviero, Associate Research Director bei IDC.
Lösungen gegen den Wildwuchs
Was also ist zu tun? Für die in der Studie Befragten liegt es auf der Hand, sich von hierarchischen Strukturen zu verabschieden und zu durchlässigeren und besser orchestrierten Ansätzen zwischen IT- und Führungsteams überzugehen. Nur so könne eine digitale Strategie Wirkung zeigen. An grundlegenden Maßnahmen ziehen die Verantwortlichen folgende drei Antworten in Betracht:
- Förderung eines Bewusstseinswandels im Management,
- Neudefinition der Ziele und Bewertungen existierender und neuer Geschäftsfelder,
- Förderung von Verhaltensänderungen der gesamten Belegschaft durch die Neuformulierung des Unternehmenszwecks und der Handlungsleitlinien.
Kein Weg führt aber vor allem an einem vorbei: Der Konsolidierung oder Orchestrierung der genutzten Cloud-Services. Nur so können unnötige Ausgaben vermieden werden. Doch wie soll das gehen?
Outsourcing an Managed Service Provider
Nicht immer ist ein Anwenderunternehmen, den Wildwuchs in Eigenregie unter Kontrolle zu bringen. Die Gründe dafür sind vielfältig – Personalmangel oder fehlendes Know-how werden oft genannt. Manchmal rechnet sich die Aufstockung interner Ressourcen auch einfach nicht. In diesem Fall können Managed Service Provider (MSP) aushelfen, die auch anspruchsvoller Unternehmensfunktionen übernehmen können.
„Prinzipiell sind CIOs und IT–Architekten nicht mehr auf einen Systemintegrator oder Managed Services Provider angewiesen. In der Realität zeigt sich aber, dass aufgrund der wachsenden Komplexität und des Mangels an internen Skills, viele Unternehmen faktisch nicht in der Lage sind diese Angebote zu nutzen, ohne externe Partner einzubeziehen“, befanden bereits vor geraumer Zeit die Berater von Cloudflight.
Der Begriff MSP wurde traditionell auf infrastruktur- oder gerätezentrierte Arten von Diensten angewendet, hat sich jedoch auf kontinuierliches, regelmäßiges Management, Wartung und Support ausgeweitet. MSP stellen heute Services inklusive Netzwerk, Anwendungen, Infrastruktur und Security über fortlaufenden und regelmäßigen Support und eventuell aktive Administration vor Ort beim Kunden, im Rechenzentrum seines MSP (Hosting) oder in einem Rechenzentrum eines Drittanbieters bereit.
MSP können ihre eigenen nativen Dienste in Verbindung mit den Services anderer Anbieter bereitstellen, zu denken wäre etwa an einen auf Security spezialisierten MSP, der einen Systemadministrator zusätzlich zu einem Cloud-IaaS eines Drittanbieters bereitstellt. Reine MSPs konzentrieren sich auf einen Anbieter oder eine Technologie, in der Regel ihre eigenen Kernangebote. Viele MSP inkorporieren Services von anderen Anbietertypen.
Orchestrierung der Hybrid Cloud
Gelingt es den IT-Verantwortlichen in Unternehmen, sich einen umfassenden Überblick über den Cloud-Wildwuchs zu verschaffen, dann ist der Schritt hin zur Orchestrierung der verschiedenen Services nicht mehr weit. „In der IT bedeutet Orchestrierung die Komposition mehrerer Einzeldienste zu einem Gesamtservice“, erläutert CloudComputing Insider.
„Die Orchestrierung weist den Diensten, Prozessen, Webservices, Anwendungen oder Workloads konkrete Aufgaben zu und steuert die Abhängigkeiten untereinander. Mit der Cloud-Orchestrierung werden Services unterschiedlicher oder gleicher Cloud-Umgebungen und -Anbieter zu einer Gesamtkomposition kombiniert.“ Die Orchestrierung der Cloud verhindere zudem, dass die Fachabteilungen Cloud-Services in eigener Regie nutzen und die IT-Abteilung die Kontrolle behält. Auch IT-Silos und Daten-Inseln werden durch ein zentrales IT-Management vermindert.
Das verschafft der Orchestrierung eine breite Akzeptanz. Die Analysten von Allied Market Research berichten uns von einem enormen Wachstum der globalen Cloud-Orchestrierungsbranche. Dieses führen sie in erster Linie auf die wachsende Nachfrage nach optimaler Ressourcenauslastung, der Bedarf an Self Service-Provisioning und die steigende Nachfrage nach kostengünstiger Prozesseinrichtung und -automatisierung zurück.
Mit Hilfe der Orchestrierung scheint der Cloud-Wildwuchs gut in den Griff zu bekommen sein. Doch es geht noch besser.
Besser als Orchestrierung: Konsolidierung von Anfang an
Orchestrierung ist ein stark nachgefragtes und stetig im Wachstum begriffenes Segment der IT. Der einfachste Weg zum zentralen Cloud-Management besteht aber – wenn möglich – in der Konsolidierung der verschiedenen Services von Anfang an, und zwar in Form einer Infrastruktur, die für Cloud-Anwendungen, Container-Technologien, künstliche Intelligenz sowie Big Data ausgelegt ist und hohe Skalierbarkeit, Verfügbarkeit und Agilität gewährleistet. Sie muss auch unbedingt die weitgehende Automatisierung von IT-Prozessen ermöglichen, ansonsten würde der Administrationsaufwand überhandnehmen. Generell empfiehlt sich ein einheitliches Life Cycle Management (LCM). Damit wird die unterbrechungsfreie Wartung der kompletten Infrastruktur möglich.
Diese Anforderungen erfüllt beispielsweise eine hyperkonvergente Infrastruktur (HCI). Sie hat die Bereitstellung, die Verwaltung und Skalierbarkeit von Rechenzentren durch eine Kombination von x86-basierten Server-, Speicherressourcen und einer intelligenten Management-Software deutlich vereinfacht. Server, Netzwerke und Storage werden durch eine einzige, schlüsselfertige Software-definierten Lösungen ersetzt, die sich einheitlich erstellen, verwalten und orchestrieren lässt.
Das radikal vereinfachte Management hilft, Kosten und Ressourcen einzugrenzen. Nicht benötigte Public-Cloud-Cluster können mit nur einem Klick stillgelegt werden. Portable Lizenzen, flexible Zahlungsmodelle sowie Kosten- und Ressourcenmanagement dezimieren die Cloud-Ausgaben weiter. Dafür gibt es entsprechende Lösungen, etwa Xi Beam von Nutanix, das das Analystenhaus Gartner als führend im Bereich HCI betrachtet.
Management muss an einem Strang ziehen
Die schönsten Architekturen und Werkzeuge bringen nichts, wenn das nutzende Unternehmen keine einheitliche Taktik verfolgt. In der einleitend angeführten Umfrage unter 500 Unternehmen zeigten sich viele von IDC Befragten überzeugt, dass die Verantwortung für das Multi Cloud-Management nicht länger ausschließlich auf den Schultern der IT-Abteilung lasten kann. Die Umfrageteilnehmer denken, dass sie vom Topmanagement insgesamt wahrgenommen werden muss. Dieses sollte gemeinsam an einem Strang ziehen und die Cloud als Vorbild und Basistechnologie nutzen.
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