Gastkolumne von Dr. Werner Vogels, CTO von Amazon Die Digitalisierung birgt komplett neue Chancen für Unternehmen
Die digitale Ära ist extrem schnelllebig. Vor allem für Startups und Nischenanbieter, die oft flexibler als Großunternehmen agieren können, bietet diese enorme Chancen. Allerdings müssen auch kleine und wendige Firmen mit dem hohen Innovationstempo Schritt halten, das heute den Takt vorgibt. Und sie müssen alles dafür tun, dass bei ihren digitalen Geschäftsmodellen der Kunde in den Mittelpunkt rückt.
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Die Digitalisierung hat viele Branchen revolutioniert und etablierte Spieler oftmals „kalt erwischt“. Man braucht sich nur die Musikindustrie anzusehen: Zuerst digitale Downloads, später dann Streaming Services wie Spotify oder Soundcloud haben der CD innerhalb von kurzer Zeit den Rang abgelaufen. Aber auch in anderen Branchen gibt es derartige Beispiele.
Dank Digitalisierung sind heute für kleinere Firmen Technologien verfügbar, die früher unerschwinglich waren. Diese können davon im globalen Wettbewerb entscheidend profitieren, allerdings nur, wenn sie die Interessen und Wünsche der Kunden konsequent in den Fokus stellen. Denn gerade in fertigungsintensiven Bereichen wird immer mehr Software eingesetzt. Die Folge: Die Fixkosten sinken, und das globale Geschäft lässt sich besser skalieren. Damit können sich heute auch kleinere Unternehmen Märkte erschließen, die früher den großen Konzernen vorbehalten waren.
Der Kunde im Fokus
Wer profitieren will, muss in der Lage sein innovative digitale Erlebnisse für seine Kunden zu schaffen. Auch wir bei Amazon haben unsere Aktivitäten und Experimente stets an den Interessen unserer Kunden ausgerichtet. Mit diesem kundenzentrierten Fokus können wir besonders viele Innovationen realisieren: Seit 2006 hat Amazon Web Services fast 3000 neue Services und Features auf den Markt gebracht. Und gute 90 Prozent davon basieren direkt auf Kundenwünschen.
Eine Unternehmenskultur, in der digitale Innovationen gedeihen, setzt voraus, dass das Angebot immer wieder an die sich schnell verändernden Anforderungen der Kunden angepasst wird. Es gibt in Deutschland bereits Unternehmen, die das tun. Eines davon ist Vorwerk und seine Premiummarke Thermomix, ein Alleskönner in der Küche. Dieses Produkt ist seit über 50 Jahren auf dem Markt. Aber die Art, wie Kunden heute kochen, unterscheidet sich grundlegend von den 60er Jahren. Heute muss kochen bequem, gesund und schnell sein. Die Menschen möchten Gerichte ohne viel Mühe zubereiten und sie schätzen es, während des gesamten Kochprozesses an die Hand genommen zu werden – vom Aussuchen des Rezeptes aus der Cloud bis hin zum fertigen Gericht.
Selbst wenn sie (noch) keinen echten Veränderungsdruck verspüren, sollten Unternehmen, die zu echten digitalen Innovatoren werden wollen, ihre Komfortzone verlassen. Positiver formuliert: sie müssen anstreben, nicht nur die Anforderungen ihrer Kunden zu erfüllen, sondern sie zu antizipieren.
SKF, ein Weltmarktführer für Kugellager und ein Zulieferer für viele Branchen macht hier eine gute Figur. Das Unternehmen denkt die Strategie des Kunden mit: SKF fragt sich zum Beispiel, wo die neuralgischen Punkte im Geschäftsmodell von Windturbinen-Betreibern liegen. Die Wartung dieser Windturbinen ist aufwendig, weil die Anlagen geographisch weit auseinanderliegen. Gleichzeitig müssen sie zuverlässig laufen, wenn die Windverhältnisse ideal sind. SKF entwickelt proaktiv Leistungen, die über das eigene Kerngeschäft hinausgehen. In diesem Fall, indem das Unternehmen Möglichkeiten schafft, die Windkraftanlagen mobil und cloudbasiert zu betreiben und zu warten.
Neue Möglichkeiten der Wertschöpfung
Die Digitalisierung erschließt für Unternehmen völlig neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. Wer sich eingehend mit den Chancen digitalen Innovierens befasst, wird automatisch beginnen darüber nachzudenken, welchen Wert man in einem Markt künftig schaffen möchte. Beckhoff, ein führender Hersteller von Automatisierungstechnik, ist hierfür ein gutes Beispiel. Beckhoff entwickelte eine Lösung, die Daten von zentralen Fertigungssystemen aus der Werkshalle seiner Kunden in die Cloud sendet. Diese Konnektivität eröffnet eine Kommunikation in zwei Richtungen. Plötzlich sind Kunden von Beckhoff in der Lage, ihre Maschinendaten über die Cloud senden und empfangen. Das bedeutet, sie können von überall auf der Welt ihre Fertigung steuern oder ihre Anlagen warten. Mit einem solchen Angebot wandelt sich das Unternehmen vom Hard- zum Softwareanbieter. Und nicht nur das: Beckhoff treibt mit seinen Lösungen den Wandel des Geschäftsmodells seiner Kunden voran. Dadurch nimmt das Unternehmen in der Wertschöpfungskette eine ganz neue Rolle ein.
Die richtige Einstellung gegenüber digitalen Innovationen in der Unternehmenskultur zu verankern, klappt nicht von heute auf morgen. Gleichzeitig wächst aber die Zahl der Unternehmen, die in der digitalen Welt erfolgreich sind, weil sie genau das geschafft haben. Sie beweisen, dass es die Anstrengung wert ist. Damit ist dann nicht nur die reine Existenz gesichert, sondern der Grundstein für eine blühende Zukunft gelegt.
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