Software made in Germany Das „Bauchgefühl“ bei Software-Kauf und Datenhaltung
Vor rund 15 Jahren gründeten die Brüder Christian und Thomas Fischer TecArt. Mit ihrer browserbasierten All-in-One-Business-Suite stoßen sie in Gefielde vor, die stark von US-Konzernen besetzt sind. Die Kollegen unserer Schwester-Publikation IT-BUSINESS befragten die beiden Unternehmer über „Software made in Germany“.
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ITB: Ihr Unternehmen TecArt stellt CRM-Software mit integrierten Groupware- und Kontaktmanagement-Funktionen her. Das klingt erst einmal ziemlich abstrakt. Was lässt sich damit im Büroalltag alles abdecken?
Christian Fischer: Im Grunde sprechen wir von einer browserbasierten All-in-One-Business-Suite, die die gesamte Zusammenarbeit im Unternehmen strukturiert und verbessert. Ausgerichtet ist die Software dabei auf die Bedürfnisse von Geschäftskunden – über Abteilungen und Branchen hinweg. Unsere clevere E-Mail-Verwaltung zum Beispiel, ermöglicht die automatische Ablage der Mails im Kontext zu Kontakten oder Projekten. Hinzu kommen Aufgaben sowie Termin- und Dokumentenverwaltung mit einer 360-Grad-Sicht auf alle relevanten Informationen.
ITB: Wie ist das mit der 360-Grad-Sicht zu verstehen?
Thomas Fischer: Sie erhalten einen Rundum-Blick auf wichtige Informationen zu einem Vorgang, beispielsweise Angebote, Termine, Projektstatus, verschickte Dokumente, Daten zu Subunternehmen und Lieferanten. Möglich machen dies verschiedene Module, die eine ganzheitliche Groupware mit CRM- und E-Mail-Funktionen bilden. Zu diesen Modulen zählen beispielsweise ein Dokumenten-Management-System, Kontaktverwaltung, Anruf-Management, Projektverwaltung oder auch Vertragsmanagement und Rechnungswesen. Wo Firmen sonst verschiedene Softwaresysteme benötigen, wird dies bei TecArt durch eine einzige Software realisiert. Weiterhin gewünschte Softwarefeatures und -module können durch sauber dokumentierte Schnittstellen noch jederzeit integriert werden.
ITB: Systemhäuser, die das TecArt-CRM-System vertreiben, werden es wahrscheinlich großteils selbst einsetzen. „Eat your own dogfood“, heißt es in den USA so schön. Welche modularen Erweiterungen gibt es speziell für das Systemhausgeschäft?
Thomas Fischer: Im Tagesgeschäft von IT-Systemhäusern helfen Add-Ons für ein Ticketsystem bei eingehenden Calls, Termin- und Urlaubsplanung, Kundenverwaltung und ein Abrechnungssystem, mit dem unter anderem die Arbeitszeiten von Technikern beim Kunden praxisgerecht erfasst werden können.
ITB: Im Rahmen einer Kooperation soll aufbauend auf diesen Systemhaus-Komponenten eine eigene IT-BUSINESS-Edition mit Sonderkonditionen für unsere Leser auf den Markt kommen. Wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten?
Christian Fischer: Die IT-BUSINESS-Edition wird im Laufe des Jahres 2014 auf den Markt kommen. Diese Version wird speziell auf die Anforderungen im Tagesgeschäft von IT-Systemhäusern und IT-Dienstleistern ausgelegt sein. Neben dem Ticketsystem, einer Arbeits- und Projektzeiterfassung mit Auswertungs- und Abrechnungsmöglichkeiten kommen weitere Module in Frage, zum Beispiel eine Preisvergleich-Suchmaschine für IT-Produkte. Gerne können Ihre Leser hier weitere Ideen und Anregungen einbringen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr zum Kernsystem und den Basismodulen der TecArt-Lösung.
ITB: Zurück zum Kernsystem: Es gibt Basismodule für E-Mails, Kontakte, Termine, Aufgaben und Dokumente. Zusatz-Lösungen können modular angedockt werden. Wie umfangreich ist hierbei die Integrationstiefe in Hinblick auf Unternehmensprozesse? Haben Sie ein anschauliches Beispiel parat?
Christian Fischer: Beispielsweise können auf Basis unserer offenen Schnittstellen Telefonanlagen eingebunden werden. Entsprechende Konnektoren stehen auf einem TecArt-eigenen Marktplatz zur Verfügung, in dem Lösungspartner solche Erweiterungen anbieten können. In der Praxis steht hier meist ein konkretes Kundenprojekt Pate, zum Beispiel die Anbindung einer Starface-Voice-over-IP-Anlage. Erstellt einer unserer Partner eine entsprechende Lösung zur Anbindung, kann er diese über unseren Marktplatz für andere Projekte vermarkten. Oft drehen sich Zusatzlösungen aber auch um Anforderungen spezieller Branchen, für die wir mit Lösungspartnern zusammenarbeiten, die spezielle Kenntnisse und Kunden, etwa in der Baubranche haben.
ITB: Im Grunde treten Sie mit der Lösung auch als Konkurrent zu Microsofts Outlook und IBMs Lotus Notes in Erscheinung. Wie schlägt sich eine relativ kleine Firma aus Erfurt gegen Global Player mit großen Research-Abteilungen im Silicon Valley?
Christian Fischer: Natürlich stehen wir in Konkurrenz zu Konzernen wie Microsoft oder IBM, die ungleich mehr Marktmacht aufweisen. Es gibt aber gute Gründe, warum sich immer mehr Unternehmen für TecArt entscheiden. Einer davon sind die Kosten. In den vergangenen eineinhalb Jahren sind die Anfragen stark gestiegen, und man kann durchaus sagen, dass uns auch die Snowden-Enthüllungen zunehmendes Interesse beschert haben. Weiterhin stellen wir fest, dass Software von inhabergeführten Herstellern an Akzeptanz gewinnt.
ITB: Wegen der „Software made in Germany“-Thematik?
Thomas Fischer: Sagen wir mal so: Ein Firmensitz in Deutschland mit Datenhaltung in Deutschland sorgt vor dem Hintergrund der Patriot-Act-Problematik und dem breit diskutierten Thema „digitale Wirtschaftsspionage“ inzwischen bei vielen IT-Entscheidern für ein besseres Bauchgefühl.
ITB: Ein Rechtsstand in Deutschland mag hier von Vorteil sein. Aber von hundertprozentiger Sicherheit digitaler Daten kann inzwischen schlichtweg keiner mehr ausgehen.
Thomas Fischer: Da gebe ich Ihnen Recht. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgends. Auch nicht bei Alarmanlagen für ein Haus. Mal abgesehen davon, dass Notebooks irgendwo versehentlich liegen gelassen werden können, ist es inzwischen kein Geheimnis mehr, dass „Dienste“ auch Datenpakete über Infrastruktur-Knotenpunkte abfangen können, die im Netz unterwegs sind, sofern diese nicht verschlüsselt übertragen werden. Hier spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um Cloud-Systeme handelt oder um Inhouse-Lösungen großer und weltweit bekannter Hersteller. Wie darüber hinaus allgemein bekannt wurde, werden bei transatlantischen Verbindungen sogar Unterwasser-Kabel angezapft. Dass sich die Welt inzwischen so darstellt, können wir nicht ändern. VPN-Verbindungen, SSL-Verschlüsselung, Firewalls, Penetrationstests sind hier die Standard-Antwort auf solche Herausforderungen, auf die auch TecArt setzt. Durch den Rechtsstand in Deutschland können wir zumindest nicht zur Zusammenarbeit mit besagten „Diensten“ gezwungen werden.
Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr zur Partner-Strategie von TecArt.
ITB: Kommen wir zurück auf Ihre Partner-Strategie. Welche Wertschöpfung leisten TecArt-Partner in Projekten?
Christian Fischer: Solution Partner, die in spezifischen Kundenkreisen großgeworden sind, bringen über Add-Ons ihr Branchenwissen ein und können ihre Lösungen auch über unseren hauseigenen Marktplatz anbieten. Im Projekt selbst übernehmen sie dann – auch mit unserer Hilfe – die komplette Wertschöpfung: Beratung, Implementierung, Customizing, Schulung sowie den First-Level-Support. Auch Netzwerk- und Hardware-Geschäft spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Wir kooperieren auch mit Providern, die unsere browserbasierte Software für ihre Kunden in ihren Rechenzentren hosten. Daneben arbeiten wir mit Advice-Partnern zusammen, die zweistellige Vermittlungsprovisionen erhalten. TecArt konzentriert sich auf die Entwicklung des Kernproduktes und gibt Leads weiter, wenn sich Partner mit dem entsprechenden Know-how in der Region finden.
ITB: Welche technischen Bereitstellungsmodelle gibt es für TecArt-Lösungen?
Christian Fischer: Unsere Lösung ist browserbasiert und kann In-House beim Kunden, über externe Rechenzentren in Deutschland oder als reine SaaS-Variante über TecArt in Erfurt bereitgestellt werden.
ITB: Wie erlangen Solution Partner das nötige Know-how für ihr Tagesgeschäft?
Thomas Fischer: Wir bieten ein mehrtägiges Ausbildungsprogramm, in dem praxisgerecht die Implementierung unserer Systeme geschult wird. Außerdem stellen wir eine Reihe an Webinaren zur Verfügung und helfen – falls gewünscht – vor Ort mit, auch bei Verkaufsgesprächen. Wir helfen zudem bei Ausschreibungen, die gemeinsam mit dem Partner angegangen werden.
ITB: Kommen wir zu einer Gretchenfrage: Wie hält es TecArt mit dem Direktgeschäft?
Christian Fischer: Wir fahren ein hybrides Modell, haben also auch Direktgeschäft. Allerdings wollen wir weitere Partner gewinnen und mehr Geschäft über diesen Kanal abwickeln. In diese Kerbe schlägt dann auch unser Direktvertrieb mit Zielgruppen-Ansprache, der zu Leads für entsprechend aufgestellte Partner führt.
ITB: TecArt wurde 1999, also vor etwa 15 Jahren gegründet. Eine wachsende Basis an Partnern soll für mehr Marktdurchdringung sorgen, sagten Sie. Wie waren die Anfänge und wie stellen Sie sich die weitere Entwicklung konkret vor?
Thomas Fischer: Wir haben unsere Kraft in die Weiterentwicklung des Kernproduktes TecArt-CRM gesteckt und werden dies auch weiterhin mit voller Energie und Herzblut tun. Angefangen haben wir mit einem CMS-System, einer Shop-Lösung und CRM, auf welches wir uns schon früh und verstärkt in den letzten Jahren konzentriert haben. Alle anderen Entwicklungen und Dienstleistungen haben wir an Partner übergeben, sodass wir uns auf die Entwicklung des TecArt-CRM als Kernprodukt konzentrieren können. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: eine CRM-Software mit sehr umfangreichen Groupware-Funktionalitäten, samt E-Mail-Client, Rechnungs-Tool und mannigfachen Erweiterungsmöglichkeiten, wie das angesprochene Ticketing-System. In den letzten zwei Jahren hat unsere Bekanntheit stark zugenommen, sodass wir inzwischen auch von ungleich größeren Wettbewerbern wahrgenommen werden. Unser Ziel ist es, in absehbarer Zeit unter die Top-10 der Software-Hersteller für CRM/ Business-Lösungen in der EU zu kommen. Technologisch – das behaupte ich an dieser Stelle einfach mal – sind wir schon ganz vorne mit dabei.
Christian Fischer: Wachstumsimpulse versprechen wir uns vor allem aus neuen Partnerschaften im IT-Channel. Auch unser Marktplatz samt branchenspezifischer Lösungen und anderen Erweiterungen wird für die nötigen Impulse sorgen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite den Kommentar „Es knirscht im Marktgetriebe“.
Kommentar: Es knirscht im Marktgetriebe
Die Frage, wie stark sich staatliche Institutionen in das Marktgeschehen einmischen sollten, wird wohl schon so lange diskutiert, wie es die Kulturinstanz „Staat“ gibt. In dieser Kontroverse gibt es Stimmen, die von „spontaner Ordnung“ sprechen, die sich einstellen würde, wenn sich ein minimaler Staat auf die Herstellung äußerer und innerer Sicherheit konzentrieren würde. Der Rest des gesellschaftlichen Zusammenlebens sei dem freien Spiel aus Angebot, Nachfrage und freien Entscheidungen der Marktakteure zu überlassen.
Freilich darf jeder in dieser hochpolitischen Debatte seine eigene Meinung haben. Mir persönlich reicht es zu sehen, was der Marktmechanismus „Effizienzstreben“ in puncto Massennutztierhaltung für Lösungen parat hat, um zu erkennen, dass der Markt alleine nicht immer für die beste Lösung sorgt.
Oder wie es der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer mal formuliert hat: „Markt pur ist Wirtschaft pervers. Markt pur ist purer Wahnsinn.“
Vor dem Hintergrund dieser Kontroverse ist es spannend zu beobachten, welche Marktmechanismen im Rahmen des Abhörskandals – eines zweifelsohne ungerechtfertigten Eingriffs in Märkte – nun langsam aber sicher ihre Durchschlagskraft entfalten. Nachdem nun offen über Geheimgerichtsbeschlüsse gesprochen wurde, über die US-Unternehmen offenbar zur Zusammenarbeit mit den „Diensten“ gezwungen werden können, wird zunehmend über Backdoors in Soft- und Hardware-Produkten diskutiert. Kunden passen ihr Kaufverhalten an.
Ja, man achtet sogar zunehmend auf den Rechtsstand des Unternehmens, wegen der möglichen Folgen von US-Gesetzen wie des Patriot Acts. Nun begehren US-Internetkonzerne gegen ihren Überwachungsstaat auf – alles gute Beispiele für korrigierende Marktmechanismen
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