Hackathon im Zeichen der Wissenschaft Cloud-Provider Alibaba schreibt mit DLR KI-Wettbewerb aus

Autor / Redakteur: lic.rer.publ. Ariane Rüdiger / Florian Karlstetter |

Der Cloud-Provider Alibaba möchte in Deutschland und Europa bekannter werden und gleichzeitig neue KI-Algorithmen generieren. Nun läuft ein Programmierwettbewerb an, der den Gewinnern den Zugang zum chinesischen Markt eröffnen könnte.

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Data Scientists sind gefragt: Zusammen mit dem DLR ruft Alibaba Cloud weiteren KI-Wettbewerb ins Leben. Das Motto: Machine Learning for Earth Observation.
Data Scientists sind gefragt: Zusammen mit dem DLR ruft Alibaba Cloud weiteren KI-Wettbewerb ins Leben. Das Motto: Machine Learning for Earth Observation.
(Bild: © Сake78 (3D & photo) - stock.adobe.com)

Alibaba Cloud ist mit einem Cloud-Knoten in einem Kollokationsrechenzentrum von Vodafone in Frankfurt seit 2016 auf dem deutschen Markt präsent. Der Cloud-Gigant, der in China mit 47,6 Prozent Marktanteil weit an der Spitze der Provider liegt, betreibt derzeit etwa 50 Rechenzentren weltweit in 18 Regionen. Alibaba zielt im Cloud-Geschäft besonders auf konkrete vertikale Geschäftsfelder, nämlich Einzelhandel, Finanzen, Produktion, Medien und Internet, Logistik und Transport sowie Smart Cities. Innovation ist wichtig für das Unternehmen – in den kommenden Jahren sollen 15 Milliarden Dollar in die Weiter- oder Neuentwicklung von Technologie fließen. Wissensverarbeitung spielt dabei eine dominante Rolle.

Letztlich soll all dies natürlich auch einen geschäftlichen Nutzen haben. Alibaba möchte den oben genannten Branchen maßgeschneiderte Infrastrukturpakete für die Datenanalyse anbieten und die Services möglichst so abrechnen, dass für die Anwender ein Bezug zur realen Welt, die mit den Services verwaltet wird, gegeben ist. Das funktioniert bereits in Hanghzou, wo mit Hilfe von Alibaba-Algorithmen die Steuerung von Verkehrsanlagen in Echtzeit so optimiert wird, dass sich die Menge der Staus signifikant verringert hat. „Wir rechnen diesen Service nach der Zahl der Kreuzungen ab. Bei der Steuerung von Produktionsanlagen könnten wir die Zahl der überwachten Anlagen und die Menge der hergestellten Produkte zugrundelegen. Solche Werte stehen zwar in Relation zur Menge der genutzten Infrastruktur, sind aber für den Kunden greifbarer“, erklärt Dr. Wanli Min, leitender Wissenschaftler für Maschinenintelligenz bei Alibaba Cloud.

Schon mehr als 50 Hackathons

Seit vier Jahren führt Alibaba Cloud deshalb, unterstützt über seine Online-Plattform TianChi (HimmelSee), Hackathons für Data Scientists durch. Das Ziel solcher Hackathons ist es, reale Probleme mit der Analyse massenweise vorhandener Daten zu lösen. In mehr als 51 dieser Veranstaltungen wurden bisher neuartige Algorithmen entwickelt. Inzwischen haben mehr als 200.000 Studenten, 3400 akademische Institute oder Businsss-Groups in 91 Ländern und Regionen Projekte auf der Plattform bearbeitet.

Einmal jährlich führt Alibaba Cloud seit einigen Jahren einen großen internationalen Wettbewerb durch, nachdem sich bei internen Aufgabenstellungen gezeigt hatte, wie fruchtbar die Kooperation über die Plattform TianChi ist. Dabei stellt jeweils eine Institution einen umfassenden Datenfundus bereit und formuliert ein Anliegen, das die teilnehmenden Datenwissenschaftler mithilfe der Daten und ihrer Analysealgorithmen lösen sollen. Im vergangenen Jahr kooperierte Alibaba mit dem britischen Wetterdienst. Es entstanden Applikationen, mit denen analysiert wurde, wie sich Anti-Schwerkraftballons mit Hilfe vorhandener Windströmungen fortbewegen. Hypothese war, dass in Großbritannien bis 2050 ein großer Teil der Logistik über solche Ballons abgewickelt werden könnte. Das würde, so die Theorie, zu massiven Energieeinsparungen im logistischen Bereich führen.

Mehr Nutzen aus Satellitendaten

In diesem Jahr ist der Partner das DLR (Deutsches Institut für Luft- und Raumfahrt), einer der weltweit renommiertesten Spezialisten für Fernerkundung. Unter anderem wertet die DLR die Daten von im Orbit befindlichen Satelliten aus, die teils Radar- und teils Mikrowellensensoren besitzen. Die reflektierten Mikrowellen und Radarstrahlen der um die Erde kreisenden Satelliten werden zu Bildern verdichtet, die die gesamte Erdoberfläche erfassen. Doch die Bilder, die sich aus der Reflektion ergeben, sind für Laien schlicht unverständlich und müssen deshalb in verständliche Formate umgesetzt werden. Das erforderte bisher zeitraubende und arbeitsaufwändige manuelle Klassifikationsverfahren.

Inzwischen wurden 400.000 Bilder nach Ökosystemtypen – von Bebauung mit dicht stehenden Hochhäusern bis hin zu Wald oder See – klassifiziert. Die Erfassung des gesamten Globus über ein Jahr hinweg ergeben 4 PByte Satellitendaten, die bisher manuell bearbeitet wurden. Die aus den Datenbergen resultierenden Informationen stellt das DLR teils als käuflichen Service zur Verfügung.

Prof-Dr. Richard Bamler, Direktor des Instituts für Methodik der Fernerkundung am DLR (li.) und Toni Cheng, General Manager Alibaba Cloud Germany (re.), unterzeichnen den Kooperationsvertrag zum diesjährigen TianChi-KI-Wettbewerb.
Prof-Dr. Richard Bamler, Direktor des Instituts für Methodik der Fernerkundung am DLR (li.) und Toni Cheng, General Manager Alibaba Cloud Germany (re.), unterzeichnen den Kooperationsvertrag zum diesjährigen TianChi-KI-Wettbewerb.
(Bild: Rüdiger)

Besondere Probleme wirft derzeit die Urbanisierung auf – inzwischen leben mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land, und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. „Viele Länder und Städte stehen vor der Herausforderung, dass sie gar nicht mehr wissen, wie viele Menschen in eine bestimmte Stadt strömen und welche Bebauung sich in einzelnen Vierteln befindet, beispielsweise wie hoch die Gebäude in Slumvierteln sind oder ob sie auf ungeeignetem Gelände stehen. Das bedeutet eine reale Gefahr für die Bewohner“, erklärt Prof. Dr. Richard Bamler, Direktor des Instituts für die Methodik der Fernerkundung am DLR. „Um diese Probleme zu lösen, braucht man zum Beispiel 3D-Modelle, aus denen auch Dinge wie die vorhandenen Gebäude und Gebäudehöhen genau hervorgehen“, sagt Bamler. Im Zeitalter der KI sei es wahrscheinlich möglich, die nötige Klassifizierung mit Hilfe der erhobenen Bilddaten und passenden Algorithmen weit effizienter durchzuführen als bisher. Doch, so Bamler: „Die Spezialisten für Erdbeobachtung und die für Data Science wissen nichts voneinander.“

Die Klassifikation der aus den Satellitendaten erzeugten Bilder nach 17 Klimazonen wurde bisher händisch durchgeführt.
Die Klassifikation der aus den Satellitendaten erzeugten Bilder nach 17 Klimazonen wurde bisher händisch durchgeführt.
(Bild: Rüdiger)

Das soll sich nun durch die Teilnahme an dem Alibaba-Wettbewerb ändern, dessen erste Phase mit der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages zwischen Alibaba und DLR in München begonnen hat. Es folgt eine Mobilisierungsphase mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen. Bewerben können sich Teams von Data Scientists bis zum 12.10.2018, dann werden die besten 100 Teams ausgewählt, die an der Semifinal-Phase vom 11.12.2018 bis zum 15.1.2019 teilnehmen. In dieser Phase erhalten die Teilnehmer Unterstützung von Alibaba-Ingenieuren, die die Algorithmen auf Fehler prüfen, sie erhalten unterstützende Werbung und dürfen die Karriereplattform Stepstone, neben der DLR und Vortex ein weiterer Partner des Wettbewerbs, kostenlos benutzen.

Das Finale, an dem die besten fünf Teams teilnehmen, soll im Februar 2019 stattfinden. Den Siegern winkt neben der kostenlosen Nutzung der Karriereplattform StepStone auch Unterstützung finanzieller und anderer Art durch Alibaba beim Einstieg in den riesigen chinesischen Markt. „Uns geht es nicht nur um den Gewinner, sondern auch darum, die größten Datentalente zusammenzubringen. Natürlich sind wir auch selbst auf der Suche nach Talenten“, betont Dr. Ye Huang, Head of Solution Architects bei Alibaba Cloud Germany. Man habe schon eine ganze Reihe junger Datenwissenschaftler direkt bei Alibaba eingestellt.

Wem die entstehenden Algorithmen am Ende gehören werden, ist noch unklar. „Darüber müssen wir erst noch mit der DLR verhandeln“, sagt Toni Cheng, General Manager bei Alibaba Cloud Germany. Über die Datenhoheit an sich muss man sich aber keine Sorgen machen: Die Satellitenbilder, mit denen die DLR arbeitet, sind Open Source.

Alibaba investiert auch in Startups

Der KI-Wettbewerb zusammen mit den oben genannten Partnern ist nicht der einzige, den Alibaba derzeit durchführt. Gleichzeitig läuft mit Create auch eine Veranstaltung speziell für Startups. Der jährlich seit 2015 durchgeführte Wettbewerb prämiert die besten Startups aus Bereichen wie AI, virtuelle Realität, Mobilität, IoT, Cybersicherheit und Logistik. Am 6. September fand eine Pitch-Runde mit den 15 besten deutschen Bewerbern in Berlin statt. Die fünf besten Teams aus dieser Runde messen sich am 20. September mit den fünf besten Teams aus Wuhan, China. Die besten vier Teams werden schließlich zum Finale nach Hangzhou in China eingeladen.

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