Total Cloud – das Marktgeschehen (Teil 2) Cloud Computing in Deutschland – eine Marktübersicht

Autor / Redakteur: Dr. Dietmar Müller / Florian Karlstetter

Cloud Computing hatte lange Zeit mit großen Vorbehalten zu kämpfen – die Technologie galt als unsicher in so ziemlich jeder Beziehung. Deutsche CIOs aus mittelständischen Unternehmen wollten das Thema anfangs noch nicht einmal mit der Zange anfassen. 2019 will kaum mehr einem CIO einleuchten, warum Daten – die mittlerweile als das neue Öl ausgemacht wurden – besser im hauseigenen Serverschrank als in der Cloud aufgehoben sein sollen.

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Total Cloud, Teil 2: Der Markt für Cloud Computing in Deutschland mit seinen wichtigsten Mitspielern.
Total Cloud, Teil 2: Der Markt für Cloud Computing in Deutschland mit seinen wichtigsten Mitspielern.
(© Hyejin Kang - stock.adobe.com)

Cloud Computing bezeichnet aus Sicht der Anwender heute in erster Linie „die bedarfsgerechte Nutzung von IT-Leistungen wie beispielsweise Software, Speicherplatz oder Rechenleistung über Datennetze“. So erklärte es der Bitkom bei der Vorstellung des Cloud Monitors 2018.

Wir haben im ersten Teil auf die Anfänge und den aktuellen Status quo geblickt, nun sehen wir uns in diesem zweiten Teil unseres „Total Cloud“-Artikelreihe den Markt für Cloud Computing in Deutschland mit seinen wichtigsten Mitspielern genauer an.

Marktübersicht Private Cloud

Im Groben gibt es zwei große Arten von Cloud: öffentliche und private. Im vergangenen Jahr setzte die Hälfte der Unternehmen in Deutschland (51 Prozent) Private-Cloud-Anwendungen ein, fast ein Drittel (31 Prozent) Public-Cloud-Lösungen.

Anbieter für Privat Clouds gibt es wie Sand am Meer, hier geht es ja in erster Linie um Virtualisierung. Solche Intranets bastelt Ihnen jeder Dienstleister in Windeseile. Da es sich dabei aber auch um Projekte handelt, bei denen unternehmenskritische Workloads in die Hände eines Dienstleisters gelegt werden, fällt die Wahl oft auf einen großen, bekannten und daher vertrauenserweckenden Namen.

Marktübersicht Public Cloud

Die Public Cloud gewinnt, wie eingangs angesprochen, fast schon unheimlich an Bedeutung: War im Jahr 2016 für mehr als die Hälfte (55 Prozent) die Public Cloud noch kein Thema, so sagten dies 2017 nur noch 42 Prozent, und der Widerstand schmilzt weiter. Zwei Drittel (66 Prozent) sehen eine schnellere Skalierbarkeit der eigenen Ressourcen als größten Vorteil der Public Cloud. Für die Hälfte (50 Prozent) wurde sogar die Sicherheit ihrer Daten durch die Public Cloud verbessert. Jedes fünfte Unternehmen gibt jeweils an, dass der Verwaltungsaufwand abgenommen hat (21 Prozent) oder dadurch IT-Kosten gesenkt wurden (18 Prozent).

Zu den Public Cloud-Angeboten zählen hierzulande vergleichsweise simple Online-Speicher wie Google Drive, DropBox, Apple iCloud, Microsoft OneDrive, aber auch populäre SaaS-Anwendungen wie etwa Microsoft Office 365 oder Salesforce und natürlich und nicht zuletzt die für Anwenderunternehmen sehr interessanten Plattformen der großen Anbieter Amazon (Amazon Web Services - AWS; und klarer Marktführer im Public Cloud-Markt), IBM, Microsoft (Azure), Oracle, Google, Vodafone (Total Cloud), ProfitBricks bzw. nun 1&1 Ionos, das französische OVH und die Telekom bzw. T-Systems.

Letztere hatte übrigens für die Microsoft Cloud Deutschland (MCD) als Treuhänder fungiert, damit das Microsoft-Angebot auch wirklich mit dem deutschen Datenschutzrechtsverständnis konform geht. 2018 aber wurde es aber eingestellt, angeblich fragte es der deutsche Mittelstand nicht mehr nach. Mit der Open Telekom Cloud bietet T-Systems auch ein eigenes IaaS-Portfolio für die Public Cloud.

Infrastructure-as-a-Service und Platform-as-a-Service

Crisp Research zählt zu den Public Clouds einfach alle öffentlich zugänglichen "Cloud Platforms", also neben den Infrastructure-as-a-Service- auch die Platform-as-a-Service-Angebote. Diese sind quasi eine Zwischenschicht zwischen IaaS und SaaS und besonders für Anwendungsentwickler interessant, weil damit oft entsprechende Werkzeuge und Datenbanken verbunden sind. Das Marktforschungsinstitut hat in seinem „Vendor Universe“ für 2018 über 100 Public-Cloud-Provider gefunden und bewertet.

Das Marktforschungsinstitut ISG bezeichnet Public Cloud-Angebote in seinem Report „Provider Lens Germany 2019“ der Einfachheit halber als „XaaS“. Mehr als 140 Anbieter wurden dafür begutachtet - und die Amazon Web Services als große Gewinner des Multi Cloud-Booms ausgewiesen, gefolgt von Microsoft und Google. Diese drei Anbieter halten rund zwei Drittel des Marktes. IBM und die Telekom könnten ebenfalls wesentliche Marktanteile vorweisen.

„Auch Microsoft macht derzeit viel an Boden gut, da es nicht nur seine Cloud-Infrastruktur vermarktet, sondern fertige Lösungen und Produkt-Bundles für bestimmte Anwendungsszenarien“, berichtet Heiko Henkes, Director Advisor der ISG Information Services Group und Lead Advisor der Studie. „Zudem investiert mittlerweile auch der deutsche Mittelstand, der Microsoft bereits von zahlreichen anderen Services und Produkten kennt, massiv in die Public Cloud.“

Unterschiede in den Angeboten

Die Analysten von ISG machen oberflächlich betrachtet keine großen Unterschiede zwischen den Angeboten dieser Hyperscaler aus, auf technologischer Ebene ließen sich aber durchaus Differenzierungen im Hinblick auf den Einsatz neuster Technologien für das Multi Cloud-Management ausmachen, die wir im dritten Teil dieser Reihe erläutern. International aufgestellte Anbieter versuchen sich laut ISG von den mehr regionalen Public-Cloud-Providern durch erweiterte Funktionen abzuheben, die sie unter dem Zusatz „intelligent“ beziehungsweise „künstlich intelligent“ vermarkten. Dies wären zum Beispiel Robotic Process Automation (RPA), Identity Access Management (IAM) oder Verschlüsselungs- und Cybersecurity-Lösungen.

Auch Google habe zuletzt Marktanteile gewonnen, nicht nur, weil das Partnernetzwerk in Europa und Deutschland deutlich ausgebaut worden sei, sondern weil das Unternehmen zudem über ein starkes Angebot für künstliche Intelligenz (KI) und Cloud-Produktivität verfüge. Auch IBM ist dank „Watson“ stark in Sachen KI und hat mit dem Kauf von Red Hat sein Standing in der Hybrid Cloud sehr gestärkt, gilt Red Hat doch als sehr kompetent, wenn es um die Orchestration von Containern geht – worauf wir im fünften Teil dieser Beitragsreihe ausführlich eingehen werden.

„Für den Public Cloud-Markt zeichnet sich ab, dass sich die Anbieter für eine von zwei großen Strategien am Markt entscheiden sollten: Entweder sie denken wie Microsoft eher in Lösungen und Best Practice-Angeboten für bestimmte Anwendungsszenarien oder sie bieten wie AWS eine Höchstzahl kleinster Services an, die sie sich selbst zusammenstellen können – das entsprechende Know-how vorausgesetzt“, erläutert Oliver Nickels, Senior Advisor der ISG Information Services Group. „Generell gilt: Es werden sich jene Provider behaupten, die angesichts der Vielfalt der verfügbaren Bausteine und Lösungen in der Lage sind, ihren Kunden den konkreten und praktischen Nutzen von zum Beispiel KI zu erläutern.“

Immer noch Sicherheitsbedenken

Allerdings sollten die Schattenseiten des Multi Cloud-Booms nicht verschwiegen werden: Ein Viertel (25 Prozent) der Public Cloud-Nutzer berichtet laut dem „Cloud Monitor“ von KPMG im Auftrag des Bitkom, dass es in den letzten 12 Monaten zu Sicherheitsvorfällen in den von ihnen genutzten Cloud-Lösungen gekommen ist. Sorgen um die Datensicherheit sind dann auch der Hauptgrund, weshalb ein Teil der Wirtschaft noch nicht auf die Public Cloud setzt. Fast zwei Drittel der Nichtnutzer (63 Prozent) fürchten einen unberechtigten Zugriff auf sensible Unternehmensdaten. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) hat Sorge, dass Daten in der Cloud verloren gehen. Jeder zweite Nichtnutzer (50 Prozent) beruft sich auf eine unklare Rechtslage.

Diese Bedenken werden aber wie gesagt ständig kleiner. Bitkom-Chef Pols sieht in diesem Zusammenhang einen klaren Wettbewerbsvorteil für Anbieter mit Sitz in der EU, weil diesen im Vergleich zu Anbietern aus den USA eine größere Rechtskonformität sowie besserer Datenschutz zugesprochen wird. Es muss ja nicht gleich ein Treuhändermodell sein, wie das Microsoft und T-Systems versucht haben, aber das Rechenzentrum hinter der gebuchten Cloud sollte wenigstens in der EU angesiedelt sein.

Auch die durchgehende Verfügbarkeit von Cloud-Diensten ist für gewerbliche Kunden von entscheidender Bedeutung. In der Steinzeit des Cloud Computing war es immer wieder zu Ausfällen gekommen. Dafür gab und gibt es verschiedene Ursachen: Am häufigsten zeichnen laut dem Bitkom technische Probleme auf Seiten des Cloud-Providers dafür verantwortlich (46 Prozent). Bei etwa jedem vierten Unternehmen (23 Prozent) waren technische Probleme in der internen IT der Grund, bei jedem dritten Unternehmen (35 Prozent) eine fehlende Netzwerkanbindung. Umfangreiche Sicherheitskonzepte sowohl auf Seiten der Anbieter als auch auf Seiten der Anwender haben hier aber mittlerweile ganze Arbeit geleistet.

Im dritten Teil unserer „Total Cloud“-Artikelreihe thematisieren wir die tatsächlich möglichen Einsatzszenarien. Keine Branche muss ohne Lösungsvorschläge auskommen.

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