Wettbewerb durch Lizenzierungspraktik eingeschränkt CISPE reicht Klage gegen Microsoft ein
Anbieter zum Thema
Der Branchenverband der europäischen Cloud-Provider bewertet die neuen Vertragsbestimmungen von Microsoft als unzureichend und klagt gegen dessen Wettbewerbspraktiken. Ein überprüfbarer „Control Framework for Fair Software Licensing Principles“ soll unfairen Lizensierungspraktiken einen Riegel vorschieben.

Der Branchenverband Cloud Infrastructure Service Providers in Europe (CISPE) hat bei der Europäischen Kommission eine formelle Wettbewerbsbeschwerde gegen Microsoft eingereicht. CISPE unterstützt damit seine beiden Mitglieder OVHcloud und Aruba.
Hintergrund: Die Klage von OVH
Der französischer Cloud-Provider OVH hatte seine Beschwerde bereits im Sommer vergangenen Jahres beim Kartellamt der Kommission eingereicht, es geht um die Lizensierungspraxis von Microsoft: Europäische Provider würden zu Verträgen genötigt, mit denen sie zum Beispiel Office 356 zu höheren Gebühren anbieten müssen, als Microsoft dies selbst über seine Cloud-Plattformen tut. Microsoft untergrabe so durch den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung den fairen Wettbewerb und schränke die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher auf dem Markt für Cloud-Computing-Dienste ein.
Microsoft hatte darauf mit der Ankündigung reagiert, mit europäischen Anbietern künftig besser zusammenarbeiten zu wollen. „Wir wollen sicherstellen, dass unsere Public Cloud den Bedürfnissen Europas entspricht und den europäischen Werten dient“, so Microsofts Vice Chairman und President Brad Smith im Mai dieses Jahres.
CISPE erklärte dazu nun seinerseits, dass die Bekundungen Microsofts „nicht erkennen lassen, dass Microsoft tatsächlich eine rasche Beendigung seiner wettbewerbswidrigen Lizenzierungspraktiken beabsichtigt“. Im Gegenteil, die nach einiger Wartezeit am 1. Oktober dieses Jahres vorgelegten neuen Vertragsbedingungen setzten die unlauteren Praktiken weiter fort.
Seit 1. Oktober neue Vertragsbestimmungen von Microsoft
Was sind das für neue Vertragsbedingungen, die seit 1. Oktober gelten? Nun, für Microsoft sind es zunächst lediglich „neue Optionen, um Lizenzen in die Cloud eines Partners zu bringen“. Sie lauten im Einzelnen:
- Anwender könnten nun mit Software Assurance oder Abonnementlizenzen ihre eigene lizenzierte Software verwenden, um Lösungen zu erstellen und/oder zu installieren und sie auf der Infrastruktur eines beliebigen Cloud-Anbieters auszuführen – ob dediziert oder gemeinsam genutzt.“ So erweiterten sich die Möglichkeiten der Anwender, ihre Software in mandantenfähigen Clouds zu betreiben.
- Kunden mit Software Assurance oder Abonnementlizenzen könnten nun Windows Server auf einer Virtual Core-Basis lizenzieren. „Bei diesem Modell können Kunden Lizenzen für nur die benötigten virtuellen Kerne erwerben – vorbehaltlich eines Mindestbetrags pro Virtual Machine –, ohne an eine physische Anzahl von Kernen auf dem Server gebunden zu sein“, so Microsoft.
- Man habe zudem die Virtualisierung von Windows 10 oder Windows 11 vereinfacht, indem die VDA-Zusatzlizenzanforderung für Microsoft 365 F3-, Microsoft 365 E3- und Microsoft 365 E5-Benutzer abgeschafft wurden.
- Anwender dürften jetzt mit Partnern im Cloud-Solution-Provider-Programm zusammenarbeiten, um vorgefertigte gehostete Desktop- und Serverlösungen zu erstellen. Dafür müssen sie entweder ihre eigene Lizenz mitbringen oder die Lizenz vom Partner erhalten.
- Kunden haben nun über Partner im Cloud-Solution-Provider-Programm die Wahl zwischen ein- und dreijährigen Abonnements für Produkte wie Windows Server, Remote Desktop Services (RDS) oder SQL-Server.
„Diese neuen Outsourcing- und Hosting-Bedingungen werden die Wahlmöglichkeiten der Kunden beim Outsourcing erheblich erweitern“, so Microsoft.
CISPE schlägt Gegenmaßnahmen vor
Das überzeugt die Vertreter von CISPE nicht. Auch die neuen Bestimmungen würden nichts daran ändern, dass Microsoft seine Marktmacht missbrauche. Das schade dem europäischen Cloud-Ökosystem und nehme den europäischen Kunden die Wahlmöglichkeit bei ihrer Nutzung der Cloud. Man sehe sich gezwungen, eine formelle Beschwerde einzureichen und die Europäische Kommission zum Handeln aufzufordern.
In seiner Beschwerde schlägt CISPE zudem Abhilfemaßnahmen vor, die in der Branche schnell und effizient umgesetzt werden könnten. Das „Control Framework for Fair Software Licensing Principles“ von CISPE solle die Einhaltung der zehn Grundsätze einer fairen Softwarelizenzierung garantieren. Diese hatte CISPE 2021 zusammen mit Cigref, dem französischen Verband der Digitalkunden, entwickelt.
„Microsoft nutzt seine Vormachtstellung bei Produktivitätssoftware, schränkt die Auswahl ein und treibt die Kosten in die Höhe, wenn europäische Kunden in die Cloud wechseln wollen“, so Francisco Mingorance, Secretary General von CISPE. „Es verzerrt so die digitale Wirtschaft in Europa. Das Kartellamt der EU muss schnell handeln und eine förmliche Untersuchung mit einer Mitteilung der Beschwerdepunkte gegen Microsofts Softwarelizenzmissbrauch einleiten.“
Er hofft, dass schnellstmöglich ein förmliches Verfahren gegen Microsoft eröffnet wird. Das sei entscheidend für das Überleben eines wettbewerbsfähigen Marktes für Cloud-Infrastrukturen in Europa.
(ID:48734867)